Kapitalismus : Hat der Kapitalismus eine Zukunft ?

Der Saker interviewt Michael Hudson

13. Juni 2015     

Liebe Freunde,

ich empfinde es als Privileg und Ehre, euch mein Interview mit Michael Hudson zur Verfügung zu stellen, den ich für einen der besten Ökonomen im Westen halte.

Der Saker

Saker: Wir hören, die Ukraine wird den Bankrott erklären müssen, aber dass es vermutlich ein „technischer“ Bankrott wird, im Gegensatz zu einem offiziellen. Einige sagen, die Entscheidung der Rada, die Jazenjuk erlaubt, zu entscheiden, welcher Gläubiger bedient wird, sei bereits ein solcher „technischer“ Bankrott. Gibt es so etwas wie einen „technischen“ Bankrott, und, falls ja, was unterscheidet ihn von einem „regulären“ Bankrott, was die Konsequenzen für die Ukraine angeht?

Michael Hudson: Ein Bankrott ist ein Bankrott. Der versuchte Euphemismus eines „technischen“ Bankrotts tauchte auf den G8-Treffen 2012 in Bezug auf die griechischen Schulden auf. Geithner und Obama drängten den IWF und die EZB schamlos, Griechenland „freizukaufen“, schlicht, damit es die Gläubiger bezahlen konnte, weil die US-Banken Kreditausfallversicherungen (CDS) gegen die Griechischen Staatspapiere ausgegeben hatten und vor einem großen Verlust standen, wäre ein Bankrott eingetreten. Die EZB schlug vor, diese Pleite aus eine „freiwillige Neuverhandlung“ zu beschönigen und die Banken und andere Inhaber der Papiere zu bitten, einer Abschreibung der Schuld zuzustimmen.

Aber gemäss der Internationalen Organisation der Anleihebesitzer – der International Swaps and Derivatives Association (ISDA) – können Kreditausfälle ausgelöst werden, wenn zwischen „einer Regierungsbehörde und einer ausreichenden Zahl von Inhabern solcher Obligationen, dass alle Inhaber gebunden werden“, einer Restrukturierung der Schuld zugestimmt wird, die verpflichtend ist. Gemäss der Definition der ISDA: „Die aufgelisteten Ereignisse sind: eine Verringerung in der Zinsrate oder der Summe der Hauptschuld (was einen „Haircut“ mit einschliessen würde); eine Verzögerung in der Zahlung des Zinses oder der Tilgung (was eine Verlängerung der Laufzeit einer fälligen Schuld mit einschliessen würde); Nachrangigkeit der Obligation; und ein Wechsel der Währung, in der die Zahlung erfolgt, auf eine Währung, die kein legales Zahlungsmittel in einem der G7-Länder oder in einem mit AAA bewerteten OECD-Land ist.“(1)

Das klingt ziemlich klar. Wenn die ISDA den Anleihetausch als „Kreditereignis“ bewertet, ermöglicht das den Gläubigern, die Kreditausfallversicherung von ihren Vertragspartnern zu kassieren. Es gibt wenig solche Versicherungen hier, aber die Inhaber der Anleihen können dann Regierungsbesitz im Ausland beschlagnahmen. Das ist es, was der Geierfonds von Paul Singer mit Argentinien gemacht hat, wodurch neues internationales Recht geschrieben wurde, das auch für die Ukraine gültig ist.

Unter dem Londoner Schuldrecht (wo die Schulden der Ukraine bei Russland registriert sind) würde das Parlament die Ukraine zum hochverschuldeten armen Land (HIPC) erklären müssen (wie die afrikanischen Länder, hinter denen Singer her ist), um das Verhalten der Gläubiger zu blockieren. Ich kann nicht sehen, wie das Parlament das bezogen auf die Ukraine tut, da ihre Armut durch den Krieg selbst verschuldet ist.

Wenn der IWF behaupten würde, der russische Kredit von 3 Milliarden Dollar wäre nicht offiziell, würde das internationales Recht neu schreiben und bedeuten, dass Darlehen aus dem Staatsvermögensfond eines jeglichen Landes (OPEC, Norwegen, China etc.) keinen internationalen Schutz besitzen. Solch ein doppelter Standard würde den Weltmarkt der Schuldverschreibungen entlang der Linie des neuen Kalten Krieges zerbrechen – wobei der finanzielle Krieg dann an die Stelle des militärischen tritt. Ich glaube nicht, dass die Welt für diese „nukleare“ Finanzoption bereit ist.

Saker: Die Rada hat ebenfalls ein Gesetz verabschiedet, das es der Regierung erlaubt, russische Anlagegüter in der Ukraine zu beschlagnahmen. Ich bin mir nicht sicher, ob es dabei um Vermögen des russischen Staates oder das russischer Unternehmen oder Privatpersonen geht. Was wären die wirtschaftlichen und juristischen Konsequenzen einer solchen Beschlagnahme von Vermögen, wenn die Regierung diesen Plan weiter verfolgt? Könnte Russland entsprechende Gegenmaßnahmen gegen die Ukraine ergreifen oder sich an ein internationales Gericht wenden?

Michael Hudson: Dieser Schritt wäre so radikal, dass er die Grenzen des Zivilrechts überschreitet. Wenn die Ukraine das tut, während sie immer noch Geld vom IWF, aus den USA und Canada erhält, würden ihre Geldgeber verantwortlich sein. Moralisch auf jeden Fall. Die Frage ist, wie ist das vor Gericht? Es stimmt, dass Israel eine solche ethnische Ausnahme bei den Arabern macht – aber will die Ukraine das als juristische Rechtfertigung heranziehen?

