Zeit für Wende in Deutschland, eine reaktionär gelenkte Demokratie

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait, Juristin und Diplomatin a.D

 

Die reaktionären sogenannten christlich-demokratischen Parteien genehmigen sich einen weiteren politischen Skandal mit dem sogenannten Verfassungsschutz. Dabei klammern sie sich an die Macht, ohne von der christlichen Lehre etwas zu verstehen, geschweige denn von Demokratie. Nach der Nazi-Mord-Serie, die ihr Verfassungsschutz nicht verhindern konnte, verursacht die reaktionäre Elite, die hierzulande an der Macht ist, einen weiteren unsäglichen Skandal, indem sie Parlamentarier der Partei „Die Linke“, also andersdenkende fortschrittliche Politiker, überwachen lässt, gerade diejenigen die zusammen mit FDP und Grünen eine parlamentarische Untersuchungskommission im Bundestag verlangten, um solche Mordattentate zu klären. Nachdem sich im Bundestag (23.11.2011) die Fraktionen zuerst uneinig waren in Bezug auf die Art und Weise, wie die Aufklärung des Rechtsextremismus kontrolliert werden soll, hat sich endlich Geschlossenheit gezeigt, einen Untersuchungsausschuss und eine Expertenkommission zu berufen (26.1.). Linkspartei und Grüne hatten einen Untersuchungsausschuss des Bundestages gefordert, für den sich auch die FDP offen zeigte. Die SPD distanzierte sich am Anfang (23.11.2011) merkwürdigerweise. Die Union zeigte sich gespalten. Unerklärlich bleibt, wieso ein NPD-Verbot bisher nicht erfolgt ist, gerade in einem Land mit einer finsteren Nazi-Vergangenheit. Die Spaltung der Union zu diesem Thema ist jedenfalls zu begrüßen, denn endlich können sich alle christlich-fortschrittlichen Kräfte von den ewig gestrig Gesinnten distanzieren, die in ihren eigenen Reihen noch Gewicht haben.


Fundierte, kritisch, gerechte Positionen und humanistische Alternativen zum gegenwärtigen System, die sich an den rechtlich-menschlichen Rahmen halten, gehören in die Öffentlichkeit als Thema zur öffentlichen Debatte und Diskussion. Dagegen kriminalisieren Untaten wie Mordserien eine „Partei“, die in einer rechtsstaatlich-demokratischen Ordnung überhaupt nichts zu suchen hat und auszuschließen ist. Deshalb ist die NPD zu verbieten. Hingegen müssen Positionen der Partei „Die Linke“ genauso wie die aller anderen im Bundestag vertretenen Parteien bekanntgegeben werden. Für eine fortschrittliche humanistische Kultur ist dies eine Selbstverständlichkeit. Voraussetzung dafür ist sicherlich unbefangene Offenheit bei Journalisten und Medien, eine offene Gesellschaft.


Aber leider ist noch immer der Rechtsstaat „ein fremder Planet“ in Deutschland. Der Mangel an rechtsstaatlicher Bildung ist hierzulande überall auffällig, in der gesamten Gesellschaft, sogar an höchsten Stellen der Politik, in beiden Kirchen beim katholischen und evangelischen Klerus, in den Medien. Ja, dieses Defizit ist allgemein zu erkennen, bei Lehrern, Journalisten, Politikern und Theologen.


Erforderlich ist die Auseinandersetzung mit den zwei Diktaturen Deutschlands: Die erste faschistische und die zweite anti-faschistische als Reaktion auf die erste. Diese zusammenhängende Aufarbeitung schuldet die heutige Generation der Jugend ganz Deutschlands. Getrennt vom Faschismus ist keine Aufarbeitung der DDR möglich. Gerade diese von den herrschenden Eliten beförderte getrennte Sicht ärgert vor allem die ostdeutsche Bevölkerung, die sich dadurch zu recht nicht täuschen lassen will, und spaltet das Land weiter. Eine solche propagierte unilaterale Sicht schafft nur eine Vertrauenskrise, vor allem im Ostdeutschland, gegenüber den regierenden Eliten, die fast alle einen westdeutschen Hintergrund haben.


