Irak: Humane Katastrophe aufgrund krimineller westlicher Außenpolitik jetzt mit

massiver humanitärer Hilfe kontern

von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait

 

In seinem Kommentar "Deutsche Waffen im Irak - Falsch, falscher, am falschesten"(SZ, 21.8.) trifft Heribert Prantl den Nagel auf den Kopf: <Es hat seinen Grund, warum es heute nur falsche Entscheidungen gibt: weil die US-Politik, weil die Politik des Westens im Irak und in Syrien so falsch war. ... die Türkei und die USA von Ankara aus haben die Soldaten des Islamischen Staats (IS) in Syrien stark gemacht: Deutschland hat Saudi-Arabien und Katar mit Kriegsgerät beliefert, also die Staaten, die den islamischen Staat aktiv unterstützen. Die katastrophale Lage in Syrien und im Irak ist auch Folge der interventionistischen Politik des Westens. Das ist nicht unbedingt eine Empfehlung dafür, schon wieder auf interventionistische Politik zu setzen. ... Die IS-Truppen hantieren mit US-Waffen... die USA hatten sie geliefert... Das lehrt wieder einmal: Auf Waffenlieferung ruht kein Segen. ... Der Nordirak leidet nicht gerade an Waffenmangel; die Menschen dort leiden an einem Mangel an Nahrungsmitteln und Hilfsgütern. Die Türkei blockiert die Transporte. ...> ("Deutsche Waffen im Irak - Falsch, falscher, am falschesten" von Heribert Prantl, SZ vom 21.8.)
 

Die Bundesregierung muss ihren politischen und wirtschaftlichen Einfluss nutzen und endlich wirksamen Druck auf die Türkei ausüben, damit sie jegliche Unterstützung für die IS-Terroristen einstellt und ihre Grenzen für Flüchtlinge und Hilfe öffnet und für die IS schließt! Das Embargo gegen Syrien ist menschenverachtend und führt bereits zum Tod vieler Menschen. Um IS-Milizen zu stoppen - darum geht es eigentlich - muss ihnen jede Ausstattung mit Waffen untersagt werden. Es ist höchst zynisch und lediglich ein ungeheuerlicher Gewinn für die Rüstungsindustrie, Waffenlieferungen an beide Seiten zu leisten, an die IS-Milizen durch Saudi-Arabien, Katar und die Türkei und jetzt an die Kurden! Korrupter und heuchlerischer kann die EU-Außenpolitik kaum werden.

 

Knut Mellenthin berichtet über "Schleichende Kriegsausweitung", Junge Welt, 20.8.: <Inzwischen führten die USA massive Luftangriffe durch, die sich aus keinem der "begrenzten" Kampfaufträge ergaben, von denen Obama am 7.August sprach. Seitdem wurden insgesamt 68 Luftangriffe durchgeführt.> Wirken solche US-Luftanschläge nicht barbarisch, die unschuldige Opfer treffen? Wen wundert es, wenn unschuldige Amerikaner zur Vergeltung hingerichtet werden? Wer ist der Initiator, der Anfänger der Barbarei im Irak? US-Präsident Obama muss alle barbarischen Konsequenzen seiner barbarischen Außenpolitik ehrlich und ernsthaft fassen. Selbsterkenntnis ist angesagt als der einzige Weg zur Besserung, denn Terror und Barbarei sind in der Tat vom US-Präsidenten Obama und EU-Regierungen finanziert und ausgerüstet worden.

 

Aus dem internationalen Zentrum zur Erforschung von Radikalisierung am Londoner King's College hört man, dass Briten nicht nur als Mitläufer kämpfen, sondern "sie zählten zu den bösartigsten und brutalsten Kämpfern. Neu ist, dass sie einen Amerikaner getötet haben, verbunden mit der Botschaft an die USA: Jetzt geht es gegen euch." ("Londoner Akzent als Spur" von Christian Zasche, SZ vom 22.8.) Diesbezüglich berichtet Karin Leukefeld: "Foley war vorab offensichtlich dazu gezwungen worden, die US-Regierung als seine "wirklichen Mörder" zu bezeichnen.... Sein Mörder (ein Brite, tritt) in der mittelalterlichen Pose eines Henkers (auf)...("Geister, die sie riefen" von Karin Leukefeld, Junge Welt, 21.8.)

 

Argumente, Bewertung der Tatsachen haben nur ihre Berechtigung, ihre Gewichtung, wenn sie sich der gegenwärtigen westlichen Außenpolitik widmen, um sie aus der Sackgasse der Barbarei und der Terror-Gewalt heraus zu bekommen. Diese verhängnisvolle Außenpolitik des Westens ist längst zu revidieren. Dafür müssen sich Journalisten entschlossen und mutig einsetzen. Wie viele unschuldige Opfer haben die USA und EU inzwischen auf dem Gewissen aufgrund ihrer grausamen Interventionskriege im Nahen, Mittleren Osten und anderswo?