Als Kuba oder andere lateinamerikanische Länder versuchten, US-Investitionen zu ihrem Buchwert freizukaufen, bestand das Ergebnis immer in einem versuchten Militärputsch. Das wäre ein kriegerischer Akt. Russland könnte natürlich Reparationen verlangen – aber von wem? Könnte es westliches Vermögen aus Ländern beschlagnahmen, die die Kiewer Junta stützen? Könnte es damit antworten, dass es deutschen und französischen Besitz verstaatlicht und amüsiert den darauf folgenden Aufschrei betrachtet?

Der Saker: Die ukrainische Regierung hat einige Verrenkungen gemacht, um so viele wirtschaftliche Verbindungen als möglich mit Russland zu durchtrennen. Der Donbass wurde bombardiert und völlig entfremdet, auch alle Rüstungsverträge mit Russland wurden aufgehoben, russische Unternehmen sind von Ausschreibungen in der Ukraine ausgeschlossen, Russland wurde zum „aggressiven Land“ erklärt usw. Das bedeutet, auf absehbare Zeit will die Ukraine 100% vom Westen abhängig sein. Glauben Sie, dass der Westen (USA+EU+IWF+WB etc.) den Willen und die Mittel hat, der Ukraine weiter Geld zu leihen oder das Regime, das jetzt an der Macht ist, zu unterstützen? Kann die US-Regierung einfach Dollars drucken und sie an Poroschenko schicken, oder gibt es materielle Grenzen dafür, wieviel der Westen zur Unterstützung des jetzigen Regimes tun kann? Was wird mit der Ukraine passieren, wenn der Westen sie nicht unterstützen kann, wie schlimm wird Ihrer Erwartung nach die wirtschaftliche Krise werden?

Michael Hudson: Der „Westen“ ist nicht im Wohltätigkeitsgeschäft. Seine Unternehmen wollen kein Geld verlieren, und die EU-Verfassung verbietet es der EZB und den europäischen Steuerzahlern, fremde Regierungen zu finanzieren. Sie kaufen Staatsanleihen nur von Banken – und wenige Banken halten ukrainische Anleihen!

Künftige ukrainische Regierungen könnten die wirtschaftlichen Transaktionen der Junta ebenso zurückweisenn, wie die Alliierten 1947/48 die internen Schulden in Deutschland in der Währungsreform für nichtig erklärt haben – mit der Rechtfertigung, die meisten Schulden bestünden ehemaligen Nazis gegenüber. Die heutige ukrainische Kleptokratie ist kein sehr sicherer Schirm, um Privatisierungsausverkäufe und andere wirtschaftliche Vorgänge mit dem Westen zu fördern, trotz der Hoffnungen des Herrn Soros, ihr Land und ihre Infrastruktur zu erwerben. Selbst die Schulden der Ukraine gegenüber dem IWF und anderen internationalen Institutionen könnten als „illegitime Schulden“ für nichtig erklärt werden, weil sie einen Krieg der Regierung gegen die eigene Bevölkerung finanzierten.

Saker: Es wird allgemein akzeptiert, dass die Rezession in der russischen Wirtschaft wenig mit den Sanktionen zu tun hat, die ihm gegenüber verhängt wurden, und überwiegend die Folge des sinkenden Ölpreises sind. Glauben Sie, es war ein Zufall, oder haben sich die USA und die Saudis miteinander verschworen, um den Ölpreis zum Fallen zu bringen, wie das Ende der 1980er geschah, um die Sowjetunion zu zerschlagen? Wohin, glauben Sie, wird sich der Ölpreis in näherer bis mittlerer Zukunft entwickeln, und glauben Sie, dass der Rubel wieder steigen wird?

Michael Hudson: Ich glaube nicht, dass der Fall des Ölpreises eine Verschwörung war, um der Sowjetunion zu schaden. Viele Modelle haben die Rolle finanzieller Spekulation beim Anstieg der Ölpreise gezeigt (und des Preises anderer Mineralien, da sich die Spekulanten den Rohstoffen zuwandten, um mit ihnen das zu tun, was sie jahrelang mit Aktien und Anleihen getan hatten). Die Saudis haben ihre eigenen Ziele, versuchen, ausländische Konkurrenz zu vernichten, einschliesslich des Schieferöls.

Ich sehe nicht, dass der Ölpreis bedeutend steigt, denn die europäische Wirtschaft wird in eine Todeszone verwandelt, und die Schulddeflation lässt die US-Wirtschaft ebenfalls schrumpfen.

Damit der Rubel wieder steigt, müsste sich Russland re-industrialisieren. Die neoliberale Revolution nach 1991 hatte tatsächlich das Ziel, die post-sowjetische Industrie zu zerschlagen, ihre Wurzeln auszureissen. Funktionäre von US-AID und des Harvard Institute for International Development haben russische Unternehmen aufgekauft, die eine mögliche militärische Schlüsselrolle spielten, und sie zerlegt.

