Palästina - Konferenz in Berlin von Polizei gestürmt

Repressionen gegen Palästina-Aktivisten eskalieren in Deutschland

Bericht von Abir Kopty, palästinensischer Journalist und Schriftsteller, wohnhaft in Berlin


In einem schockierenden aber zu erwartenden Schritt hat die Berliner Polizei den am Freitag, 12. April, die beginnende Palästina-Konferenz gestürmt und beendet. Der Kongress war als dreitägige Veranstaltung mit Rednern aus der ganzen Welt geplant, darunter Ghassan Abu-Sittah, Salman Abu Sitta, Noura Erakat und Ali Abunimah.
Die von palästinensischen, jüdischen und internationalen Gruppen organisierte Konferenz hatte das Ziel, den Völkermord in Gaza und die israelischen Verbrechen an den Palästinensern zu erörtern und sollte als Tribunal für Israel und einen seiner größten Unterstützer und Waffenlieferanten dienen: Deutschland.
"Die Tatsache, dass wir es geschafft haben, hier zu sein und diese Konferenz abzuhalten, ist an sich schon ein Akt des Widerstands", sagte die palästinensische Journalistin Hebh Jamal in ihrer Eröffnungsrede auf dem Kongress. Jamal wusste nicht, dass ihre Rede die einzige im Rahmen des geplanten dreitägigen Programms sein würde.

Einschüchterung durch die Regierung

Seit Wochen, seit der Ankündigung der Veranstaltung, haben die deutschen Behörden, die Polizei und die Medien darauf hingearbeitet, diese Veranstaltung zu verhindern.
Deutsche Medien bezeichneten die Konferenz unter anderem als "Kongress der Israel-Hasser"
und sie schürten eine Diffamierungskampagne gegen die Redner. Politiker riefen dazu auf,  die Konferenz zu verbieten.

Die Regierung unternahm jedenfalls in den Wochen vor dem Kongress zahlreiche Schritte, um die Organisatoren unter Druck zu setzen und einzuschüchtern. Es gab Hausdurchsuchungen bei Aktivisten, die an der Konferenz beteiligt waren, und eine Spendenaktion für den Kongress wurde verboten.
Außerdem wurden, laut Angaben der Organisatoren, zwei Veranstaltungsorte aufgrund von polizeilichem Druck und Drohungen gekündigt und die Berliner Behörden ließen auch das Bankkonto der jüdischen Stimme für den Frieden, einer der Organisatoren des Kongresses, sperren, auf dem alle Beiträge für die Veranstaltung gesammelt wurden.

Am Tag der Konferenz wurden 2500 Polizisten in der Nähe des Veranstaltungsortes und im Inneren der Halle eingesetzt. Und als ob das noch nicht genug wäre, wurde Dr. Ghassan Abu-Sittah ( 86 Jahre) die Einreise nach Deutschland verwehrt und nach Großbritannien abgeschoben. Er sollte am Abend auf dem Kongress über seine Erlebnisse in Gaza sprechen.

Kurz vor Beginn der Veranstaltung ließ die Polizei etwa zwei Dutzend feindlich gesinnte und antipalästinensische Journalisten, die die Hetzkampagne gegen die Konferenz angeführt hatten, in den Saal, obwohl sie keine Akkreditierung von den Kongressveranstaltern erhalten hatten. Es war ein hinterhältiges Vorgehen. Diese 25 wurden auch bei der offiziellen Zählung der Teilnehmer berücksichtigt, was bedeutete, dass 25 weniger angemeldete Teilnehmer eingelassen wurden.
Als die Konferenz begann, waren alle erleichtert, dass wir es trotz allem "geschafft hatten", auch wenn sich die Teilnehmer angesichts der starken Polizeipräsenz und der feindlich gesinnten Medienvertreter, die herumliefen und filmten, angespannt und unsicher fühlten.

Es entstand ein gewisses Gefühl des Sieges angesichts der vergangenen langen, anstrengenden und schrecklichen sechs Monate in einem Land, das den Schmerz und die Wut seiner palästinensischen Gemeinschaft als nicht legitim ansieht. Doch dieses Gefühl währte nicht lange.
Die deutsche Polizei hatte an diesem Tag nur einen Auftrag: die Veranstaltung zu beenden. Sie wartete lediglich auf den richtigen Moment und wenn der nicht käme, würden sie einen schaffen.

Polizei stürmt Veranstaltung, kappt Stromversorgung

Der nächste Redner nach der Journalistin Heba Jamal war der renommierte palästinensische Gelehrte und Autor Salman Abu Sitta, der aus der Ferne mittels eines vorab aufgezeichneten Videos zugeschaltet wurde.
Zwei Minuten nach Beginn des Videos stürmten plötzlich Dutzende von Polizisten in die Mitte des Saals vor die Leinwand und die Bühne und unterbrachen die Übertragung
.

Als sie die Bühne des Palästinakongresses stürmte, um die Veranstaltung zu beenden, schrie ein Organisator: "Sie sind dabei, sich lächerlich zu machen, sollen sie sich doch lächerlich machen!" Alle nickten.

