Gegen die Dämonisierung der Montagsmahnwachen

 

Gegen Pawlowsche Reinlichkeitsreflexe der Linken

 

von Dieter Dehm am 27.5.2014

 

DIE LINKE hat eine Tendenz, alles zu definieren, alles zu kontrollieren und möglichst viel zu verbieten. Auf der Strecke bleiben unintellektuelle Glücksentwürfe und Bewegung, besonders Bewegungen sogenannter „normaler Menschen“. (sogar reale Körperbewegungen schließen unkontrollierbares mit ein!) Wenn es nach diesen Reinlichkeitsreflexen ginge, müsste ich bei jedem Skatabend wütend aufstehen, könnte wohl kaum mit Kollegen am Arbeitsplatz diskutieren, ein Hiphopkonzert besuchen oder auf dem Fußballplatz stehen. Ich müsste meine Mitstreiter jenseits der "10 Semester Emanzipationskunde" rekrutieren.

 

Viele eurer Bedenken, liebe Genossinnen und Genossen vom FDS, kann ich nachvollziehen. Auch mir ist die Erklärung nicht leichtgefallen. Aber ich empfehle dringend, sich Bigotterie zu verweigern. Z.B. die TAZ wirft den Montagsdemos AfD-Nähe vor - und nimmt gleichzeitig gut bezahlte Anzeigen der AfD entgegen.

 

Es ist doch zu offensichtlich, was einige Medien mit ihrer Dämonisierung von Demonstranten wollen: nämlich überhaupt keine Bewegung. Denn da könnte ja jemand sein, der das Körperteil einer Frau lobend hervorhebt, also ein Sexist (neuerdings gibt es dies ja auch häufiger umgekehrt von Frauenseite, aber da gelten ja noch mildernde Umstände).

 

Und da könnte jemand sein, der das Bombardieren einer Palästinenserhütte durch israelische Kampfhubschrauber kritisiert, also ein Antisemit. Da könnte jemand sein, der nicht jede Erscheinung des Christopher-Street-Days für schön befindet, also ein Homophober. Da könnte jemand ein Zigeunerschnitzel bestellen, also ein Ziganophober. Und da hat jemand nicht den aktuellen Begriff für Behinderte, Afroamerikanerinnen drauf.... Und das alles kann plötzlich - und zwar ziemlich willkürlich - in die Gewichtigkeit eines professionellen Ausschwitzleugners hochgeschrieben werden.

 

Ich versuche beim Ausgrenzen wählerischer zu sein. Ich stigmatisiere Faschisten und entsprechend verurteilte Täter. Ausschließlich. Und nothing more. Ansonsten versuche ich zu überzeugen. Denn es hat rechte Demokraten und undemokratische Linke gegeben. Schade zwar, aber wenn wir 1981 alles ausgegrenzt hätten, was meiner Reinlichkeit, Ästhetik und Intellektualität nicht entsprach, wäre die Friedensbewegung 1981 gegen die Pershings bei unter 30 geblieben und nie auf 300 000 angewachsen. Aber Kleinhalten oder sowas könnte auch das Ziel der taz, des Spiegel usw. sein. Besonders wenn die taz aus der Erklärung von Wolfgang Gehrcke und mir mit drohenden Untertönen zitiert, wir hätten sogar "den amerikanischen Imperialismus, deutsche Wirtschaftseliten und die EU" angegriffen (und dabei verschweigt, dass wir im Unterschied zu manchen Tendenzen der Montagsdemos gegen JEDEN Rassismus und Antiamerikanismus aufzuklären empfohlen hatten.)

 

Uns parlamentarischen "Kräften" - ob SL, AKL oder FDS - sollte es doch um MEHR realdemokratisch außerparlamentarische Bewegung gehen. Denn ohne, da siechen wir hochdotiert hinter den verschlossenen Türen unserer Ausschüsse einfach nur dahin. Die Bezeichnungen „links“ und „rechts“ waren seit jeher Krücken, denn sie rühren aus einer uralten Sitzordnung im Abgeordnetenhaus. Zuerst geht es links gegen Faschismus und Krieg (jetzt gegen Syrien und Russland) und für Überwindung kapitalistischer Willkür. Dann kommen unsere ganzen Verhaltensmaßregelungen für einen Verständigungsprozess (andere nennen das Lernen) der stets mühsam, misstrauisch und von Rückschlägen begleitet erfolgt. Und wenn einer dabei nicht sofort kapiert, dass eine rumänische Immigrantin von Art 1 unseres Grundgesetzes genauso geschützt ist, wie die urdeutsche Trümmerfrau, muss ich es ihm ebenso beschwerlich erklären, wie dem Gewerkschaftsneumitglied, das vielleicht immer noch glaubt, in Regimes des monopolkapitalistischen Extraprofits könne es "gerechte" löhne geben. Aber jemanden gleich auszugrenzen, heißt den Gesprächsfaden einfach nur abzuschneiden. Ich werbe gegen diese Unbarmherzigkeit des aufgeklärten Menschen! Und zwar, weil Aufklärung und demokratische Reform und Revolution sich nicht vorm Spiegel (dem an der Wand!) rechtfertigt, wer „der beste linke im ganzen Land“ sei, sondern wer andere etwas linker macht.