Um diesen Zustand, der die Entwicklung einer freiheitlichen zivilisierten Kultur hemmt, schnellstmöglich zu überwinden, müssen Die Linke, die Grünen, alle Dissidenten und Rebellen.... viel offensiver in die Öffentlichkeit gehen. Die korrupten Verhältnisse in den etablierten alten Parteien gehören an den Pranger. Dann wird sich auch eine gesunde Katharsis bewerkstelligen lassen. Die notwendigen Korrekturen in einem bislang de facto undemokratischen Deutschland werden erst dann und nur dann möglich.


Die SPD ist längst aufgerufen, sich endlich ehrlich ihrer Vergangenheit zu stellen, um ihre Schuld zu bekennen, dass sie die Einheit aller fortschrittlichen Kräfte Deutschlands sowohl damals in den 20iger Jahren wie auch heute verhindert, um den Rechtsextremismus und Militarismus die Stirn zu bieten und zu überwinden. Bis heute bleibt eine reaktionäre SPD untauglich, sich zu einem Schulterschluss mit allen humanistischen fortschrittlichen Kräften zu entscheiden, um institutionellen Widerstand gegen Krieg, Rechtsterrorismus und Militarismus zu leisten, denn Krieg ist die höchste Form von Terrorismus. Die SPD steht so dem demokratischen Sozialismus, der originalen Sozialdemokratie, dem Vermächtnis der Arbeiterbewegung und ihren Errungenschaften im Wege. Unberechenbarer kann eine Partei kaum werden, total unfähig, ja, untauglich, das Land zu regieren, weil seine kleinkarierte Spitze verlogen und verräterisch gegenüber den eigenen Prinzipien und gegenüber seiner Wählerschaft bleibt.


Die Gründung des ostdeutschen Staates und seine Geschichte ist die eine Antwort auf die dunkelste europäische Zeit des 20. Jahrhunderts: Nazi-Deutschland. Die Gründung der westdeutschen Bundesrepublik war die andere Antwort, beide beziehen sich auf dieselbe vorhergehende Epoche. Zu beurteilen, welche Antwort den Deutschen mehr Ehre und Humanismus erweist, darf kein Tabu-Thema sein. Der Journalist Kurt Kister verfällt in die Propagandamasche der reaktionären CDU/SPD, die die DDR als „Unrechtsstaat“ gebrandmarkt sehen wollen. Dadurch versuchen sie ungeschickt, das aktuelle Deutschland unter der Diktatur der Finanzmärkte mit allen seinen undemokratischen Merkmalen und Defizite schönzureden.


Fast niemand in der alten westdeutschen Bundesrepublik nahm groß Anstoß daran, wer an ehemaligen Nazi-Größen wieder an den Schalthebeln der Macht saß, und heute will hierzulande niemand eine Spur der gerade aufgedeckten Neonazi-Verbrechen gesehen haben. Das ist das beschämende an Institutionen und Behörden, die die rechtsextreme Gewalt hätten aufdecken müssen. Eine Institution, die sich mittels dubioser V-Leute auf Feindschaft gegen ausländische Mitbürger einlässt, handelt gegen die Verfassung, gegen die Demokratie hierzulande statt sie zu schützen. Mit einem Wort handelt sie gegen uns alle, wie der Bundestag einstimmig (23.11.2011) und humanistische demokratische Journalisten, wie Heribert Prantl erkennen.

 

Eine wachsame Zivilgesellschaft, die sich an die Verfassung hält und Achtung für jeden Mensch bezeugt, braucht keinen Verfassungsschutz. In keinem demokratischen Land, außer Deutschland (und Österreich), existiert eine derartige Institution. Man fragt sich, was den CSU-Bundesinnenminister davon abhält, einen solchen Verfassungsschutz, der niemanden schützt, aufzulösen.


