Regierungserklärung der
Regierung Griechenlands am 08.02.2015
Ich bin mir absolut im
Klaren darüber, dass der Weg zu einem wirtschaftlich autarken, sozial gerechten
und stolzen Griechenland uns durch die zusammenschlagenden Felsen eines hart
geführten und schmerzhaften Verhandlungsprozesses führt. Er wird jedoch auch
von der Entschlossenheit bestimmt, mit welcher wir die Konfrontation mit den
etablierten Missstände in unserem eigenen Land aufzunehmen gewillt sind.
Die Konfrontation mit einem Regime politischer und wirtschaftlicher Macht,
welches unser Land in die Krise geführt und international in Misskredit
gebracht hat.
In
diesem hart geführten und schmerzhaften Verhandlungsprozess wird Griechenland
eine positive und katalytische Rolle spielen.
Mit
dem Ziel:
Zu
einer Lösung zu gelangen, die von beiderseitigem Nutzen für Griechenland und
unsere Partner ist.
Wir
unterstreichen: Griechenland will seine Schulden abbezahlen.
Ist
dies auch der Wunsch unserer Partner, so sind sie aufgefordert mit uns in einen
Dialog über die Art und Weise und die technischen Mittel zur Wiederherstellung
der Schuldentragfähigkeit des Landes treten.
Die
Höhe der Schulden, die sich seit gestern auf mehr als 180% des BIP bemisst,
macht deren Tilgung unmöglich.
Das
ist es, was wir zu erklären versuchen.
Bei
der Schuldenproblematik handelt es sich nicht um ein Problem technischer Natur.
Es
ist keine Frage der technischen Umsetzung bestehender Beschlüsse.
Es
handelt sich um ein Problem politischer Art und betrifft politische Entscheidungen.
Solange unsere Partner auf Austerität beharren, wird die Schuldenproblematik
nur immer wieder aufs Neue aufbereitet und verschärft.
Stimmen
wir darin überein, dass Austerität in die Katastrophe führt, ist es möglich
durch Verhandlungen und Kompromissbildungsprozesse eine technische Lösung zur
Verringerung der Schulden und deren Tilgungsbedingungen zu erarbeiten.
Wir
zielen nicht auf die Auflösung des europäischen Gleichgewichts.
Im
Gegenteil. Wir sind es, die die Wiederherstellung des Gleichgewichts wollen.
Wir
verkörpern die Hoffnung auf umfassende
und notwendige Veränderungen, über die Europa sprechen und die Europa umsetzen
muss.
Die
neue griechische Regierung zielt auf eine bis einschließlich Juni dieses Jahren
geltende „Brückenvereinbarung“, um den
fiskalischen Raum zu erhalten, dessen es für aufrichtig geführte Verhandlungen
über Umstrukturierung der Schulden und ein neues Programm für Zusammenarbeit
und Wachstum zwischen Griechenland und seinen Europäischen Partnern, bedarf.
Viele
auch wohlgesinnte Stimmen fragen: kann das denn in den kommenden 15 Tagen
erreicht werden?
Die
Gespräche, die ich mit den offiziellen Vertretern des europäischen
Institutionengefüges geführt habe, haben mich davon überzeugt, dass es, trotz
aller Schwierigkeiten, möglich ist.
Selbstverständlich
wird es viele Themen geben, deren Lösung möglicherweise längere Verhandlungen
notwendig machen. Wie beispielsweise die Schuldenproblematik. Hinsichtlich der
übrigen Themenbereiche verfügen wir jedoch bereits jetzt über einen vollständig
ausgearbeiteten Plan und über Vorschläge, mittels derer wir umgehend zu einer
Übereinkunft kommen können.
Die
Regierung Griechenlands verfügt über einen konkreten Plan und absolut
realisierbare Vorschläge, die imstande sind die Grundlage einer neuen
Übereinkunft zu bilden, die beiderseitig akzeptiert werden kann.
Der
neue Vertrag zwischen Griechenland und Europa wird in einem mittelfristigen
Programm Wiederaufbauprogramm des Landes festgehalten werden, welches die
Regeln der Eurozone achtet ohne dabei die griechische Wirtschaft zu immerwährender Rezession zu verdammen und
ohne dass gleichermaßen unvernünftige wie unrealistisch hohe Primärüberschüsse
vorgesehen werden, die letztlich nur eine anderes Wort für Austerität sind.
Ich
möchte gegenüber der griechischen Delegation und dem griechischen Volk
klarstellen, dass wir uns standhaft und unbeirrbar um eine nachhaltige und
effiziente Übereinkunft mit unseren Partnern bemühen. Ich bin zuversichtlich,
dass es uns gelingen wird, zu einer solchen Übereinkunft zu kommen.
