Jusos unterstützen atomaren
Präventivschlag Israels
Werner Pirker
Henryk M. Broder, konformistischer
Wutbürger vom Dienst, darf sich auch mal freuen. Über »mutige Worte der Berliner
Jusos«. Die haben in einer Resolution ihre »Solidarität mit Israel« bekundet,
die »ggf. die Unterstützung einer gezielten Militäraktion gegen das iranische
Atomwaffenprogramm« einzuschließen habe. Sich in der Rolle eines Sprechers des
Weißen Hauses wähnend, bezeichnete Berlins Juso-Chef eine Militäraktion als
»letzte Option«. Wobei die Frage erlaubt ist, ob sich der hauptstädtische
SPD-Nachwuchs mit einem konventionellen Krieg begnügen würde oder ob er gar
einen nuklearen Präventivschlag als allerletzte Option in Erwägung zieht?
»Wem das Existenzrecht Israels am Herzen liegt«, heißt es in der Erklärung,
»der muß allen voran die iranische Bombe verhindern!« Staaten existieren oder
sie existieren nicht. Israel ist der einzige Staat auf der Welt, der für sich
ein (ewiges) Existenzrecht in Anspruch nimmt. Das Völkerrecht kennt das Recht
von Menschen und Nationen auf Existenz, nicht aber das von Staaten. Mit dem
Beharren auf die Anerkennung seines Existenzrechtes will Israel die Legitimität
seiner Existenz anerkannt wissen. Doch die ist mehr als fragwürdig, beruht die
israelische Staatsgründung doch auf der Vertreibung von mehr als 700000
Angehörigen der autochthonen Einwohner Palästinas. Israel will zudem nicht nur
seine Existenz als Staat, sondern als jüdischer Staat anerkannt wissen.
Angesichts einer solch exklusiven Auslegung der israelischen Staatlichkeit kann
das Existenzrecht der Palästinenser nur ein äußerst eingeschränktes sein. Zumal
sich die Exklusivität äußerst expansiv Raum verschafft.
Den Palästinensern wird zugemutet, die Rechtmäßigkeit des zionistischen Staates
anzuerkennen, während dieser seinen Verdrängungsfeldzug ungeniert fortsetzt.
Indem der Staat Israel bis heute nicht bereit ist, sich innerhalb international
anerkannter Grenzen zu definieren und die Frage seiner territorialen Ausdehnung
bis zum Sankt Nimmerleinstag offenhalten will, hat er sich selbst ins
völkerrechtliche Niemandsland begeben.
Für dieses zweifelhafte Existenzrecht wollen Jusos in den Krieg ziehen, wobei
eher nur an das Feiern von Kriegspartys gedacht sein dürfte. Nach der von
SPD-Chefs Gabriel geäußerten Kritik an der Apartheidpolitik der israelischen
Besatzer fühlt sich der karrieregeile Nachwuchs bemüßigt, der deutschen
Staatsräson wieder Geltung zu verschaffen. Das freilich erfolgt in der Attitude
einer kritischen Gegenöffentlichkeit. Dem gesellschaftlichen Mainstream,
einschließlich der Medien, wird eine »wachsende Distanz zum
jüdisch-demokratischen Staat« unterstellt. »Zwar ist es common sense, Israel zu
kritisieren«, heißt es in der Erklärung, »doch wird ›Israelkritik‹ immer noch
als Tabu halluziniert. Mit der Selbstkonstruktion dieses Tabus einhergehend,
inszenieren sich dann Akteure der verschiedenen politischen Lager demonstrativ
als Tabubrecher_innen, um der angeblich verschwiegenen Wahrheit Gehör zu
verschaffen.«
Nicht die Kritik an Israel ist »common sense«, sondern die großzügige Gewährung
des Rechts auf »Israelkritik« – in den diskursbehördlich zugelassenen Grenzen.
Da mag es vielleicht noch angehen, gewisse Maßnahmen der Besatzer in Frage zu
stellen, sie als »Kriegsverbrechen« zu bezeichnen aber erschiene den meisten
»Freunden Israels« bereits als »Relativierung des Holocausts«. Die
Gleichsetzung von Antisemitismus und Antizionismus ist ohnedies längst common sense.
Das Eintreten für einen gemeinsamen demokratischen Staat von jüdischen Israelis
und Palästinensern fällt, weil der zionistischen Staatsdoktrin fundamental
widersprechend, ebenfalls unter das Verdammungsurteil »Antisemitismus«. Es war
der Linksfraktion im Bundestag vorbehalten, ihren Mitgliedern das Engagement
für einen Staat mit gleichen Rechten für all seine Bürger explizit zu
verbieten. Da wollen die Jusos natürlich nicht nachstehen.
»Inakzeptable Israelkritik findet aber auch Eingang in die internationale,
institutionalisierte Politik«, halluzinieren sie institutionalisierten
Antisemitismus. An das Handeln Israels würden doppelte Standards angelegt.
Während von Israel die Einstellung des Siedlungsbaues gefordert werde, würde
sein Ansinnen auf Anerkennung durch die Palästinenser ignoriert werden. Die PLO
hat Israel in den Grenzen vor dem Juni-Krieg 1967 längst anerkannt. Israel hat
darauf mit einem forcierten Siedlungsbau geantwortet. Soviel zu den doppelten
Standards.