Hört
endlich auf damit, den Krieg zu wollen!
von
Karl-Jürgen Müller*
Ein bösartiger Zyniker und Verschwörungstheoretiker
würde vielleicht sagen: «Der Absturz bzw. Abschuss der Passagiermaschine über
ostukrainischem Gebiet hätte zu keinem besseren Zeitpunkt passieren können.
Nichts eignet sich besser als der Tod von 300 Unschuldigen, um die Stimmung
gegen Russland weiter aufzuheizen und die Völker, die noch immer nicht
kriegsbereit sind, auf die Seite der Kriegsherren zu ziehen.»
Aber da würden sich selbstverständlich alle sehr
empören und laut aufschreien. So etwas Bösartiges ist doch keinem Menschen
zuzutrauen und schon gar nicht verantwortlichen Politikern, Militärs und
Medienschaffenden in unseren zivilisierten westlichen Ländern.
Nun ja, vielleicht muss man aber auch gar kein
Zyniker und Verschwörungstheoretiker sein, um ähnlich nachzudenken wie oben
zitiert. Vielleicht reicht auch schon ein Blick in gute Geschichtsbücher, um
auf die Idee zu kommen, dass interessierte Kreise immer wieder in der
Geschichte nach Gründen gesucht haben, um loszuschlagen. Manchmal haben diese
Kreise auch nachgeholfen. Man spricht da von «Operationen unter falscher
Flagge». Die Geschichte ist auch davon voll, am bekanntesten wohl ist der Satz
Adolf Hitlers: «Seit 5.45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen.»
Tatsache ist, dass sich die westlichen Leitmedien
schon wenige Stunden nach dem Absturz des Passagierflugzeuges ganz sicher
zeigten, wer der Schuldige ist. Selbstverständlich nicht alle Medien auf eine
gleich platte Art und Weise. Man zitierte auch aus russischen Stellungnahmen,
aber die blieben ohne den Versuch, den Dingen auf den Grund zu gehen, ohne die
ehrliche Suche nach Belegen, standen also als pure Behauptungen da. Ist doch
klar, dass die Schuldigen alle Schuld von sich weisen. Umso schlimmer, sie
gestehen nicht einmal. So vertun sie auch ihre letzte Chance.
Wer zum Beispiel berichtete in den westlichen
Medien über die 10 Fragen aus dem russischen Außenministerium, die in folgender
Erklärung vom 21. Juli der interessierten Öffentlichkeit auf der Internetseite
des Ministeriums zugänglich gemacht wurden:
Erklärung des Außenministeriums Russlands zur
Untersuchung der Gründe für den Absturz des malaysischen Flugzeugs im Luftraum
der Ukraine
Die Weltöffentlichkeit erwartet eine möglichst
rasche und unabhängige Untersuchung der Gründe für den Absturz des malaysischen
Flugzeugs im Lauftraum der Ukraine.
Zur Durchführung einer möglichst objektiven
Untersuchung richtete die Führung des Verteidigungsministeriums der Russischen
Föderation vor kurzem zehn Fragen an die ukrainische Seite.
Wir möchten diese in Erinnerung rufen.
10 Fragen
1. Die Machthaber der Ukraine nannten sofort die
Volksmilizen als Schuldige der Tragödie. Auf welcher Grundlage basieren diese
Schlussfolgerungen?
2. Kann das offizielle Kiew alle Einzelheiten des
Einsatzes des Flugabwehrraketensystems «Buk» im Gebiet der Kampfhandlungen
mitteilen? Das Wichtigste – warum sind diese Systeme dort stationiert, da die
Volksmilizen doch keine Flugzeuge haben?
3. Was sind die Gründe für die Untätigkeit der
ukrainischen Behörden zur Einrichtung einer internationalen Kommission? Wann
wird eine solche Kommission zu arbeiten beginnen?
4. Sind die Vertreter der Streitkräfte der Ukraine
dazu bereit, internationalen Experten Dokumente der Bestandsführung für
Luft-Luft-Raketen und Boden-Luft-Raketen sowie für Luftabwehrraketensysteme
vorzulegen?