Um wieder zu industrialisieren, muss Russland seine Lebenshaltungskosten senken, allen voran die Wohnkosten. Es muss das tun, was die Vereinigten Staaten tatsächlich taten, um ihre Industrie und ihre Landwirtschaft zu stützen: massive öffentliche Förderung durch die Übernahme „externer“ Kosten, den Ausbau der Landwirtschaft und der Forschungseinrichtungen gewährleisten, Preise stützen etc.

Vielleicht kann Putin die führenden Oligarchen überzeugen, die „Leiter hochzuziehen“. Sie können ihren Reichtum behalten, aber werden einer wirtschaftlichen Ertragssteuer zustimmen, um kostenlose Geschenke und unverdientes Einkommen daran zu hindern, die russische Wirtschaft zu belasten. Das wird den Unternehmen, die von ausländischen Investoren gekauft wurden, schwer fallen, weil der Abfluss der Dividenden beendet wird.

Saker: Die schmerzhafteste Sanktion gegen Russland war die Verweigerung von Krediten für russische Unternehmen. Könnten die Russen schlicht anfangen, Geld von, sagen wir, chinesischen Banken zu leihen, oder gibt es objektive Gründe, die Russland davon abhalten? Ist Russland von westlichen Banken abhängig, und falls ja, wie lange? Könnte Russland sich aus den westlichen Märkten zurückziehen und entscheiden, sich stattdessen Asien, Lateinamerika und Afrika zuzuwenden?

Michael Hudson: Russland muss sich offensichtlich selbst völlig von westlichen Banken befreien. Wichtiger noch, es braucht ihren Kredit nicht. (Man sehe, wie China seine Wirtschaft ohne ausländischen Kredit aufgebaut hat!) Russland braucht eine wirkliche Zentralbank, um die Regierungsdefizite zu finanzieren, und eine öffentliche Bank, um Kredite zu günstigen Bedingungen auszureichen. Die Regierung kann auf ihren Tastaturen genauso gut Kredit erzeugen wie das die kommerziellen Banken tun. So hat die Sowjetunion schließlich viele Jahrzehnte lang funktioniert.

Es gibt keinerlei Notwendigkeit, dass eine westliche oder russische Banken die Defizite des öffentlichen Budgets finanzieren. Es gibt eine Menge moderner monetaristischer Theoretiker, die erklären können, wie Russland das machen könnte. Das ist der einzige Weg, die Kosten dafür, Geschäfte zu betreiben, zu minimieren.

Wenn finanzielle Ansprüche aus dem privatwirtschaftlichen Bereich (westlich, BRICS oder selbst russisch) in die Lebenshaltungskosten und die Kosten für Geschäfte einfliessen, wird es für Russland schwierig, wettbewerbsfähig zu sein. Es muss das tun, was die USA, Deutschland und China getan haben. Geschichtlich war jede erfolgreiche Volkswirtschaft eine gemischte. Stattdessen ist Russland vom einen Extrem ins andere geschwungen – von einer staatszentrierten Wirtschaft zu einer extremen Ayn Rand/Hayek/ Chicagoer Schule-Wirtschaft 1991, mit katastrophalen Konsequenzen – als gäbe es keine Kenntnis der westlichen Finanzgeschichte, oder, was das betrifft, den dritten Band des Kapitals und die Mehrwerttheorie. Die wirkungsvollste Antwort wäre eine proaktive Schaffung von Kredit um die Reindustrialisierung und die Modernisierung der Landwirtschaft zu fördern.

Saker: Wie bewerten Sie die Leistung der russischen Zentralbank bezogen auf die Kombination aus fallendem Ölpreis und US-/EU-Sanktionen. Viele, ich selbst eingeschlossen, waren sehr kritisch, was die ergriffenen Maßnahmen anging, aber Russland ist es wesentlich besser ergangen als erwartet, und einige sagen sogar eine Rückkehr des Wachstums am Jahresende voraus. Haben Elvira Nabiullina und ihre Kollegen die richtige Entscheidung getroffen, als sie den Rubel frei schwanken liessen?

Michael Hudson: Russland liess den Rubel schwanken, weil die Alternative darin bestanden hätten, dass sich ausländische Spekulanten im Stil von Soros verbünden und die Reserven der russischen Zentralbank in einem finanziellen Pokerspiel plündern. Ausländische Banken hätten genug Kredit geschaffen, um in ungedeckten Leerverkäufen einzusteigen, um die Märkte zu manipulieren und zu einem tödlichen Schlag zu kommen. Russland ist in diesem Spiel nicht erfahren, teilweise, weil Russlands Bankfunktionäre der Gehirnwäsche des Neoliberalismus unterliegen, ohne zu begreifen, dass er antisozialistisch, gegen die Arbeitenden, für die Banken und für die Rentiers arbeitet.

Saker: unter den unterschiedlichen Vorschlägen, die in Russland zirkulierten, wurden zwei besonders stark unterstützt: die Verstaatlichung der „unabhängigen“ Zentralbank und ihre Unterordnung unter die russische Regierung, und die Schaffung eines vollkovertiblen Rubel, der durch russisches Gold gedeckt wird (einige schlagen eine Deckung des Rubels durch „Energie“, also Öl und Gas, vor). Was halten Sie von diesen Vorschlägen?

Michael Hudson: Eine „unabhängige“ Zentralbank (so wie die Europäische Zentralbank) ist eine, die von Geschäftsbankern kontrolliert wird, die Regierungen davon abhält, ihre eigenen Ausgaben zu finanzieren und sie – und die gesamte Wirtschaft – verpflichtet, sich auf den Kredit privater, Zins fordernder, kommerzieller Banken zu verlassen.