Ist es nicht eher so, dass die CDU an diesem Verfassungsschutz hartnäckig festhält, um ihn als Instrument gegen die fortschrittlichen Kräfte, gegen die Linke, fortschrittliche Grüne, Sozialdemokraten und Kommunisten einzusetzen und sich damit ungestört Macht und Einfluss in Deutschland zu sichern? Es ist die Haltung einer Mafia-Vereinigung, die fast ein halbes Jahrhundert lang mit allen Mitteln die Macht hält. Durch Millionen Spenden von Lobbyisten macht sich die Politik käuflich und die Republik auch. Unsägliche unaufgeklärte kriminelle Affairen brandmarken mafiose Verhältnisse in der CDU: Die Geld-Affaire mit den schwarzen Koffern, Mord an Petra Kelly und Gerd Bastian ohne forensische Untersuchung der Leichen, ohne Einschaltung von Bundesstaatsanwaltschaft und Bundeskriminalamt überhaupt, Mord des Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, Uwe Barschel, Verschwinden von Akten und Dokumenten im Kanzleramt bei der Macht-Übergabe von CDU-Kanzler Helmut Kohl an Gerhard Schröder, Kundus-Massaker ohne staatsanwaltschaftliche Aufklärung, Love-Parade-Katastrophe Duisburg ohne strafrechtliche Folgen und weitere dunkle Untaten, die alle unaufgeklärt blieben, während die CDU das Land durch ihren sogenannten „Verfassungsschutz“ kontrolliert, als wäre es ihr Privatbesitz und ungestört weiter regiert. Gestalten diese Verhältnisse keinen Unrechtsstaat? Kurt Kister muss sich damit ernsthaft und unbefangen befassen. Nicht in der inexistenten DDR, sondern in der funktionierenden Bundesrepublik Deutschland sind unrechtsstaatliche undemokratische Merkmale sachlich erkennbar. Ja, „die Erkenntnisse der vergangenen Monate waren so überraschend wie schockierend. Das betrifft nicht nur den Beweis, dass es in der Bundesrepublik gewachsene professionelle rechtsextremistische Strukturen gibt. Dies ist nicht neu, es haben sich nur viele dieser Erkenntnis verschlossen, mal naiv, mal ignorant und mal bewusst.“ (Präsidentin der Israelischen Kultusgemeinde München und Vizepräsidentin des Jüdischen Weltkongresses, Charlotte Knobloch: „Was wir der Geschichte schulden“, SZ-Außenansicht, 27.1.12)


Ein Schutzschirm für Naziaktivisten und Kriegsverbrecher, für die Erhaltung antikommunistischer Ideologien und Positionen durch die Westmächte, besonders die USA, und durch die Bundesregierung und Justiz ist wahres Gift für das friedliche Zusammenleben in einem demokratisch pluralistisch humanistischen System. Er verhindert die gesellschaftliche Entwicklung einer Demokratie. Was da offenbar geworden ist, sprengt die Vorstellungskraft der Bürger und überschreitet die Grenzen dessen, was in diesem schönen Land erträglich ist. Das verschleppte NPD-Verbot gehört dringend verwirklicht, damit menschenverachtende Ideologien nicht weiter die Atmosphäre vergiften.


Die junge Generation ist einer allgemeinen Unaufgeklärtheit und Verwirrung in Angelegenheiten der jüngsten deutschen Geschichte ausgeliefert. Ohne Formation, ohne Bildung, ohne Wertevorstellung. Absolution beim Zentralrat der Juden oder in Israel zu suchen, ist ein sinnloser feiger Eskapismus. Eine Rheinische Post (RP) bietet sich immer wieder als Plattform für diese Art von Ausflucht an, um eine ehrliche Konfrontation mit dem Neofaschismus zu vermeiden (RP vom 26.11.11, Interview mit israelischem Ex-Premierminister Ehud Olmert).


Das konsequente Einsehen fehlt vollkommen bei einer demokratisch-rechtsstaatlich unterentwickelten CDU. Die CDU kann nicht dafür sorgen, weil sie sich selbst in Zerstrittenheit und Verwirrung befindet, genauso wie die SPD. Beide Gruppierungen sind überflüssig geworden. Sie tragen die Schuld an der Politikverdrossenheit der Bürger, für die es ein Rätsel bleibt, was Politiker im Parlament tun. Kein aktuelles Problem wird von solchen „Politikern“ angesprochen, diskutiert. Das Land ebnet den Weg zum Krieg und weiterer Destruktion und diese seltsamen Leute jener bestimmten Spezies sehen es gar nicht oder wollen es gar nicht sehen, als ob das alles völlig normal wäre. Und dann wundern sie sich über die Verdrossenheit der Bürger ihnen gegenüber!