 

DIE LINKE kommt oft nur als wandelndes Umerziehungslager rüber. Aber als Katholische Inquisition nur mit Exkommunikations-Bannflüchen und Verbotsforderungen durch die Geschichte zu laufen und sich dann zu wundern, dass die stehenden Ovationen ausbleiben, mag zwar Wohlgefühle und Selbstgefälligkeit nähren, ist aber nicht „dem Volke zugewandt“ (gramsi) und bewegungsfördernd. Durch überzogene political correctness haben wir uns nicht eben kraftvoller gemacht.

 

Sicher ist es schön, wenn das FDS nun erstmalig radikalere Kadergruppen wie SAV, Marx21 und Dittfurth gegen Gehrcke/Dehm/Hunko zitiert. Es wäre aber noch schöner, wenn sich die Strömungen bei dem widrigen und widersprüchlichen Weg, mehr außerparlamentarische Bewegung zu schaffen, gegenseitig mehr helfen würden. Es kann ja ruhig (FDS-gemäß) nur für kleine Reformschritte sein (denn ob wir Marxisten unsere geliebte Revolution je mehr als nur ahnen können, wissen auch wir nicht. Da geht es uns wie den Agnostikern).

 

Aber eines ist klar: hätte es seit zwei Monaten stärkere außerparlamentarische Aktivitäten der Linken in Sachen Ukraine gegeben, stünden wir heute in Umfragen (noch) besser da.

 

Und wenn wir dann irgendwann mal gemeinsam mehr mobilisieren, dann sollten dabei nicht moralische Hochnäsigkeit und intellektualisierte Verbotsforderungen gegen die sogenannten "normalen und kleinen" Leute (die in Wahrheit allesamt so unnormal und groß sind, wie wir) unser Außenbild zieren, sondern Entwürfe und Erleben von mehr Lebensglück. Das scheint uns in Wahrheit links!

 

Quellen: http://www.diether-dehm.de/index.php/positionen/102-aktions-unterstuetzung/893-reinlichkeitsreflexe

 

Mehr über die Hintergründe:
http://www.freitag.de/autoren/maennlicherlinker/friedensbewegung-wie-weiter

 

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Ein deutscher Frühling im Juli?

http://de.ria.ru/opinion/20140619/268795744.html

12:26 19/06/2014

Seit 12 Wochen finden in inzwischen mehr als 100 deutschen Städten Montagsdemos statt, wie der Internet-Journalist und aktive Redner auf solchen Demos Ken Jebsen äußerte. Inzwischen sollen die Montagsdemos auch die Schweiz und Österreich erreicht haben.

Seit 12 Wochen finden in inzwischen mehr als 100 deutschen Städten Montagsdemos statt, wie der Internet-Journalist  und aktive Redner auf solchen Demos Ken Jebsen äußerte. Inzwischen sollen die Montagsdemos auch die Schweiz und Österreich erreicht haben.

Diese Demos lassen glauben, dass die Wut gegen die Elite, gegen die Polizeinormen der Gesellschaft, gegen den Krieg in der Ukraine breit innerhalb der Gesellschaft angedockt hat. Man will glauben, dass die Bürger die Politik von Washington und von Brüssel durchschauen, die ihr Leben verwaltet.

Vor der WM haben die Bürger die Zustandsfelder der deutschen Innenpolitik, der Familienpolitik, der Arbeitspolitik und die Ereignisse rund um die Fußball-Weltmeisterschaft scharf kritisiert. Man glaubte, dass die Bürger reif genug zum Kämpfen geworden sind, um ihre Rechte zurückzubekommen. Die Elite, die diese Kriegszustände im Ausland und im Inland führt, sollte vertrieben werden. Gestatten sich die Bürger eine Pause in der Stufe der Wut, wenn sie auf die Fan-Meile gehen? Pause im Prozess eines Aufstandes?

Die Lügen der offiziellen Medien und der Politiker über den Krieg in der Ukraine waren der Katalysator, der die Wut der Bevölkerung nach oben getrieben hat. Die Wut? Wenn es Wut gibt, wieso sind so viele Menschen aus der Mitte auf der Fan-Meile? Am 19. Juli, nach der Fußball-Weltmeisterschaft sind die deutschen Bürger aufgerufen, durch Berlin zu marschieren. Wird der deutsche Traum wahr?