Russland braucht eine Zentralbank, die den Zielen der Regierung dient – die Wirtschaft zu reindustrialisieren, und sie ohne den schweren finanziellen Overhead wieder aufzubauen, der die Wohnkosten, Infrastrukturkosten, Ausbildungskosten und die Lebenshaltungskosten im Westen aufgebläht hat.

Gold kann tatsächlich ein Teil dieses Systems sein – um internationale Zahlungsungleichgewichte beizulegen, nicht, um eine heimische Währung zu decken. In den 1960ern wurde klar, dass kein Land an einem Goldstandard festhalten kann und Krieg führen. Der Abfluss von Gold war es, der zwang, den US-Dollar 1971 vom Gold zu lösen – als direkte Folge der US Militärausgaben, die für das gesamte US-Zahlungsbilanzdefizit verantwortlich waren.

Ohne Gold bewegten sich die Zentralbanken der Welt hin zu US Staatsanleihen – von der Regierung ausgegebene Schuldscheine, um das Budgetdefizit zu decken, das vor allem militärischen Ursprungs war. Das hiess, dass die globalen Währungsreserven die Militärausgaben der USA monetarisierten, um diese Länder einzukreisen und zu destabilisieren, wenn sie versuchten, sich aus dem System zurückzuziehen (Darum geht es in meinem Buch Super Imperialismus).

Der einfachste Weg, das militärische Abenteurertum der USA zu stoppen, besteht darin, Gold wieder einzusetzen und die Welt davon zu befreien, eine militarisierte US-Staatsanleihe als ihre monetäre Basis zu nutzen.

Saker: Wenn Sie die ungeteilte Aufmerksamkeit und Unterstützung von Wladimir Putin, Dmitri Medwedew, Anton Siluanow und Elvira Nabiullina hätten – welchen Rat würden Sie ihnen geben?

Michael Hudson: Sie müssen sehen, wie der neoliberale Rat, den HIID und Weltbank nach 1991 gegeben haben, die Weltbewerbsfähigkeit ihrer Wirtschaft verkrüppelt haben. Privatisierungen erhöhen die Lebenshaltungskosten wie die Kosten für Unternehmen. Die USA, Deutschland und andere erfolgreich industrialisierte Wirtschaften stiegen zur Weltmacht empor, indem massive öffentliche Infrastrukturinvestitionen die Preise der Grundbedürfnisse senkten: Gesundheitsversorgung, Ausbildung, Renten, Transport, Kommunikation, Wasser, Energie und so weiter.

Ihre Ökonomen erklärten während des 19. und 20. Jahrhunderts, wie Steuern, die auf wirtschaftliche Renten erhoben werden – Grundrente, Rohstoffrente und Monopolrente (einschliesslich der Finanzierungskosten der Banken) – die Preise nicht erhöhen, sondern aus der wirtschaftlichen Rente entrichtet werden. Im Gegensatz dazu erhöhen Steuern auf Arbeit und sogar auf nicht-monopolistische Profite die Lebenshaltungs – und Geschäftsführungskosten. Russland wurde überredet, seine Rohstoffrenten und Monopolrenten von Steuern zu befreien, um mehr für die Bankster übrigzulassen, und, im Verlauf der Zeit, für den Erwerb durch US-amerikanische und europäische Investoren – auf Kosten der russischen Steuereinnehmer.

Wenn die russischen Staatsführer 1990 die Bände II und III des Kapitals von Marx gelesen hätten, und seine Überarbeitung der Mehrwerttheorie, dann hätten sie gesehen, wieviel von dem, was die Kritiker des industriellen Kapitalismus loswerden wollten, Überreste des Feudalismus waren.

Der fehlende Punkt in heutigen wirtschaftlichen Reformen ist der, auf den sich die klassische Wirtschaftstheorie konzentrierte, von den französischen Physiokraten über Adam Smith, John Stuart Mill bis Marx und seinen Zeitgenossen: die industrielle Wirtschaft von den Rentenüberresten des europäischen Feudalismus zu befreien. Der Schwerpunkt der klassischen Theorie von Wert und Preis war es, die Ökonomie von der wirtschaftlichen Rente zu befreien, die als unverdientes Einkommen definiert wurde, das schlicht dem Privileg entspringt: die Grundrente nicht auf dem Besitz lebender Eigentümer, Rente aus Rohstoffen und Mineralien, Monopolrenten und Zins. Das Ziel sollte sein, Renten-erzielende Aktivitäten zu verhindern – die als rein räuberische Transferzahlungen definiert wurden, eine wirtschaftlich unproduktive Nullsummen-Aktivität.

Die klassische Arbeitstheorie des Werts zielte darauf, solche Formen des Einkommens zu isolieren (Grundrente, Monopolrente und Zins) die sozial unnötig waren und schlicht Erbstücke vergangener Privilegien. Die Alternative auf halber Strecke bestand darin, Grundrente und Monopolrente zu besteuern (Henry George u.a.). Die sozialistische Alternative war, naturgegeben renten-erzeugende Sektoren in öffentliches Eigentum zu überführen.