Unrecht und Verbrechen müssen hier und überall als solche erkannt und eingesehen werden, ohne Makulatur, ohne Relativierung. Auch solche, was der angebliche Verbündete USA Deutschland als Bündnispflicht auferlegen will mitzutun (Angriffskriege gegen Irak, Serbien, Afghanistan, Libyen, und jetzt auch gegen Syrien und den Iran?). Gerade weil diese Erkenntnis allgemein in der Gesellschaft fehlt, müssen die Führungen der politischen Parteien hier besonders umsichtig sein und auf der Grundlage des Rechts argumentieren. Nur die Linke Partei manifestiert sich hier eindeutig und handelt verfassungsmäßig, gemäß dem Grundgesetz, wie die Öffentlichkeit und die ganze deutsche Bevölkerung erkennen kann. Gerade diese verfassungsmäßige Partei wird bespitzelt? Wo leben wir? Dreht sich die Zeit zurück?


Die Katharsis innerhalb der etablierten Parteien ist lebenswichtig notwendig: In der öffentlichen Debatte muss eine verschwiegene Postnazi-Vergangenheit endlich zur Sprache kommen. Es ist erwiesen, wie diese verheerende Vergangenheit die Elitebildung der alten Bundesrepublik prägte. Dieser Ungeist ist offensichtlich heute noch innerhalb der christlichen Parteien CDU und CSU aktiv.

Diese von ehemaligen Nazi-Führungskräften und ihren Zöglingen durchdrungene Elite der westdeutschen Bundesrepublik war im Ausland bekannt. Der Bonner Staat der Kriegsverbrecher wurde deshalb von einigen humanistischen Staaten, wie Chile unter dem Präsidenten Salvador Allende (1970-1973) ignoriert und übersprungen. Dem chilenischen Außenminister, Clodomiro Almeyda wurde in Baden-Württemberg Asyl verweigert, das er aber in der DDR fand zusammen mit vielen anderen hochrangigen politischen Persönlichkeiten Chiles, wie Michelle Bachelet (Präsidentin Chiles 2005-2009). Später, unter dem Christdemokratischen Präsident Patricio Aylwin, hat Chile dem kranken Staatschef Erich Honecker Asyl gewährt, wegen der unwürdigen Verfolgung, die die Bundesrepublik ihrem Land- und Staatsmann Erich Honecker aussetzte.


Gewiss würde es helfen, das in (West-) Deutschland verbreitete antisozialistische Tabu zu überwinden, wenn in jeder deutschen Stadt ein Denkmal für alle Widerstandskämpfer errichtet würde, anstatt überall immer noch Bismarck, Hindenburg und den Hohenzollern mit Denkmälern und Straßennamen zu gedenken, jene unehrenhaften Symbole kulturell-politischer Rückständigkeit. Jetzt sind die „preußischen Tugenden“ von Friedrich dem Großen en vogue, ohne jede Wertigkeit, ohne jeden Inhalt.

 

Verhält sich die Bundesrepublik als Rechtsstaat, verhält sie sich mit Respekt für geltende Gesetze, nationales und internationales Recht? Warum fehlt der Außenpolitik Deutschlands das staatsrechtliche Fundament? Die FDP trägt hier eine große Verantwortung, die kaum zu verneinen ist.

 

Die Aufklärung über die NS-Zeit ist Teil der geschichtlichen und staatsbürgerlichen Bildung. Sie trifft Deutschland ins Mark. Es führt am Kern der Sache vorbei, dieses abscheuliche Kapitel der Geschichte Deutschlands auf einzelne Personen zu reduzieren. Jene schlimme Zeit ist weder aus dem Nichts entstanden, noch ist sie irgendwelchen Dämonen zuzuschreiben: Sie steht am Ende einer Entwicklung, die durchaus hätte anders verlaufen können. Auch wenn sich wenige diese Frage stellen, ist es berechtigt, bereits in der Schule und dann in Fortbildungseinrichtungen zu untersuchen, was alles falsch gelaufen ist. In diesem Zusammenhang wäre es für Gymnasiasten sehr konstruktiv und bildend, den Film „Das Urteil von Nürnberg“ zu sehen mit anschließenden Orientierungskommentaren von Juristen, keinen Politologen, die ungenügende oder Null Rechtskenntnis haben.