 

<Kolonnen von Militärfahrzeugen ohne Kennzeichen fahren Richtung Syrien Waffen und in aller Welt rekrutierte Mörderbanden. Die Al-Nusra-Front (marschiert) von der Türkei aus unterstützt von Panzern, Artillerie und Luftwaffe. Vom Innenminister vor allem war in deutschen Medien von der Gefahr zu hören, die für die Deutschen durch zurückkehrende Terroristen entstehe. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, kommentierte am 2. April im Bundestag: "Wir haben von Anfang an zu Besonnenheit aufgerufen." ... Auf die Frage, ob ihm bekannt sei, dass die türkische Regierung seit längerem dschihadistische Gruppen unterstützt, antwortete Roth: "Ich habe nicht von einer neutralen Rolle der Türkei gesprochen." Sie werde von NATO-Einheiten unterstützt, aber alles habe "einen defensiven Charakter". Denn defensiv ist alles, was Ankara, Berlin, Washington, Kiew oder Tel Aviv ... unternehmen. Das gilt auch fürs Trainieren und Ausrüsten der Todesschwadronen... Alles für den Terror zur Zerstörung und Schwächung ehemals stabiler Staaten ist die Maxime. Aber bitte unter "unserer" Kontrolle. Das müssen die in Ankara einfach einsehen. Werden sie. > ("Alles für den Terror" von Arnold Schölzel, Junge Welt, 19.8.)

 

Was tun die USA und EU hinter dem israelischen Aggressor und illegalen Besatzer in Gaza? Im Dokument "Mehr Druck auf Israel" fordern mehr als 90 Nahostexperten aus Deutschland im Schreiben an Bundesregierung und Bundestag: <Der Dialog mit den politischen Vertretern der Hamas sollte nicht länger verweigert werden, die Bilanz der Isolationspolitik seit dem Wahlsieg 2006 ist ernüchternd...Gegenüber Ägypten und Israel muss man die Aufhebung der Blockade des Gazastreifens durchsetzen. Israels völkerrechtliche Verantwortung als Besatzungsmacht ist einzufordern für den Wiederaufbau... sowie zu einer internationalen Untersuchung ist aktiv beizutragen und dazu den Beitritt Palästinas zum Internationalen Strafgerichtshof zu unterstützen; gleichzeitig die Zerstörung ziviler Infrastruktur, die seit Jahren mit EU- und bundesdeutschen Geldern finanziert wird, ist zu untersuchen und Kompensation von Israel einzufordern.> (Junge Welt, 21.8.)

 

In Bezug auf den Antrag Palästinas beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, berichtet Karin Leukefeld genau beobachtend, <versuche der Strafgerichtshof die Anfrage auf die lange Bank zu schieben, weil man "unter internationalem Druck" stehe, den Krieg in Gaza nicht zu behandeln. Der Leiter der Kultur- und Informationsabteilung der Palästinensischen Mission in Berlin... räumte aber internationalen Druck seitens der USA und der EU auf die Palästinenser ein, sich nicht an den Strafgerichtshof zu wenden. Die Autonomiebehörde habe aber die volle Unterstützung der Bevölkerung für den Gang nach Den Haag. "Israel muss endlich eine Lektion erhalten für das, was es getan hat. Sonst haben wir alle zwei Jahre einen neuen Krieg". So der Leiter aus der Palästinensischen Mission in Berlin. Der Konsul Frankreichs im Gazastreifen will ebenfalls gegen Israel juristisch vorgehen... "Wenn Israel das Haus eines Diplomaten angreift ist das die Botschaft an die ganze Welt, dass es über jedem steht und über dem Völkerrecht".> ("Befehl gegen Hoffnung" von Karin Leukefeld, Junge Welt, 20.8.)

 

Die menschenverachtende US-Politik zusammen mit ihren EU-Vasallen hat lange Schatten und zeigt sich auch in der Ukraine. Rainer Rupp schreibt:

<Jede einzelne dieser ohne Zweifel gegen Zivilisten gerichteten Kampfhandlungen stellt nach internationalem Recht ein Kriegsverbrechen dar.... Das menschenverachtende Vorgehen der Junta-Kräfte in der Ostukraine erinnert stark an das der amerikanischen Soldateska im Irak gegen die renitente Großstadt Falludscha, die zu 90 Prozent zerstört wurde, oder an den US-angeführten NATO-Bombenkrieg gegen Jugoslawien. Nachdem es damals den US/NATO-Luftwaffen nicht gelungen war, dem serbischen Armeekorps im Kosovo auch nur leichten Schaden zuzufügen, begann der US-NATO-Terrorkrieg gegen zivile Ziele... Mit dieser Terrordoktrin hatte der damalige US-Außenminister James Baker 1991 schon seinem irakischen Amtskollegen Tarik Aziz gedroht: "Wie werden Ihr Land zurück in die Steinzeit bomben"...die Zerstörung der zivilen Infrastruktur und die Terrorisierung der Bevölkerung sind das Ziel, damit letztere sich gegen ihre Führung erhebt.... dies könne bedeuten, dass Kiew (genauso wie Israel) für alle Aktionen von Washington Carte blanche erhalten habe. Die Tatsachen sprechen dafür, dass die Junta, die von altgedienten CIA- und Pentagon-Experten beraten wird, in der Ostukraine die US-Strategie der "verbrannten Erde" durchsetzen will. Zuvor hatten dies ihre Brüder im Geiste, die deutschen Naziarmeen, auf ihrem Rückzug durch das geschundene Land getan> (Aus dem Leitartikel "Kiewer Terror in der Ostukraine - Zivile Opfer gewollt" von Rainer Rupp, Junge Welt, 20.8.)

 

In diesem Zusammenhang erhebt sich auch der Protest der Union tschechischer Schriftsteller mit ihrer Stellungnahme zu den Aggressionen in der Welt, die in Prag gerade veröffentlicht wurde (August 2014). Daraus auszugsweise:

<...mit welchem Zynismus und welcher Brutalität elementare Menschenrechte einschließlich das Recht auf physische Existenz unterdrückt werden. Angriffe mit Raketenwerfern, Kampfflugzeugen, Artillerie und anderen Kampfmitteln auf dicht besiedelte Wohngebiete wie in Gaza, dem größten Konzentrationslager der Welt, oder in Donezk und Lugansk, den Perlen des Donbass, die in Ruinenstädte verwandelt wurden... (setzen) einen in schrecklicher Verzweiflung, (sind) für andere geradezu gleichgültig. Brand-Kassetten-, ...Raketenwerfer und sogar ballistische Raketen werden als Mittel für Massenvernichtung und gigantische Verwüstungen eingesetzt.

 

Diese Bestialität in neuen Erscheinungsformen, aber bereits gut bekannt durch Nazismus und Faschismus,... diese ethnischen Säuberungen, werden direkt oder indirekt durch die regime-eigenen Medien marginalisiert und zumindest gebilligt (oder werden nicht bewertet).

 

Diese Bestialität in neuer Form wird sogar von gewissen Kreisen als natürliches Recht auf Verteidigung, als Kampf gegen einen russischen, arabischen oder anderen Terrorismus ausgegeben, und das mit dem zynischen Lächeln des Rechts des Stärkeren, des Rechts des Übermenschen - des Raubtiers. Es erhebt sich das Siegesgeschrei der Macht - der Supermacht! Und als Vorstufe eines dritten (vierten?) Weltkrieges dröhnen dazu die Tamtams von Sanktionen, Drohungen und Demonstrationen militärischer Stärke, der Rhetorik von Knüppel und Peitsche.

 

Wir wenden uns an alle Schriftsteller, Journalisten, Lehrer, wir rufen alle anständigen Menschen der ganzen Welt auf, gegen die Verrohung der Politik unter der Diktatur einer Junta, von Monstern unter menschlicher Maske, immun zu bleiben.> ("Unser Protest gegen den Gesang des Krieges" – "Abgeschrieben“, Junge Welt, 19.8.)

 

Sonja Zekri warnt sachlich und zutreffend vor der realen Gefahr einer Waffenlieferung in eine Krisenregion: <Nun will selbst Deutschland Waffen ... schicken. Dabei weiß auch hier niemand, wo diese in einem halben Jahr sein werden. Die Lage im Nordirak ist nur auf den ersten Blick übersichtlicher... eine neue Regierung in Bagdad, die den Westen um Hilfe bittet und von der Bundesregierung vor Waffenlieferungen an die Kurden "konsultiert" werden soll... Erstmals rüsten westliche Staaten gezielt die kurdische Armee auf. (Die USA rüsten massiv die Kurden mit modernsten Waffen.) Lässt sich ausschließen, dass die Kurden die neuen Waffen eines Tages gegen die irakische Armee einsetzen? Nein. Lässt sich verhindern, dass sie sie irgendwann gegeneinander einsetzen? Nein. Seit zehn Jahren genießen die Kurden im Nordirak Frieden. Zuvor führten sie oft Krieg, auch untereinander mit wechselnden Koalitionären unter den Mächten der Region: Türkei, Iran, Syrien, Irak. ... Hält die Kooperation mit den Peschmerga, könnten auch Waffen in die Hände der PKK gelangen, die von Deutschland als Terrororganisation eingestuft wird. Was aber, wenn die PKK ihren Waffenstillstand mit Ankara bricht und den NATO-Partner Türkei mit Waffen aus Deutschland angreift? Westliche Waffen für Afghanistans Sicherheitskräfte sind inzwischen in den Händen der Taliban gelandet. Raketen aus dem Westen für Libyen destabilisieren heute die gesamte Region. ... Zu kontrollieren ist da nichts mehr.> ("Lieferung mit unklarem Ziel" von Sonja Zekri, SZ, 21.8.)