Denn
diese Übereinkunft wird ein Signal sein, welches unmissverständlich klar
stellt, dass Europa an den Prinzipien der Demokratie und an seinen Wurzeln
festhält und die Stimme des Volkes respektiert.
Europa
darf niemals wieder den Fehlern der dunklen Vergangenheit anheim fallen. Europa
darf nie wieder ein ganzes Volk dem Gefühl der Erniedrigung und Demütigung
preisgeben. In erster Linie, um nicht ein neues Zeitalter des Grauens
hereinbrechen zu lassen, um nicht Hass zwischen den Völkern zu speisen, sondern
Verständnis und Solidarität. Das ist die Herausforderung vor der das Vereinte
Europa heute steht.
In
den ersten fünf Monaten der Verhandlungen mit Europa haben auch wir eine große
Herausforderung zu bewältigen:
Den
Erwartungen des griechischen Volkes hinsichtlich der grundsätzlichen
Reformierung des Staates gerecht zu werden.
Denn
ohne diese Reformierung werden wir uns selbst mit der bestmöglichen
Schuldentilgungsvereinbarung in der Tasche, in Windeseile erneut in einer Sachgasse
befinden.
Das
griechische Volk hat uns ein klares Mandat erteilt. Ein Mandat zu kämpfen.
Gegen
die etablierten Missstände des politischen Systems und gegen die
Interessengruppen, die diesen Staat aufgebaut haben.
Denn
dieser Klientele und verschwenderische Staat, ist von uns weder konstruiert
noch von uns verwaltet worden. Und eben deshalb sind wir die einzigen, die
diesen Staat ändern können, die einzigen, die den umfassendsten
institutionellen Umbau der zeitgenössischen griechischen Geschichte zu
realisieren imstande sind.
Dieser
institutionelle Umbau hat bereits begonnen: die veränderte Regierungsstruktur
ist der erste Schritt eines umfassenden Rationalisierungsprozesses der
öffentlichen Verwaltung.
Die
erste Phase dieses Rationalisierungsprozesses wir innerhalb der kommenden sechs
Monate abgeschlossen sein und betrifft die kompakte und kohärente
Organisationsstruktur der den zehn Ministerien unterstellten Agenturen.
Ziel
ist die bessere Organisation und Koordination der Behörden, die schnellere
Umsetzung von Beschlüssen und soziale Effizienz.
Zugleich
gehen wir entschlossen gegen Ausgabenverschwendung im öffentlichen Dienst
vor und beschneiden die Abgeordneten und Ministern zu Verfügung gestellten
Privilegien.
Wir
bestehen darauf, dass die Gewährleistung
sozialer Effizienz der öffentlichen Verwaltung und die Förderung der
sozialen Sicherungsdienste unsere höchste Pflicht darstellen.
Wir
werden umgehend Regelungen zur Kontrolle der öffentlichen Verwaltung
entlang objektiver und leistungsbezogener Kriterien verabschieden. Zugleich
werden wir das System, auf Basis dessen die Posten von Vorgesetzen verteilt
werden, grundsätzlich ändern und so den gordischen Knoten der Verflechtung
zwischen politischen Parteien und Staatsapparatur lösen.
Schließlich
werden wir Maßnahmen zur Vereinfachung der Verwaltungsprozesse treffen, indem
wir neueste technische Möglichkeiten nutzen und den unmittelbaren Kontakt
zwischen Verwaltungsapparat und Bürgern begrenzen, der in der Vergangenheit Quelle von Kleinkorruption war, und werden so
die bestmögliche Dienstleistung gegenüber den Bürgern sicherstellen:
Der
wahrhaft große Kampf, der wirklich erbarmungslos geführte Kampf den diese
Regierung - koste es was es wolle - zu kämpfen bereit ist, ist der Kampf
gegen die großangelegte Korruption, gegen das verflochtene System der
Vetternwirtschaft.
Ein
System, welches über Jahre hinweg das öffentliche Leben vergiftet und das
politische System und dessen Institutionen in Misskredit gebracht hat.
Wir
werden gegen Steuerhinterziehung und Steuererleichterungen kämpfen,
denn in Wahrheit sind sie es, die das Land an den Rand des Abgrundes geführt
haben.
Bereits
jetzt haben wir einen gesonderten Zuständigkeitsbereich eingerichtet, der mit
der operativen Koordinierung der zuständigen Behörden und Kontrollmechanismen
und der Ausarbeitung der Strategie betraut ist, die uns in diesem unerklärten
Krieg leiten wird.
Wir
wissen dass wir die Messlatte hoch ansetzen. Doch wir haben keine andere Wahl.
In
diesem Zusammenhang werden wir
Erstens:
Die Einheit zur Bekämpfung von
Cyberkriminalität einsetzen und dafür Sorge tragen, dass der Kontrolle der
Listen von Personen mit enorm hohen Bankeinlagen, Priorität eingeräumt wird.
