Gazprom muss weitere Turbine bei Nord Stream 1 stoppen und reduziert Gaslieferung auf 20 Prozent

 

Der russische Energiekonzern Gazprom wird den Betrieb einer weiteren Siemens-Turbine einstellen, teilte das Unternehmen am Montag mit. Gazprom begründet die Entscheidung, diese Turbine abzuschalten, mit deren technischem Zustand und der Tatsache, dass deshalb eine Überholung anstehe. Die Lieferungen durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 werden daher ab dem 27. Juli nicht mehr als 33 Millionen Kubikmeter pro Tag betragen, berichtet die Wirtschaftszeitung Kommersant. Das entspreche 20 Prozent der Kapazität der Pipeline.

Laut einem früheren Bericht der Zeitung Kommersant sind derzeit mehrere von neun Turbinen der Verdichterstation Portowaja reparaturbedürftig. Der Zeitung zufolge habe Gazprom noch keine weiteren Reparaturen genehmigt, und die Überholung einer Turbine dauere etwa drei Monate. Die aktuelle Lizenzvereinbarung erlaube es Siemens Energy, bis Ende 2024 fünf weitere Turbinen zur Reparatur anzunehmen.

Vorausgegangen war unlängst bereits ein Streit zwischen Russland, Kanada und Deutschland über eine Siemens-Turbine, die zur Reparatur nach Montreal geschickt worden war und aufgrund der Sanktionen gegen Russland dann von Ottawa nicht rechtzeitig auf den Weg zurück zum Betreiber gesandt wurde. Gazprom führte diese Verzögerung als einen Grund für eine im letzten Monat 60-prozentige Verringerung des Gasexports nach Deutschland durch diese Pipeline an. Kanada gab die Turbine schließlich zum Transport nach Deutschland frei, wo sie derzeit auf den Versand nach Russland wartet. Gazprom sagte am Montag, dass die Unterlagen, die es von Kanada und Siemens bezüglich der Lieferung der Turbine erhalten habe, keine der Fragen im Zusammenhang mit den Sanktionen klären würden.

In der vergangenen Woche hatte Bundeskanzler Olaf Scholz angedeutet, dass sich Berlin in Sachen Gaslieferungen angeblich auf Moskau nicht mehr verlassen könne, und erklärte in diesem Zusammenhang, er sei von den russischen Erklärungen nicht überzeugt, dass die verzögerte Lieferung der reparierten Siemens-Turbine für das volle Funktionieren der Erdgas-Trasse Nord Stream 1 überhaupt notwendig sei. Moskau wies diese Behauptung am Montag zurück. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erklärte dazu, der Rückgang der russischen Lieferungen sei auf technische Probleme infolge der westlichen Sanktionen zurückzuführen.

https://pressefreiheit.rtde.tech/europa/144401-gazprom-stoppt-einsatz-weiteren-siemens/
25.7.2022


https://www.jungewelt.de/artikel/431207.embargo-gegen-russland-eu-kocht-auf-sparflamme.html
26.7.2022

Embargo gegen Russland
EU kocht auf Sparflamme
Brüssel dringt auf vollständigen Gasimportstopp.
Widerspruch mehrerer Mitgliedstaaten. Österreich entzieht Bayern Speicherkapazität
Von Sebastian Edinger

In der Gaskrise zeigt sich einmal mehr: Appelle an das »solidarische Europa« bleiben folgenlos. So hatte die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen (CDU), am Montag gegenüber dpa erneut betont, wie wichtig der »Notfallplan« ihrer Behörde sei. Russland sei »kein verlässlicher Partner für die Energieversorgung Europas«. Deshalb müsse man »für den schlimmsten Fall vorbereitet sein: einen vollständigen Stopp der Gaslieferungen«. Diesen will die EU-Kommission dadurch erreichen, dass alle Mitgliedstaaten bis März ihren Verbrauch um 15 Prozent senken. Notfalls per Anordnung aus Brüssel.

Diesmal ist es die Regierung des arg von russischen Gaslieferungen abhängigen Deutschlands, die in das Solidaritätslied der Kommission einstimmt. Und laut dem Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, müssen sogar 20 Prozent eingespart werden, »um sich für den Winter vorzubereiten«. Die Zielvorgabe der Bundesregierung von Speicherständen zwischen 90 und 95 Prozent bis zum 1. November hält er für »unrealistisch«.