5. Werden die Daten der Kontrolleinrichtungen für
die Luftraumbewegungen der Flugzeuge der ukrainischen Luftwaffe am Tag der
Tragödie der internationalen Kommission vorgelegt werden?
6. Warum ließ die ukrainische Luftraumüberwachung
eine Abweichung von der Flugroute des Flugzeugs nach Norden in Richtung der
«Zone für die Antiterroroperation» zu?
7. Warum wurde für Zivilflugzeuge der Luftraum über
der Zone der Kampfhandlungen nicht völlig gesperrt, umso mehr als es in diesem
Gebiet keine lückenlose Radarnavigation gibt?
8. Kann das offizielle Kiew die Mitteilungen in den
sozialen Netzen kommentieren, die angeblich von einem in der Ukraine
arbeitenden spanischen Mitarbeiter der Flugsicherung stammen, dass die über dem
Territorium der Ukraine abgeschossene «Boeing» von zwei ukrainischen
Kriegsflugzeugen begleitet wurde?
9. Warum begann der Sicherheitsdienst der Ukraine
ohne internationale Vertreter die Arbeit mit den Gesprächsaufzeichnungen
zwischen der ukrainischen Flugsicherung und der «Boeing»-Besatzung sowie mit
den Daten der ukrainischen Radaranlagen?
10. Wie wurden die Lehren aus der vorhergehenden analogen
Katastrophe mit der russischen Tu-154 im Jahr 2001 über dem Schwarzen Meer
berücksichtigt? Damals bestritt die politische Führung bis zur letzten Minute
die Beteiligung der Streitkräfte des Landes an dieser Tragödie, bis
unwiderlegbare Beweise die Schuld des offiziellen Kiews zum Vorschein brachten.
Leider folgte bis jetzt noch keinerlei Reaktion der
Ukraine auf die angeführten Fragen.
Wir erwarten, dass trotz allem Antworten gegeben werden.
Wie wäre es zu beurteilen, wenn westliche Politiker
und Medien, also unsere Politiker und Medien, mit dem Tod von 300 Menschen
Interessen- und Machtpolitik betreiben? Wie würde dies
zur westlichen «Wertegemeinschaft» passen?
Wie würde es zu den geistigen und sittlichen
Errungenschaften von Christentum, Humanismus und Aufklärung passen, wenn unsere
«Verantwortlichen» nichts anders wären als skrupellose, menschenverachtende
Kriegstreiber, vielleicht auch nur willfährige Marionetten, vielleicht sogar so
eng im Denken, dass sie auch noch glauben wollen, was sie sagen – was alles
auch nicht besser ist?
Tatsache ist, dass die sich jede Woche mehr
zuspitzende Eskalation im Verhältnis des «Westens» zu Russland in einer
Menschheitskatastrophe enden kann. Hat Russland ein Interesse an dieser
Zuspitzung? Dafür ist mir kein Argument bekannt. Hat der «Westen» ein Interesse
daran? Da muss man unterscheiden. Ganz sicher nicht die Völker. Die hatten noch
nie ein Interesse an Konfrontation und Krieg. Europa? Eigentlich nicht. Europa
würde einen hohen, einen sehr hohen Preis bezahlen müssen.
«Europa», sagt Peter Scholl-Latour, «vollzieht eine
Unterwerfungspolitik gegenüber den USA.» Sind wir denn wahnsinnig? Wollen wir
nach zwei Weltkriegen und dem Kalten Krieg, der ebenso Millionen von
Menschenopfern forderte, erneut zur Schlachtbank schreiten?
Also, Politiker, Medienschaffende und Militärs in
Europa: Hört endlich auf damit, den Krieg zu wollen! Kommt zur Vernunft! Löst
Euch von fremden Vorgaben und Einflüssen! Denkt an die Zukunft des Kontinents
und vor allem an die Menschen, die hier leben! Wenn Ihr ein Gewissen habt, dann
hört auf dessen Stimme. Hört genau hin! Sehr genau!
Quelle
: www.seniora.org/krieg.../503-hoert-endlich-auf-damit..
* Der Autor ist Berufsschullehrer für die Fächer
Deutsch, Geschichte und Gemeinschaftskunde und Mitarbeiter der Redaktion
«Zeit-Fragen».