Diese sind:
·
Die
Liste der Behörde zur Bekämpfung der Legalisierung aus kriminellen Aktivitäten
stammender Einnahmen
·
Lagarde
Liste
·
Liechtenstein
Liste
Zweitens:
eine Behörde ins Leben rufen, die den Zoll kontrolliert und alle zuständigen
Behörden und Einheiten darauf ansetzen den illegalen Handel von Tabakwaren und
Treibstoff zu bekämpfen, durch welchen der öffentliche Hand, gut
recherchierten Schätzungen zufolge, mehr als 1,5 Milliarden Euro jährlich
entgehen.
Drittens:
werden wir modernsten Methoden anwenden,
um unversteuerte, aus innerhalb einer Unternehmensgruppe durchgeführten und
dreieckig verlaufenden Transaktionen, stammenden Summen, aufzuspüren.
Viertens:
werden wir die Einheit zur Inspektion der Kontrollbehörden der Öffentlichen
Verwaltung darauf ansetzen, die Rechtmäßigkeit der Vergabe von Öffentlichen
Ausschreibungen und Versorgungsverträge der öffentlichen Hand zu prüfen. So
wird der Überteuerung der ausgehandelte Preis und Schmiergeldzahlungen ein Ende
gesetzt.
Fünftens:
werden wir der Gewährung fauler Kredite, die zur Finanzierung zwielichtiger
Anliegen und zur Aufrechterhaltung eines oligarchischen Regimes verwendet
werden, ein Ende bereiten.
Die
neue griechische Regierung bürgt dafür, dass Gerechtigkeit walten wird.
Wir
stehen nicht auf Null.
Wir
erteilen keine Absolution über in der Vergangenheit begangene Sünden.
Niemand
wird von uns ein Ablasspapier erhalten:
Wir
werden umgehend die ohnehin verfassungswidrigen
Vorschriften abschaffen, die den
Vorständen des Finanzstabilitätsfonds (TChS) und des Fonds zur Verwaltung des
Privatvermögens des Staates (TAIPED) sowie dem Vorstand der Bank von
Griechenland rechtliche Immunität gewähren.
Alle Bürger dieses Landes
sind vor dem Gesetz gleich. Dieser Grundsatz gilt auch für die Führungskräfte
des Staates und für die Beamten-Elite.
Darüber
hinaus werden Kontrollverfahren Öffentlicher Ausschreibungen eingeleitet, über
welche Indizien über wie auch immer geartete Vergehen vorliegen. Ziel ist die
Begleichung ausstehenden Zahlungen gegenüber der öffentlichen Hand.
Deren
Gelder sind nicht dafür da, die Interessen der Oligarchen zu bedienen, sondern
um Wachstum zu fördern, Arbeitslosigkeit zu senken und den Anstieg des
Lebensstandards der Bevölkerung Griechenlands.
Wir
werden das Verflechtungsdreieck zwischen Banken, politischem System und
medialem Establishment aufbrechen.
Wir
sind Garanten des umfassenden Zugangsrechts des griechischen Volkes zu
objektiver und politisch unabhängiger Information und schreiben die Vergabe von
Sendefrequenzen für Funk und Fernsehen gemäß der geltenden Gesetzeslage in
einem offenen und transparenten Verfahren neu aus.
Es
kann keinen wirtschaftlichen Wiederaufbau und keine Institutionellen Reformen,
ohne eine große und mutige Reform des Steuersystems, geben.
Die
geringen Steuereinnahmen der 1990er und 2000er Jahre waren die Hauptursache
dafür, dass Griechenland nicht dazu in der Lage war, seine externen Schulden zu
bedienen.
Selbst
als die griechische Wirtschaft boomte und Wachstumsraten um 4% verzeichnete,
lag die Schuldenlast konstant bei 100% des BIP, stieg in absoluten Zahlen bemessen,
also an.
Die
Verantwortung dafür tragen aber nicht die Lohnabhängigen und RentnerInnen,
sondern alleinig die Wirtschaftselite und höchste Einkommensebene der
Selbständig Beschäftigten, die zu keinem Zeitpunkt die Steuerlast stemmen
mussten, die sie aufgrund ihres Einkommens hätten stemmen können.
Die
Zeiten der Krise und der Memoranden haben das Besteuerungsunrecht auf
beispiellose weise verschärft und eine weiteres Mal die üblichen Verdächtigen
durch die Erhöhung direkter ebenso wie indirekter Steuern ausgezehrt.
Steuergerechtigkeit
ist ein Wort, das in Griechenland niemand kennt und das verfassungsrechtlich
verankerte Gebot angemessener Besteuerung war bisher nichts als ein leeres
Wort.