Deutschland bleibt eine bevormundete Nation, bevormundet durch eine höchst reaktionäre machtvolle Clique in den Zentralen von CDU, SPD, Banken, Versicherungen und Industrie. Die Spitzen beider Parteien sind gleich rückständig und undemokratisch. Die zweite verlogener als die erste hinter der Fassade einer Sozialdemokratie, die es bei ihr gar nicht mehr gibt, weil sie sie längst aufgegeben hat. Beschämend, dass ausgerechnet aus der ältesten Partei Deutschlands, einstmals an der Spitze des sozialen Fortschritts, eine Bevormundung für die deutsche Bevölkerung wahrzunehmen ist, eine Bevormundung, die die demokratische Entwicklung behindert, denn sie verstößt gegen die freie Meinungsbildung einer freien pluralistischen Gesellschaft. Diese neue unverschämte flagrante Attentat gegen Wort und Geist der deutschen Verfassung ist ein Alarmsignal in ganz Deutschland, in ganz Europa.

 

Die Tarnung von Faschisten mit anderen Namen und Ausweispapieren gehörte von Anfang an zur Praxis des Verfassungsschutzes. Bezeichnend ist, dass seit der Gründung des Bundesverfassungsschutz 1950, also unmittelbar nach Gründung der westdeutschen Bundesrepublik, die Abteilung „Rechtsradikalismus“ die kleinste und unbedeutsamste Abteilung war und so geblieben ist. („Schande für Deutschland“ von Gotthold Schramm, Junge Welt vom 24.11.). Die Verharmlosung des Rechtsextremismus wurde also politisch gezielt gewollt.

Niemals hat eine ehrliche Debatte über die Nachkriegszeit stattgefunden, über die Post-Nazi-Ära der Bundesrepublik Deutschland. Die Katharsis innerhalb der etablierten Parteien ist lebenswichtig notwendig: In der öffentlichen Debatte muss eine verschwiegene Postnazi-Vergangenheit endlich zur Sprache kommen. Deshalb klingt die Erklärung der FDP-Justizministerin (25.1.) sehr schwach gegenüber der Abnormität, die sich heute aus Regierungskreisen im Bundestag gegenüber Andersdenkenden abspielt. Die Reaktion der Linken ist ebenso kraftlos.

Der Rechtsextremismus findet seinen Hort genau dort, in den zu lange regierenden konservativen Parteien an höchsten Stellen der Bundesrepublik Deutschlands. Ein kurzer Blick in die jüngste Vergangenheit genügt, um die tradierte konservative Schande zu entlarven. Haben sich einmal die CDU/CSU und FDP zu dieser Vergangenheit bekannt? Man sollte nur die Engländer fragen, wie sie - und nicht etwa die FDP-Führung oder irgendeine deutsche Stelle - als damalige Besatzungsmacht am Rhein einige Jahre nach 1945 mehrere FDP-Mitglieder als weiterhin aktive Nazis aus dem nordrhein-westfälischen Landtag entfernen mussten. Als wäre das keine Lektion, ist es weniger lange her, als sich ein CDU-Bundestagspräsident in einer öffentlichen Rede vor dem Establishment und vor dem Diplomatischen Korps in Bonn (1984) entlarvte. Das alles bildet gewiss keine „Gemeinschaft von Demokraten“ im Sinne der Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Politisch liberale Zeitungen, wie der Standard in Wien und die Stuttgarter Zeitung in Süddeutschland kritisieren konkret und zutreffend die undemokratische Ungeheuerlichkeit des regierenden deutschen Konservatismus. „Eigentlich könnte man über diese Groteske ja lachen, wenn sie nicht eine sehr ernste Kehrseite hätte:...“: Die wahre Gefahr, die rechtsextreme Szene, bleibt verschont, obwohl sie erwiesen ist.

Man fragt sich, was folgt als nächstes? Werden die Reaktionäre in CDU/CSU/SPD dann Bücher verbrennen, etwa von Karl Marx, Friedrich Engels, Heinrich Heine, Berthold Brecht, Rosa Luxenburg und viele anderen fortschrittlichen politischen europäischen Denkern? Die Szenerie der Barbarei und des Schreckens hat Geschichte hierzulande und in Europa.