Die Polizei behauptete zunächst, Abu Sitta habe etwas gesagt, das zu Gewalt oder Hass anstiften würde. Als die Organisatoren sie aufforderten, den Satz genau zu benennen, sagten sie, sie müssten das überprüfen. Sie wüssten es nicht. Daraufhin behaupteten sie, dass Salman Abu Sitta in Deutschland ein Verbot der "politischen Betätigung" erteilt worden sei. Sie hielten den aus der Ferne zugeschalteten Redebeitrag als Verstoß. Die Anwältin der Veranstaltung, Nadja Samour, erklärte jedoch, dass die Polizei die Teilnehmerliste am Morgen überprüft und nichts in Bezug auf Abu Sitta gefunden habe. Die Organisatoren schlugen vor, den Rest von Abu Sittas Rede nicht zu übertragen, sondern mit den übrigen Rednern fortzufahren.

Die Polizei wollte auch die Live-Übertragung der Veranstaltung verhindern, weil sie befürchtete, dass ein Redner etwas sagen könnte, das eine Aufwiegelung darstellen könnte. Als die Organisatoren gegen eine derart hypothetische Unterstellung argumentierten,

brach die Polizei in den Elektroraum des Veranstaltungsortes ein und schaltete den Strom ab. Daraufhin beschloss die Polizei, die gesamte Veranstaltung für die gesamten drei Tage zu verbieten, und forderte alle Teilnehmer auf, den Veranstaltungsort zu räumen. Beim Verlassen des Saals nahm die Polizei mehrere Aktivisten, darunter auch zwei jüdische, fest.

Ja, in Deutschland gibt es nur eine Art von Juden, die anerkannt wird, jene, die mit dem israelischen Völkermord keine Probleme hat.

Laut Samour teilte die Polizei den Organisatoren mit, dass der Befehl zur Beendigung der Konferenz von "ganz oben" kam. Sie könne das zwar nicht bestätigen, aber es gebe offensichtlich eine gestörte Kommunikation zwischen der Bundespolizei und der Berliner Polizei. Es ist unklar, von wem die Entscheidung getroffen und wie und wann sie der Polizei vor Ort mitgeteilt wurde.

Wachsender Autoritarismus

Im Gleichklang mit den meisten deutschen Politikern begrüßte die deutsche Innenministerin Nancy Faeser das Verbot des Kongresses mit den Worten: "Es ist gut, dass die Berliner Polizei ein hartes Durchgreifen gegen den so genannten Palästina-Kongress in Berlin verfügt hat. Wir haben die islamistische Szene sehr genau im Blick."

Islamfeindliche und antipalästinensische Haltungen haben den öffentlichen Diskurs über Palästina hier in Deutschland schon vor dem 7. Oktober geprägt und sind nur noch schlimmer geworden. Polizeiliche Repressionen und Übergriffe sind normal und nicht zufällig. Während die Organisatoren versprachen, die Entscheidung vor Gericht anzufechten, wiesen sie darauf hin, dass diese Repressionstaktik darauf abzielt, die Bewegung zu erschöpfen.
"Wir wissen, dass die Welt zuschaut und sieht, dass Deutschland seine antidemokratischen, autoritären Tendenzen mit jedem Tag mehr zur Schau stellt", sagen die Organisatoren des Palästinakongresses. "

Trotz all der Energie, die durch diese Unterdrückung verbraucht, verschwendet und absorbiert wird, ist es das Wichtigste, weiterhin über den Völkermord zu sprechen", sagte Wieland Hoban, Vorsitzender der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden im Nahen Osten, einem Mitorganisator des Kongresses. "Wir sind stolz, heute hier zu sein, das ist allein schon ein Sieg, und sie werden uns nicht aufhalten", sagte Mitorganisatorin Karin de Rigo von der Gruppe DIEM25.

Die Organisatoren des Kongresses hielten am Samstag, den 13. April, nach dem Tag, an dem die Polizei die Veranstaltung gestürmt und aufgelöst hatte, eine Pressekonferenz ab, um auf die erschreckenden Ereignisse zu reagieren. Sie stellten klar, dass das von der Polizei ausgesprochene Verbot auch für alle alternativen Veranstaltungen gilt, die organisiert werden, um den Rednern einen Raum zu bieten, sei es online oder in persona.

"Was gestern passiert ist, sollte weltweit bekannt gemacht werden, Deutschland sollte beschämt und angeprangert werden", sagte der Filmemacher und Aktivist Dror Dayan auf der Pressekonferenz. Er rief auf zum kulturellen und akademischen Boykott Deutschlands.

Die Organisatoren wiesen darauf hin, dass sie noch immer keine schriftliche Anordnung erhalten hätten, in denen die von der Polizei mündlich verhängten Einschränkungen aufgeführt sind.
"Das Vorgehen der Polizei in den Wochen vor und während der Veranstaltung selbst ist nicht das Vorgehen  einer Polizei, sondern das Vorgehen einer Mafia", erklärten die Organisatoren.