Kiews Truppen im Vormarsch
Erbitterte Kämpfe in
Ostukraine. »Untersuchungslager« angekündigt
von Arnold Schölzel am 14.06.2014
Bei schweren Gefechten in der Ostukraine eroberten
Truppen Kiews nach eigenen Angaben am Freitag die 500000-Einwohner-Stadt
Mariupol (Foto: Die Geste gilt Einwohnern am Straßenrand). Die Einheiten
setzten demnach Granatwerfer und gepanzerte Fahrzeuge ein. Mindestens fünf
Aufständische seien getötet und vier Soldaten verletzt worden, erklärte
Innenminister Arseni Awakow, der eigenhändig auf dem Rathaus die ukrainische
Flagge hisste. Auf einem im Internet verbreiteten Video war zu hören, dass
unter den Eroberern auch Englisch gesprochen wird. Bei Kämpfen im Gebiet
Donezk erlitten die Widerstandskämpfer laut Mitteilungen des
Verteidigungsministeriums bedeutende Verluste. So seien bei Stepanowka am
Vortag mehr als 40 Aufständische getötet worden. Der ukrainische Präsident
Petro Poroschenko erklärte: »Der heldenhafte Kampf der ukrainischen Armee hat
die Lage in Mariupol stabilisiert.« Am Mittwoch hatte der Verteidigungsminister
Kiews, Michail Kowal, in einem privaten Fernsehsender, Poroschenkos Kanal 5,
angekündigt, man werde nach der »Befreiung« für Einwohner der Ostukraine Lager
für »Überprüfung« (Filtration) und Umsiedlung einrichten.
An der Grenze zu Russland brachten ukrainische Grenztruppen nach eigenen
Angaben einen rund 120 Kilometer langen Gebietsstreifen, den sie aufgegeben
hatten, unter ihre Kontrolle. Die Rebellen beherrschen demnach aber weiterhin
184 Kilometer. Der von Kiew als Gouverneur von Dnipropetrowsk eingesetzte
Milliardär Igor Kolomoiski schlug den Bau eines 1920 Kilometer langen
Elektrozauns mit Stacheldraht und Minen an der Grenze vor.
Poroschenko hatte sich am Vortag bei einem
Telefonat mit seinem Amtskollegen Wladimir Putin über das angebliche
Eindringen russischer Panzer auf ukrainisches Staatsgebiet beschwert.
NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen äußerte sich prompt »besorgt« über
diese Meldungen. Er sagte in Brüssel: »Wenn sich diese Berichte bestätigen,
würde das eine ernste Eskalation der Krise in der Ostukraine bedeuten.« Laut
dpa verwiesen Beobachter darauf, dass es sich um erbeutete Panzer aus
ukrainischen Beständen handeln könnte.
Im Gaspreiskonflikt zwischen Russland und der Ukraine zeichnete sich keine
Annäherung ab. Am Montag läuft eine russische Frist für die Begleichung offener
Rechnungen der Ukraine ab. Russland hat der Ukraine einen Preis von 385
US-Dollar pro 1000 Kubikmeter statt bisher 485 Dollar vorgeschlagen, Kiew pocht
dagegen auf einen Sonderpreis von 268,50 Dollar.
Bei einer Gasexplosion in einem Kohlebergwerk in der Ukraine kamen am
Donnerstag mindestens neun Arbeiter ums Leben. Die Explosion ereignete sich in
einer Grube in der ostukrainischen Stadt Kirowsk in rund 300 Metern Tiefe, wie
die Behörden am Freitag mitteilten.
Quelle: http://www.jungewelt.de/2014/06-14/012.php