 

Krach im Bundestag und neue Ostpolitik

Im Bundestag steigt eine Form der Wut, wenn sie nicht gespielt ist. Politiker sind schlechte Schauspieler und zeigen es. Nach der Rede von Gregor Gysi im März 2014, wo er die politische Unterstützung von Bundeskanzlerin Angela Merkel für Washington und die Regierung in Kiew verurteilte, in der Mitglieder der Partei Svoboda sind, hat Sevin Dagdelen die Grünen-Fraktion am 4. Juni für ihre Unterstützung im Krieg der Nato in der Ukraine angegriffen.

"Faschismus ist in der Ukraine präsent und die Regierung ignoriert es. Die Grünen sind in der Opposition, aber sie unterstützen die Politik der Regierung", und zitiert einen Satz von Brecht: "Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist ein Dummkopf, aber wer die Wahrheit kennt und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher", worauf Katrin Göring-Eckhardt, Co-Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag empört antwortete, "für die SPD, für die Union, für unsere Fraktion und genauso für jedes Mitglied dieser Bundesregierung wird niemand Faschisten unterstützen".

Da hat Katrin Göring-Eckhardt gelogen, da die Großkoalition die Kriegspolitik von Pjotr Poroschenko unterstützt. Die Grünen, die für den Frieden sein sollten, treiben einen Kriegskurs. Gregor Gysi sagte in einem Interview mit Phoenix, dass Russland ein Teil Europas sei und wir eine neue Ostpolitik aufbauen sollen, die auf Vertrauen beruhe. Gregor Gysi fügte hinzu, dass Deutschland sich von Washington befreien soll, weil Deutschland ein besetztes Land sei. "Der Beratungsvertrag ist immer noch gültig. Wir sind nicht mehr im Jahre 1945. Es ist Zeit, diesen Zustand zu beenden", sagte Gregor Gysi bei Phoenix.

Der rhetorische Angriff von Sevin Dagdelen und die Bemerkungen von Gregor Gysi haben nichts geändert. Die Parteien spielen ihre Rolle, für die sie einen bezahlten Auftrag erhalten haben. Da stecken Veranstalter der Montagsdemos den Finger in die Wunde, wenn sie sagen, dass die Demonstranten sich nicht mehr nach der Orientierung einer Partei sammeln. Die Parteien mit ihren Politikern haben ausgedient. Die Bürger sollen ihre Zukunft in die Hände nehmen! 

Die Montagsdemos

Montagsdemos lassen Menschen aus dem Journalismus, wie Jürgen Elsässer und Ken Jebsen, aus der Politik wie Diether Dehm, die Linke, und Künstler wie Prinz Chaos II und Menschen aus der Bevölkerung reden. Die deutsche Politik, die Rolle der Banken, die Familienpolitik, die Lage in der Ukraine, die Fußball-Weltmeisterschaft sind Themen, die vor und inmitten des Publikums angesprochen werden.

Die Fußball-Weltmeisterschaft ist der neue Skandal, da die brasilianische Bevölkerung blutig unterdrückt wird. "Diese Weltmeisterschaft in Brasilien kostet das Leben von vielen Brasilianern. Wir müssen diese Korruption der FIFA stoppen. Wir müssen aufhören, immer mehr haben zu wollen und Wettbewerb zu haben", sagte Prinz Chaos vor der WM.

Diether Dehm, Mitglied der Linken, kommt mit Liedern auf die Montagsdemos. Diether Dehm denunziert die Rolle der Banken, die Kriege finanzieren und Deutschland, weil es der drittgrößte Waffenexporteur der Welt ist: "Es sind diese Banken, die die Nazis finanziert haben und die auch heute Kriege finanzieren. Die Deutsche Bank ist der größte Verbrecher." Die Montagsdemos sind ein Aufruf an die pazifistische Revolte, die ab Februar in Deutschland gestartet ist. Die Montagsdemos nehmen Formen an von Berliner Kabaretts und der Agora, als die Demokratie in Griechenland blühte.
Laut Jürgen Elsässer sollen die Montagsdemonstrationen von internen Spaltungen durchzogen werden, besonders in Berlin, wo sie mit abnehmenden Teilnehmerzahlen zu kämpfen haben. Am 11. Juni veröffentlicht Ken Jebsen auf seiner Facebook-Seite, dass alle Montagsdemo-Demonstranten am 19. Juli nach Berlin aufbrechen sollten. Werden wir einen deutschen Frühling erleben, weil die Fußball-Weltmeisterschaft die Wut der Bürger anzapft? Ist der deutsche Frühling von der WM abhängig?


Die Meinung des Autors stimmt nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

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