Europa tat das mit den wichtigeren Teilen der öffentlichen Versorgung – Transport, Kommunikation, Post, aber auch Ausbildung, öffentliche Gesundheit und Altersrenten. Die Vereinigten Staaten privatisierten diese Sektoren, aber sie schufen Kommissionen zur Regulierung, um die Preise an den Kosten zu orientieren. (Um sicher zu sein, die regulatorische Ermittlung war immer ein Problem, besonders im Fall der Eisenbahnkosten).

Saker: Russland und China haben einen Weg beschritten, der meiner Meinung nach etwas in der Geschichte einmaliges ist: zwei ehemalige Reiche, die die politische Entscheidung getroffen haben, wechselseitig voneinander abhängig zu werden, tatsächlich eine symbiotische Beziehung zu schaffen. China beispielsweise hat im Grunde beschlossen, bei Energie und militärischer Ausrüstung völlig abhängig von Russland zu werden. Russland wiederum hofft, dass die chinesische Wirtschaft es Russland erlauben wird, zu diversifizieren und zu wachsen. Ich würde argumentieren, dass sie einander auf viele Arten perfekt ergänzen. Stimmen Sie dieser Einschätzung zu, und wie würden Sie das Potential dieser wirtschaftlich/finanziellen Zusammenarbeit zweier Supermächte beurteilen? Könnten Russland und China zusammen, gemeinsam mit BRICS und SCO, eine neue, dollarfreie und unabhängige Wirtschaft und Markt schaffen?

Michael Hudson: Zwei Hauptdynamiken sind hervorstechend. Zuerst, beim Abschluss von Handels-, Investitions- und Finanzierungsabkommen, ist es wichtig, sicherzustellen, dass sie langfristig sind. Amerika hat Russland und China diese langfristige Sicherheit gegeben, indem es klar machte, dass es der aufsteigenden Macht Russlands und Chinas entgegensteht (wie auch des Iran als eines weiteren möglichen Spielers).

Das ist die zweite Dynamik: die „Teile und Herrsche“-Strategie Amerikas versucht, einen möglichen Rivalen nach dem anderen herauszupicken. Indem sie ihre Kräfte vereinen – und indem sie die Shangaier Organisation zur Zusammenarbeit um Iran und weitere Länder erweitern – zwingen sie die USA, sollte sie einen Zug gegen Russland oder gegen China machen, zumindest auf zwei Fronten Krieg zu führen. Ihre langfristige Beziehung ist also eine gegenseitige Sicherung gegen den einzigen wahrscheinlichen Aggressor.

Das Kapital, das in Pipelines investiert wird, braucht eine lange Periode, um abgezahlt zu werden, daher darf es nicht zum Gegenstand ausländischer diplomatischer Einmischung werden, wie das bei den russischen Gasverkäufen nach Europa droht. Europa scheint ziemlich willig zu sein, in der Kälte zu bleiben, indem es Politiker wählt, die schlicht von US-Geld gekauft sind.

Das ist der unausgesprochene Schlüssel zur US-Diplomatie: Politiker, Journalisten, Herausgeber und andere schlicht bestechen. Solange das US-Schatzamt unbegrenzt Geld drucken kann, solange die Zentralbanken der Welt bereit sind, diese dollarisierten Schuldscheine zu absorbieren, indem sie US-Staatsanleihen kaufen, um die amerikanischen Militärausgaben zu ihrer Einkreisung zu finanzieren, ist Amerika frei von den Beschränkungen, die die Zahlungsbilanz und die Auslandsschulden den Militärausgaben anderer Länder auferlegen.

Um dies zu kontern, sollten Russland, China und andere Länder ein zum Dollar alternatives Finanz- und Zahlungssystem entwickeln, ein Finanzsystem, um die US-Banken zu ersetzen, und letztlich ihre eigene Bankverkehrsabwicklung durch eine Alternative zu SWIFT.

Wenn ihnen das gelingt, haben die US-Neokonservativen ihr Blatt überreizt – und werden ironischerweise zu einer Kraft des Weltfriedens, indem sie den Rest der Weltwirtschaft, den Handel, das Finanz- und sogar das Verteidigungsystem vereinigen, um sich vor der US-Bedrohung zu schützen. Wenn es ihnen gelingt, wird diese Bedrohung weichen – aber der Rückzug der USA wird vermutlich kein schöner Anblick, noch wird es der Zusammenbruch ihres Finanzsystems. Der Rest der Welt wird sich von den Nachwirkungen schützen müssen und Fremde beschuldigen.

Saker: Trotz aller düsteren Vorhersagen zur Zukunft des Dollar schaffen die USA weiter Dollars aus Luft, weltweit nutzen Länder den Dollar im Handel, die Schulden der USA steigen noch immer, die Armen werden ärmer, die Reichen reicher und nichts scheint sich zu ändern, obwohl die USA in ihrer Außenpolitik von einem Fehlschlag zum nächsten eilen. Wie lang kann das weitergehen? Gibt es eine objektive Grenze, über die hinaus dieses System nicht mehr weitergehen kann? Können Sie irgendein Ereignis vorhersehen, dass die USA zwingen wird, aufzugeben, ein Reich zu sein, und ein „normales“ Land zu werden, wie so viele andere Ex-Reiche in der Vergangenheit?

Michael Hudson: Es gibt keine objektive Grenze, wie lang die Abhängigkeit vom Dollar, die Deflation der Schulden und die Schuldleibeigenschaft weitergehen, sofern die Opfer sich nicht erfolgreich wehren. Die Gläubigeroligarchie Roms ging in fast ein Jahrtausend Dunkles Zeitalter über.