Verblendeten Reaktionären an der Macht ist alles zuzutrauen. Sie lassen die deutsche Demokratie nur dann gelten, wenn sie von ihnen gelenkt wird, kontrolliert durch einen Verfassungsschutz, dessen Berechtigung schon längst verschwunden ist und der deshalb sofort abzuschaffen ist. Ein anständiger Innenminister darf sich dieser Verantwortung nicht weiter entziehen, wenn er seine Verpflichtung als Verfassungsschützer wahrnimmt, alle lebenden Menschen in Deutschland vor Rechtsextremisten zu schützen.

Die Stuttgarter Zeitung geht entschlossen und begründet mit der Absurdität und absoluten Dummheit der undemokratischen Reaktionären ins Gericht : „Seit der rechtsextremen Terrormorde in Deutschland kann eine solche Meldung (Beobachtung von Abgeordneten der Linke) nur Empörung auslösen. Was um Gottes willen soll bei einer Beobachtung linker Abgeordneter, die von morgens bis abends öffentlich agieren, herauskommen?... Derzeit kommt die Gefahr von rechts... Sie ist erwiesen. Höchste Zeit, dass auch der Verfassungsschutz sich darauf einrichtet. Sonst ist er wirklich überflüssig.“ (25.1.)

Trotz des Korsetts mit dem eine zu artige deutsche Bevölkerung seit langem unterdrückt worden ist, trotz der Zwangsjacke einer falschen CDU/CSU und trotz einer verlogenen SPD, die alle sozialdemokratischen Grundsätze skrupellos verraten hat und weiter verrät, hat sich diese brave Bevölkerung den Umständen entsprechend wie jede andere normale Gesellschaft weiter entwickelt. Sie hat ihre Ignoranz abgelegt und glaubt nicht mehr an die leeren Parolen der Herrschenden. Ein SPD-Vorsitzender sollte sich mit den Ursachen dieser Verdrossenheit beschäftigen, mit sich selbst und mit seiner alten reaktionären Clique, anstatt sich zynisch und schamlos an der Demontage des Bundespräsidentenamtes zu beteiligen und dafür mit obskuren Kräften zu kollaborieren. Der Bundespräsident Christian Wulff hat nicht das Vertrauen der Bürger verloren, weil er authentisch wirkt. Schwäche oder Fehlentscheidungen gehören nicht zu seinem Amt, sondern zu seiner Zeit davor. Man fragt sich, warum man solche Fehler jetzt als Waffe gegen ihn aufgreift und nicht damals, als Wulff für das Amt des Bundespräsidenten vorgeschlagen wurde? Die Montage einer Kulisse gegen den Bundespräsidenten dient hervorragend dazu, um dahinter die gravierenden Unrechtsdefizite dieser Republik und ernsthafte Probleme zu verstecken und vor der Öffentlichkeit zu verdrängen, wie Oskar Lafontaine sehr zutreffend bei Maybrit Illner (ZDF 26.1., 22.15h) begründet bloßstellte.

Selbstverständlich gilt für alle Demokraten, ein abstoßendes unrechtmäßiges undemokratisches System durch ein rechtmäßiges zu ersetzen, durch eine verfassungsmäßige Demokratie, die unvereinbar ist mit Krieg und Ausbeutung, unvereinbar mit politischer Verfolgung und politischer Diskriminierung. Warum schweigt darüber der SPD-Vorsitzende? Passen ihm diese unerwünschten Verhältnisse besser in seine Karriereplanung? Opportunisten versuchen immer ihr Vorteil aus miesen Umständen zu ziehen. Die deutsche Bevölkerung erkennt aber jetzt die Falschheit der herrschenden Politik, die Verlogenheit von Opportunisten und die Lügen der Medien. Daher die Furcht der Reaktionären, die zu Einschüchterung und Bevormundung greifen, weil sie die freie Entscheidung einer trotz allem fortschrittlich gewordenen Gesellschaft fürchten.

Solange es die Freiheit zu protestieren formell gibt, solange das Internet und Justiz-Institutionen zur Verfügung stehen, muss man sie benutzen und sich wehren, um eine existentielle humanistische Wende zu schaffen im Sinne einer wahren menschlichen Demokratie in Deutschland. Hoffentlich bleibt die Zeit, dass der Weg dahin nicht vorher versperrt wird. .....