 

Solche Überlegungen sind in der Tat gravierend begründet und sollten dazu führen, die deutsche Außenpolitik grundsätzlich zu korrigieren: Keine weitere Interventionspolitik hinter dem unzulässigen Ziel eines Regime-Change, keine weiteren Waffenlieferungen an Aufständische und IS-Milizen in Syrien, die den westlichen Auftrag bekamen, dieses Land zu destabilisieren. Der Bundestag sollte darauf einwirken, dass Deutschland nicht weiter hinter der Verfehlungen der USA-Außenpolitik hinterher schleicht und sich so weiter in einen ausweglosen Abgrund von Terror, Gewalt und Krieg begibt. Gelingt keine Umkehr, ist Europa auf dem besten Weg, sich selbst zu ruinieren. Jetzt ist der Punkt erreicht, an dem die Bundesregierung Deutschlands die NATO-USA vom deutschen Territorium definitiv entfernen muss. Damit wäre Europa von dieser skrupellosen Last befreit.

 

DIE LINKE lehnt die Aufrüstung der Kurden ab: Waffen würden den Krieg nur eskalieren lassen."Deutschland darf sie auf keinen Fall dorthin liefern". So ihr außenpolitischer Sprecher Jan van Aken.

 

<Entwicklungshilfeminister Gerd Müller warf derweil am 20.8. dem Emirat Katar vor, den "Islamischen Staat" zu finanzieren... "Wer rüstet, wer finanziert die ISIS-Truppen?" fragte er... "Das Stichwort" sei Katar und die Frage, wie gehen wir mit diesen Staaten politisch um? (ZDF-Morgenmagazin vom 20.8.). Der syrische Vizeaußenminister Faisal Mekdad begrüßte unterdessen am 20.8. die Entscheidung des UN-Sicherheitsrates, der gegen die Unterstützer von IS und Nusra-Front Sanktionen verhängt hatte.> ("Geister, die sie riefen" von Karin Leukefeld, Junge Welt, 21.8.)
 

Die humane Katastrophe, die eine solche kriminelle westliche Außenpolitik erneut verursacht, kann man nur mit massiven humanitären Hilfe kontern und mit einer Rettungsaktion, um die exponierten Menschen zu evakuieren. Der Papst sollte um diese Rettungsaktion auch für Christen und Mönche in Klöstern bitten. Die Bundeswehr könnte das leisten.

 

Die humanitäre Hilfe, die die Bundesregierung bereits für die Notlage im Nordirak organisiert, ist die richtige Antwort, um die Menschen, die an Mangel von Lebensmitteln und medizinischer Versorgung leiden, vor einem Gesundheitsgenozid zu bewahren. Angesichts dieser reinsten humanitären Katastrophe ist eine Luftbrücke einzurichten, um dadurch permanent humanitäre Hilfe ankommen zu lassen. Der ARD-Korrespondent, der heute im Irak und in Ägypten lebt, Jörg Armbruster, schildert richtig das Problem und seine Linderung. ("Bei Beckman", ARD-Fernsehen, 21.8., 23 Uhr) Militärische Entscheidungen sind nicht angebracht, Waffen am wenigsten, um ein Gesundheitsgenozid zu verhindern. Es ist ein Skandal und eine Verhöhnung für die Menschen in Not, Waffenlieferungen, anstatt massive humanitäre Hilfe in den medialen Fokus zu stellen. Stattdessen ist eine öffentliche Diskussion darüber zu führen, letztlich auch im Deutschen Bundestag, wie Menschen vor dem Verhängnis des Krieges, des Terrors und der Gewalt bewahrt oder von diesem Verhängnis befreit werden können. Waffenlieferungen sind sicherlich der falsche Weg.
 

Wenn der allgemeine Egoismus die EU und deutsche Politik beherrscht "fällt offenbar der Beschluss leichter, ein Kontingent Waffen zu liefern, als der Beschluss, ein Kontingent Flüchtlinge aufzunehmen." Heribert Prantl bringt das Problem auf den Punkt.