Die Dollarhegemonie wird auslaufen, wenn ein alternatives Vehikel entwickelt wird, um internationale Reserven zu halten. Das ist das Ziel der BRICS-Bank und des Zahlungsklärungssystems- Was jetzt gebraucht wird, ist ein ergänzendes Steuersystem und eine Strategie der öffentlichen Investitionen und Zuschüsse.

Es wird weniger ein „Ereignis“ dazu führen, dass die US-Neocons die Waffen strecken, eher spiegelt der Prozess den langsamen Crash der westlichen Ökonomien wieder.

Saker: China und die USA befinden sichklar auf einem politischen, wenn nicht militärischen Kollisionskurs. Dennoch sagen viele, China und die USA seien viel zu tief voneinander abhängig, um je einen wirklichen Konflikt zu haben. Sind die USA und China wirklich in einer symbiotischen Beziehung, oder kann China sich irgendwie von den US-Märkten abwenden, ohne einen Zusammenbruch der chinesischen Wirtschaft auszulösen?

Michael Hudson: Es gibt keine wirkliche Abhängigkeit, weil sowohl China als auch die Vereinigten Staaten darauf abzielen, wirtschaftlich und militärisch unabhängig zu bleiben, um nicht in Dienstbarkeit zu geraten. Das Ziel der USA ist es, natürlich, andere Länder finanziell von sich abhängig zumachen, und ebenso militärisch. Darum müssen sie Kriege entzünden – als eine Art Schutzgeldsystem, um finanziellen, Handels- und Investitionstribut und die tiefere Abhängigkeit ihrer Handels“partner“ zu erzwingen.

China und Amerika haben eine wechselseitige Handels- und Investitionsbeziehung. Aber sie ist nicht „symbiotisch“, weil sie jederzeit beendet werden kann, ohne die Zahlungsfähigkeit und das Überleben einer Partei zu beeinträchtigen.

China lenkt bereits seine Produktion um von den Exportmärkten auf den heimischen Markt. Und in Begriffen der Finanzpolitik, fördert es wirtschaftliche Komplimentarität mit den anderen BRICS-Mitgliedern, mit Iran, Südamerika und afrikanischen Ländern.

Saker: Wenn Sei sagen „China und Amerika haben eine wechselseitige Beziehung in Handel und Investitionen. Aber sie ist nicht „symbiotisch“, weil sie jederzeit beendet werden kann, ohne die Zahlungsfähigkeit und das Überleben einer Partei zu beeinträchtigen“, könnten Sie bitte erklären, warum sie nicht denken, dass, wenn die USA und China ihre wirtschaftlichen Verbindungen trennen müssten (Walmart & Co.), das nicht beide Wirtschaften ernsthaft verletzen würde? Ist Walmart nicht wichtig für den Niedriglohnsektor der US-Wirtschaft und um die Inflation niedrig zu halten, und ist das Einkommen, das durch diese „Walmart-Verbindungen“ generiert wird, nicht wichtig für China?

Michael Hudson: Was China an Walmart liefert, kann jetzt auf seinem blühenden Binnenmarkt verkauft werden. China braucht nicht mehr Dollars. Tatsächlich ist das Einzige, was es tun kann, wenn es mehr Dollar erhält, sie an das US-Schatzamt auszuleihen, und damit, die „asiatische Achse“ des Militärs zu finanzieren, die China einkreist. (Das ist, wie der Standard der US-Staatsanleihe den Goldstandard ersetzt hat).

Walmart andererseits bleibt abhängig von seinen chinesischen Lieferanten. Seine Einkaufsvertreter lassen den Chinesen weit weniger Profit, als sie auf ihrem eigenen Markt oder auf anderen asiatischen Märkten erzielen können.

Saker: Das westliche kapitalistische Modell und seine Formel der Globalisierung geraten nicht nur aus Russland und China unter Kritik, sondern aus vielen anderen Ländern der Welt. Einige sagen, dass China ein alternatives Modell des Staatskapitalismus entwickelt hat. In Lateinamerika ist der „bolivarische Sozialismus“ im Aufstieg begriffen, und im Nahen Osten bietet die islamische Republik Iran ebenfalls ein anderes sozioökonomisches Modell. Wie sehen Sie die Zukunft des kapitalistischen Systems, mit seiner Globalisierung, seinem Banken- und Finanzmodell etc. Sehen Sie eine gangbare Alternative sich entwickeln oder ist der „Washington Consensus“ immer noch der einzige Spieler in der Stadt?

Michael Hudson: Die klassische Wirtschaftstheorie war eine Doktrin, wie man industrialisiert und wettbewerbsfähiger wird – und gleichzeitig fairer – indem man die Preise an die tatsächlichen, sozial notwendigen Kosten der Produktion angleicht. Die daraus entstandene Doktrin (mit Marx und Thorstein Veblen als letzten großen klassischen Ökonomen) war weitgehend eine Anleitung, was zu vermeiden ist: besondere Privilegien, unverdiente Einkommen, unproduktive Gemeinkosten.

