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Berlin/Potsdam,
10.03.2011
Sehr geehrter Genosse Bisky !
Wie haben wir uns gefreut,
als Du über Face-book klar und deutlich zu verstehen gabst, dass sich die
Partei Die Linke kategorisch gegen einen Militärschlag gegen Libyen ausspricht.
Das war ganz im Sinne einer sozialistischen Partei !
Umso entsetzter waren wir,
als wir am gleichen Tage über die Zeitung jungeWelt erfahren mussten, dass Du
Dich am 10.03.2011 im Europaparlament den Forderungen der anderen Europaparlamentarier
angeschlossen hast, eine Flugverbotzone über Libyen gut zu heißen.
Dein Handeln steht im offenen Widerspruch zu den außen- und
friedenspolitischen Positionen der LINKEN, sowie der von Dir selbst herausgegebenen
Pressemitteilung vom 10.3.2011, in der militärische Interventionen in Libyen
abgelehnt werden.
An so einer exponierten
Stelle wie Du es bist, als Fraktionschef der Partei Die Linke im
Europaparlament, müsste man über Völkerrechtler, die Ihr ja sicher in Eueren
Reihen habt, darüber Bescheid wissen,
dass gemäß Artikel 2 Ziffer 4
der UNO-Charta sich alle Mitgliedstaaten der Organisation sich „ in ihren
internationalen Beziehungen der Gewaltandrohung oder Gewaltanwendung, die gegen
die territoriale Unverletzlichkeit oder politische Unabhängigkeit irgendeines
Staates gerichtet oder in irgendeiner anderen Weise mit den Zielen der
Vereinten Nationen unvereinbar ist“ enthalten und
dass auch eine Zustimmung
zu einer Flugverbotszone über einen souveränen Staat in den von der UNO
erlassenen Aggressionsdefinitionen verboten ist, also dem Völkerrecht
widerspricht.
Dir zur Kenntnisnahme, was
eine Aggression laut UNO-Resolution von 1974 und der in Kampala angenommenen
Aggressionsdefinition einer Aggression gleichkommt :
1.Die Resolution der
UNO-Vollversammlung 3314 vom 14.12. 1974 sagt dazu aus:
-
„eine
Invasion/Angriff der bewaffneten Macht eines Staates gegen Gebiete eines
anderen Staates,
-
Bombardements
u.a. gegenüber einem anderen Staatsgebiet,
-
Duldung des
Missbrauchs eines eigenen, aber fremder Verfügung überlassenen Gebietes als
Basis für eine Aggression gegen einen dritten Staat.“
2. Gemäß dem durch die Mitgliedsstaaten des Internationalen Strafgerichtshof im ugandischen
Kampala im Jahre 2010 angenommene
Definition des Straftatbestands der Aggression, ist das „eine geplante Vorbereitung,
Initiierung oder Ausführung durch eine Person, die effektiv in der Lage ist,
eine Kontrolle auszuüben , oder eine direkte politische oder militärische eines
Staates, der dann einen Akt der Aggression darstellt, wenn er seinem Charakter
nach, seiner Schwere und Umfang nach einen Verstoß gegen die Charta der
Vereinten Nationen darstellt.“
Ein militärisches Eingreifen
in Libyen, zu dem mittlerweile fast alle NATO-Staaten aufrufen, ist der
schwerste Verstoß gegen das Völkerrecht und das schwerste Verbrechen gegen die
Menschlichkeit !!
Mittlerweile kontrollieren
laut ntv vom 10.03.2011 NATO-AWACS Flugzeuge den libyschen Luftraum.
Übrigens sollte Dir, der Du
Dich eventuell aus „humanitären Erwägungen“
zu der Unterzeichnung der Forderungen der anderen Europaparlamentarier
nach einer Flugverbotzone über Libyen verleiten ließest,
zu denken geben, dass der internationale Nachrichtensender
„Russia Today“ (RT) die westlichen
Meldungen über angebliche Angriffe der libyschen Luftwaffe auf demonstrierende
Menschenmengen als eine „reine Lüge“ westlicher Medien entlarvt hat.
Belegt sind laut russischer Militäraufklärung über Satellit allerdings einige Luftangriffe
der Regierungstruppen auf von Rebellen eroberte Munitionslager, die die
westlichen Medien, einschließlich dem im Emirat Katar stationierten
Fernsehsender Al Dschasira, als einen Angriff auf „friedliche“ Demonstranten
umlogen.
Übrigens hat das der
unabhängige Kriegskorrespondent aus den USA, Keith Harmann, der sich vor Ort in
Libyen befindet, aber nicht für die großen Konzernmedien arbeitet, am 7.3.2011 in einem RT-Interview ebenso
berichtet.
Auch Janan Moussa, eine junge
Korrespondentin für die Nachrichtenagentur Al Aan Network aus den Vereinigten
Arabischen Emiraten, die in den letzten Tagen
Hunderte von Kilometern die Rebellen an die Front begleitet hatte und
dabei auch unter Beschuss gekommen war, verurteilte gegenüber RT die einseitige
westliche Berichterstattung.
Die RT-Korrespondentin in
Bengasi äußerte gar, dass die „westlichen Medien nicht daran interessiert“
wären, „wie man Blutvergießen und Gewalt verhindern könne, sondern sie
forderten geradezu mehr davon!“
Im Unterschied dazu werden
die Friedensvorschläge des venezelanischen Präsidenten Chavez verschwiegen, dem
zufolge eine Kommission von Staaten aus Lateinamerika, Europa und dem Mittleren
Osten gebildet werden soll, die den
Versuch unternehmen soll, eine
verbindliche Übereinkunft zwischen dem libyschen Führer Gaddafi und den
Rebellentruppen zu erzielen. Sowohl der libysche Führer Gaddafi, als auch der
Präsident der Arabischen Liga Moussa, haben diesem Friedensplan Al Jazeera
zufolge, bereits am 1.3.2011 zugestimmt !!
Solltest Du, Genosse Bisky,
davon nichts gewusst haben ?
Im Zeitalter der digitalen
Technik und eines Dir zur Verfügung stehenden Beraterstabes dürfte dies doch
keine Schwierigkeit sein !
Da diese, Deine Haltung, zu
Libyen und dem Völkerrecht keine Privatangelegenheit sind, geben wir Dir
hiermit zur Kenntnis, dass wir diesen Brief an Dich in linken Zeitungen
veröffentlichen werden.
Tief enttäuscht und entsetzt
.
Brigitte Queck,
Diplomstaatswissenschaftler Außenpolitik
i.A. „Mütter gegen den Krieg
Berlin-Brandenburg“
PS:
Wir stimmen mit der Linksjugend [´solid] Hamburg überein, die u.a.
schrieb:
„Die Einrichtung der Flugverbotszone dient weder den fortschrittlichen Kräften
in Libyen, die keineswegs mehrheitlich die Intervention in die inneren
Angelegenheiten Libyens befürworten, noch einer friedlichen Lösung des
innerlibyschen Konflikts. Sie ist der erste Schritt zur offenen militärischen
Einflussnahme der NATO-Mächte. Wie sehr sich die NATO um das Völkerrecht
schert, belegt die Einrichtung der Flugverbotszone am 10.3.2011, ohne dies vom
Sicherheitsrat der Vereinten Nationen überhaupt abstimmen zu lassen.“