Eine entsprechende Kampagne wird nun in Baden-Württemberg gestartet. Die Landesregierung will Bevölkerung, Verwaltung und Wirtschaft Anregungen zum Einsparen von Gas und Strom geben, wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) am Montag sagte. Ziel sei es, 20 Prozent des Gasverbrauchs einzusparen. »Das ist möglich, dann kommt es zu keiner Gasmangellage.« Kretschmann ergänzte: »Aus vielen Peanuts wird eine große Nuss.«

Doch in vielen EU-Ländern, deren Wirtschaft nicht von Gaslieferungen aus Russland abhängig ist, stoßen die Nöte Deutschlands und die Pläne der EU auf wenig Interesse. Polens Vizeministerpräsident Jaroslaw Kaczynski will die Vorlage aus Brüssel »mit einem Lachen« entgegennehmen. Spaniens Energieministerin Teresa Ribera betont, ihr Land habe damit nichts am Hut – man beziehe schließlich gar kein Gas aus Russland. Und Ungarns Regierung hat bereits den »Energienotstand« ausgerufen und damit ein Verbot von Gasexporten begründet, das auch Ausfuhren in andere EU-Staaten umfasst.

Auch zwischen westeuropäischen, von russischen Gaslieferungen abhängigen Nachbarstaaten ist es mit der Solidarität nicht weit her. Die österreichische Regierung will laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung (Montagausgabe) noch in diesem Jahr einen Speicher in Haidach bei Salzburg anzapfen. Bislang ist der Vorrat ans deutsche Netz angeschlossen und versorgt vor allem bayerische Haushalte und Industrieunternehmen. »Wir haben beschlossen, dass alle Gasspeicher auf österreichischem Staatsgebiet an unser Netz angeschlossen werden müssen«, wird die Klimaschutz- und Energieministerin der Alpenrepublik, Leonore Gewessler, zitiert.

Während das Pokern der Mächtigen ums Gas weitergeht, geraten immer mehr Menschen in existentielle Nöte. Der Deutsche Mieterbund hat deshalb gefordert, dass Mietern wegen unbeglichener Heizungsrechnungen nicht mehr gekündigt werden darf. Zudem müsse ein Gaspreisdeckel eingeführt werden. Das könnte mit der Ampelkoalition allerdings schwierig werden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe am Freitag ein Paket im Umfang von rund fünf Milliarden Euro vorstellen wollen, berichtete Bild am Montag. Finanzminister Christian Lindner (FDP) habe dem Vorhaben jedoch eine Absage erteilt, woraufhin Scholz keine konkreten Angaben zu neuen Hilfen habe machen können. Lindner will im nächsten Jahr wieder die »Schuldenbremse« einhalten.

https://www.jungewelt.de/artikel/431136.deak-die-milch-macht-s.html
25.7.2022

Die Milch macht’s
Keine Angst vorm Bibberwinter: Habecks Tips zum Selberretten
Von Dusan Deak

Die Katze ist aus dem Sack. Zeitgemäß, mittels einer Zoom-Videoübertragung, hat Wirtschaftsminister Robert Habeck die Energienotfallplanung zur Rettung der Bundesrepublik präzisiert. Das Hauptaugenmerk liegt auf der beschleunigten Produktion von Biogas durch glückliche Kühe, der Wiederentdeckung von Stein- und Braunkohle und anderer erneuerbarer Energiequellen sowie auf mehr Gezeitenkraftwerken in Vorgärten.

Ergänzend sollen möglichst viele Bundesbürger ermutigt werden, ihre Ernährung auf gluten- und laktosehaltige Mehl- und Milchprodukte umzustellen. Diese regen bekanntlich die Verdauung an und ermöglichen vermehrte Wind- und Flatulenzenbildung, was durch geeignete Sammlung und Aufbereitung helfen kann, die Minderversorgung mit russischem Gas auszugleichen. Think global, act local gewissermaßen.

Auch weitere Einsparmaßnahmen sind geplant. So sollen Behörden geschlossen sowie die Weihnachts- und Osterferien für die Jahre 2022, 2023 und 2024 zusammengelegt und vorgezogen werden. Zudem dürfen Durchgangsräume (bis auf Pförtnerlogen) nicht mehr beheizt werden, und auch die Vermieterpflicht, Wohnräume auf mindestens 21 Grad Celsius zu heizen, entfällt. Berichte über Planungen, privates Baden und Duschen zu untersagen und durch ein behördlich überwachtes monatliches gemeinsames Duschen (nach Wohnblock) zu ersetzen, wurden zunächst nicht bestätigt.

Die Herstellung privater Miniatomkraftwerke in Eigenregie (Anleitung gibt es bei Youtube) wird vom Wirtschaftsministerium eher kritisch beurteilt. Hier sei Vorsicht geboten: Oft könne man private Mini-AKW nur schwer von schmutzigen Atombomben unterscheiden.