Das Ziel war, ein Kreislaufmodell des Nationaleinkommens zu schaffen, das wirklichen Wohlstand von schlichten Gemeinkosten unterscheidet. Die Idee bestand darin, das abzustreifen, was unnötig war – was Marx die „Ausstülpungen“ der post-feudalen Gesellschaft nannte, die in die industriellen Wirtschaften seiner Zeit eingebettet blieben. Als die großen klassischen Ökonomen von einem „freien Markt“ sprachen, meinten sie einen Markt, der frei war von Klassen von Rentiers, frei von Monopolen und über allem frei von räuberischem Bankkredit.

Natürlich wissen wir, dass Marx zu optimistisch war. Er beschrieb es als das Schicksal des industriellen Kapitalismus, die Ökonomien von den Rentiers zu befreien. Aber der erste Weltkrieg änderte die Bewegungsrichtung der westlichen Zivilisation. Die Rentiers schlugen zurück – die österreichische Schule, von Mises und Hayek, Faschismus und die Ideologen der Universität von Chicago definierten den „freien Markt“ um, so dass er Märkte bedeutete, die für die Rentiers frei waren, frei von Regierungssteuern auf Land und natürliche Ressourcen, frei von öffentlicher Preisregulierung und Aufsicht. Die Zeit der Reformen wurde der „Pfad in die Knechtschaft“ genannt – und an seiner Stelle bewarben die postklassischen Neoliberalen den heutigen Pfad in die Schuldleibeigenschaft.

Der heutige Kalte Krieg kann, was seinen intellektuellen Aspekt angeht, als Versuch gesehen werden, die Länder ausserhalb der Vereinigten Staaten daran zu hindern, zu begreifen (gegen Thatcher), dass es eine Alternative gibt, und danach zu handeln. Der Kampf geht um das Gehirn der Wirtschaft und um das Verstehen auf Seiten der Regierungen. Nur eine starke Regierung hat die Macht, die Reformen zu erreichen, an denen die Reformer des 19. Jahrhunderts scheiterten.

Die Alternative ist, was mit Rom geschah, als es in Leibeigenschaft und Feudalismus zusammenbrach.

Saker: was sind, Ihrer Meinung nach, die Hauptkonsequenzen der zahlreichen Fehlschläge der US-Außenpolitik für die US-Wirtschaft?

Michael Hudson: Die US-Strategen vergleichen ihre geopolitische Diplomatie mit einem Schachbrett. Das mag geografisch einer Wahrnehmung des Raums entsprechen – wo ist das Öl, wo sind die anderen Mineralien, welche Länder werden stark genug, um unabhängig zu sein – aber die resultierende Diplomatie hat nichts von einem Schachspiel an sich. Zumindest nicht so, wie die Vereingten Staaten dieses Spiel spielen.

Aber im Schach bewegen sich beide Seiten. Die Idee ist, voraus zu denken und die Strategie des Gegners vorwegzunehmen. Die meisten Großmeister studieren die Spiele ihrer Gegner und sind vertraut mit ihrer Taktik und ihren Zielen, wenn sie sich hinsetzen, um zu spielen.

Die US-Politik kennt keine solche Wechselseitigkeit. Schon in den 1940ern und 50ern, wurde das State Department durch den Senator Joe McCarthy von China-Experten bereinigt. Diese Säuberung wurde nach dem Prinzip vollzogen, dass die meisten Leute, die viel über China wussten, dies taten, weil sie ihm gegenüber Sympathien hegten, und vermutlich auch dem Kommunismus gegenüber.

Der innere Widerspruch hier war, dass die US-Diplomaten, ohne die politischen Ziele Chinas zu verstehen, und wie es sie zu erreichen beabsichtigte, im Dunkeln handeln mussten. Natürlich ging das schief.

Schnellvorlauf ins Heute. Wie der Neocon Douglas Feith aus dem State Department anmerkte, wird jeder, der mit arabischer Geschichte vertraut ist, als verdächtig betrachtet, auf der Grundlage, dass er Sympathien haben müsse. Also geht die US-Unterstützung für die arabischen Öl-Oligarschen Saudi-Arabiens Hand in Hand mit zionistischem Anti-Arabismus. Als Feith einen erfahrenen Arabisten des Pentagon, Patrick Lang, nach der Invasion für einen Job im Irak interviewte, fragte Feith: „Ist es wirklich wahr, dass Sie die Araber so gut kennen, und dass Sie so gut Arabisch sprechen? Ist das wirklich wahr?“ Lang sagte, ja, das sei es. „Das ist zu schade,“ sagte Feith.(2) Es gab keinen Platz für jemanden mit einer Unze Sympathie für „diese Leute“. Lang bekam den Job nicht.

Es ist also schwerlich überraschend, dass der amerikanische Unilateralismus in einer Art politischem Vakuum durchgeführt wird.(„Wir schaffen unsere eigene Wirklichkeit“). Das Ergebnis ist eine Hybris, die unvermeidlich zum Fall führt. Das ist, wie die Aussenpolitik mit verbundenen Augen führen.

Der größte Fehlschlag der US-Außenpolitik ist daher der einer klassischen Tragödie: ein tragischer Makel, der genau das Gegenteil dessen als Wirkung erzielt, was beabsichtigt war. Oder, wie Marx es ausgedrückt hat, „innere Widersprüche“ und Ironie.