Die
neue Regierung bekennt sich auch an dieser Stelle verbindlich dazu, diesem
finanziellen und sozialen Wahnsinn, dieser Irrationalität und Ungerechtigkeit
ein Ende zu setzen.
Jeder
Bürger und jedes Unternehmen wird gemäß seiner Zahlungsfähigkeit, wie in der
Verfassung gefordert, seinen steuerlichen Beitrag zur gemeinsam zu
bewältigenden Last leisten.
Wir
legen uns verbindlich fest, ein stabiles, einfaches und gerechtes Steuersystem
auszuarbeiten und einzuführen, welches die Lasten ausgeglichen verteilt und
zugleich die Sicherheit schafft, die für langfristig angelegte strategische
Investitionen benötigt wird.
Konkret:
Legen
wir eine einheitliche und aufsteigende steuerliche Staffelung ohne
Ausnahmeregelungen und Schlupflöcher fest, durch welche die Steuerlasten auf
hohe und sehr hohe Einkommen verteilt werden.
Festlegung der
Steuerfreiheit für Einkommen bis 12.000 Euro.
Katalogisierung
von Vermögenswerten in Griechenland und im Ausland. Das Vermögensverzeichnis wird klare
Auskunft über die Zahlungsfähigkeit steuerpflichtiger Personen und Unternehmen
geben.
Die
ENFIA-Steuer wird für das Jahr 2015 abgeschafft und durch eine auf großen
Immobilienbesitz erhobene Steuer ersetzt.
Unter
den gegebenen Umständen und aufgrund des Drucks, dem wir ausgesetzt sind, rufen
wir die Bürger jedoch dazu auf, unsere gemeinsamen Bemühungen zu unterstützen,
indem sie die letzten für das Jahr 2014 ausstehenden Beiträge der ENFIA Steuer
zahlen.
Wir
verstärken die Steuerfahndungsbehörden durch konsequent Fortbildungsmaßnahmen
und die verbesserten Informationsaustausch.
Wir
führen eine strikte Aufsicht der Leiter der Steuerverwaltung ein sowie harte
Strafen im Falle von Amtsmissbrauch und Pflichtvernachlässigung durch.
Wir
machen mit der Fließbandproduktion von in Änderungsanträgen versteckten
Steuergeschenken Schluss.
Jede
Änderung der Steuergesetzgebung wird nunmehr unmittelbar von der zuständigen
Behörde kodifiziert.
Die
umfangreiche Reformierung des Steuersystems, stellt die unabdingbare
Voraussetzung für den Wachstumsschub, den die griechische Wirtschaft braucht dar und bildet die Grundlage für die
Steuererleichterung, die Lohnabhängigen, RentnerInnen und Mittelstand so bitter nötig haben.
Was
wir jetzt brauchen, ist eine Vereinbarung, welche die Dynamik der griechischen
Wirtschaft frei setzt und die Realisierung pluralistischer und kostengünstiger
Projekte im Energie- und Tourismussektor, in der Schifffahrt und
landwirtschaftlichen Produktion, der Industrie, dem Verarbeitungs- und
Kommunikationssektor möglich macht.
Projekte,
die eine Kombination aus:
·
Beteiligung
großer und kleiner Initiativen der Privatwirtschaft miteinander sind, Anreize
für ausländische Investitionen schaffen und im Rahmen der europäischen
Gesetzgebung verortete transnationale wachstumsfördernde Vereinbarungen über
Joint-Ventures unter Beteiligung des griechischen Staates ermöglichen
·
einem
umfangreichem öffentlichen Investitionsprogramm, welches, wie auch von unseren
französischen und italienischen Partnern gefordert, von den Regeln Stabilitäts-
und Wachstumspaktes ausgenommen ist
·
und
Formen der sozialen Ökonomie und genossenschaftlicher Produktion darstellen und
ein neues Modell von Wirtschaftsaktivität begründen, welches auf Vernetzung und
horizontale Organisation beruht und über freie, marktwirtschaftliche
Konkurrenzmuster hinausgeht.
Bezüglich
privatwirtschaftlicher Initiativen und Investitionen möchte ich folgendes
Klarstellen:
Die neue griechische Regierung möchte und
wird privatwirtschaftliche Investitionen, die eine Schlüsselposition im Prozess
des wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes einnehmen können, unterstützen.
Die
neue griechische Regierung wird jedoch den verbrecherischen Ausverkauf
öffentlichen Eigentums nicht fortsetzen, um daraus die Rückzahlung einer unmöglich zu tilgenden
Schuldenlast zu finanzieren oder bestehende Liquiditätsengpässe zu bewältigen.
Übersetzt
von: Franziska Brychcy <franziska.brychcy@yahoo.de