Die Antwort auf Ihre Frage hängt davon ab, was Sie mit US-Politik meinen. Was für die US-Wirtschaft eine Katastrophe ist, mag für die besonderen Interessen, die die Kontrolle über diese Politik erlangt haben, keine sein. US-Politiker werden nicht so sehr von Wählern gewählt, vielmehr wird von den Finanziers ihrer Wahlkämpfe für sie geboten. Das finanzielle Gewicht der Wall Street und, dahinter, der Ölindustrie, wie der Immobiliensektor und der militärisch-industrielle Komplex haben den 1% genutzt? Es war ein Erfolg für sie – zumindest in dem Sinne, dass die US-Politik das wiedergibt, was die 1% wollen. Es war ein Fehlschlag für die 99%, natürlich. Und dieser Tage könnte das eine Prozent so kurzsichtig sein, dass ihre Ziele das Gegenteil dessen erreichen, was sie beabsichtigen. Das würde Amerikas nahöstliches Scheitern im Verstehen der Dynamik islamischer Gesellschaften mit einschliessen.

Wenn Sie mit „Fehlschlägen“ den angerichteten Schaden meinen, würde ich als einen der erstesten Amerikas Widerstand gegen säkulare Regierungen in arabischen Ländern nennen, was zu der extremistischsten, buchstäblichsten Auslegung des Islam geführt hat, gekrönt vom Saudi-Wahabismus.

Die fatale Wende begann 1953 mit dem US-Sturz der Regierung Mossadegh im Iran. Die Absicht war schlicht, britisches und amerikanisches Öl zu schützen, nicht, islamischen Extremismus zu stützen. Aber die Unterstützung des Shah in einer Diktatur lateinamerikanischen Stils liess nur noch einen praktischen Weg der Opposition übrig: die islamischen Moscheen und anderen religiösen Zentren. Khomeini führte den Kampf gegen die Diktatur des Shah an, gegen die Folterkammern und die Dienstbarkeit der US-Außenpolitik gegenüber.

In Afghanistan haben die USA, natürlich, Al Quaida geschaffen und Bin Laden in seinem Kampf gegen das von der Sowjetunion gestützte säkulare Regime unterstützt. Die darauf folgende Geschichte der US-Verstrickungen im Irak, in Syrien, dem Libanon und sonstwo im Nahen Osten war eine der Unterstützung für den Saudi-Wahabismus. Und das ist aus jedem Blickwinkel eine Katastrophe.

Anthropologen haben gelästert, hier sei der blinde Fleck der amerikanischen Politik, was ethnische und religiöse Teilungen betrifft, am Werk – nicht nur bezüglich des offensichtlichen Antagonismus zwischen Schiiten und Sunniten, sondern zwischen ihnen und dem ländlichen Nomadentum, das das Umfeld für den Wahabi-Extremismus und seine anti-feministische Doktrin bildete. Der Nahe Osten wurde die letzten viertausend Jahre von Scheichtümern dominiert. Aber die US-Politik schmeisst den gesamten Islam in einen Topf und übergeht diese Unterschiede.

Amerika kann, da es eine Demokratie ist, sich keinen Landkrieg mehr leisten. Keine Demokratie kann das. Also besteht die einzige militärische Option in Bombardieren und Zerstören. Das war die US-Politik, vom Nahen Osten bis zum ehemals sowjetischen Raum, von Lateinamerika bis Afrika, mit der Unterstützung von Diktaturen, die der US-Außenpolitik und der der US-Bergbaugesellschaften, Ölgesellschaften und anderer multinationaler Konzerne folgen.

Die US-Außenpolitik ist einfach. „Tu, was wir sagen, privatisiere und verkaufe an US-Käufer, und erlaube ihnen, die Zahlung von Steuern durch Transferpreise und Finanzierungstricks zu umgehen, oder wir zerstören dich, wie wir Libyen, den Irak, Syrien und andere zerstört haben“.

Das Ergebnis ist, dass sich die anderen Länder zu einem Widerstand vereinen, und gezwungen sind, einen alternativen Pfad zur US-Finanzhegemonie zu schaffen. Wenn Amerika einer Politik des wechselseitigen Vorteils gefolgt wäre, hätten andere Länder Amerika vermutlich mit ihnen Geld machen lassen als Teil eines gemeinsamen Vorteils. Aber der US-Ansatz besteht darin, alles zu greifen, nicht, zu teilen. Dieser Eigennutz ist es, der letztlich sich selbst schlagen wird.

(1) Katy Burne, “ISDA: Greek Debt Restructuring Triggers CDS Payouts,” Wall Street Journal, 9. März, 2012.
(2) Steve Clemons, “Pat Lang & Lawrence Wilkerson Share Nightmare Encounters with Feith, Wolfowitz, and Tenet,” http://washingtonnote.com/pat_lang_lawren/ , Zitat aus Jeff Stein, Congressional Quarterly

Quelle: http://vineyardsaker.de/analyse/der-saker-interviewt-michael-hudson/ 

 

Kurzbemerkung zum Obigen: Eine sehr treffende Analyse vom finanziell-wirtschaftlichen Standpunkt aus !! Aber die dem Kapitalismus /Imperialismus innewohnende Zerstörkraft

( siehe Lenin:“Der Imperialismus das letzte Stadium des Kapitalismus“ bzw. Dimitroffs Aussage über den Faschismus ) wird dabei nicht erwähnt.

Dies ist aber wichtig um zu verstehen, dass nur  Staaten, in denen die politische Macht vom Volke ausgeht, einen Ausweg nicht nur aus der Weltfinanzkrise, sondern auch aus der gegenwärtigen Rüstungsspirale aufzeigen. B.Queck