Berlinale 2013 und ihre Ausnutzung
Die Humanität des Bösen der "Gatekeepers"
von Evelyn Hecht-Galinski
Die Berlinale in der Hauptstadt hat sich selbst übertroffen. Am 10. Februar
bekam der Film des israelischen Regisseurs Dror Moreh "The
Gatekeepers", "Töte zuerst - Der israelische Geheimdienst", den
"Cinema for Peace Award". Er wird am 5. und 6. März auf Arte und in
der ARD laufen. Der Film ist eine Koproduktion des NDR mit dem israelischen
Fernsehen IBA und Arte France. In den USA wurde er massiv durch Sony Pictures
beworben und bekam dort von der National Society der Film Critics den Preis als
bester Dokumentarfilm des Jahres, dazu kam noch der Producers Guild of America
Award, für den besten Dokumentarfilm. Auch für den Oscar wurde er nominiert!
Der Film ist ein Beispiel dafür, wie intelligente
Propaganda in Szene gesetzt wird, indem man nachträglich Verbrechen hoffähig
macht und ihren Sinn und Zweck für die Interessen des jüdischen Staates legitimieren
will. Sechs ehemalige Chefs des Schin Bet, des israelischen Geheimdienstes,
rechtfertigen ihre Verbrechen gegen die Palästinenser im Westjordanland und in
Gaza. Es sind: Avraham Shalom, Schin-Bet- Chef von 1980 bis 1986, Yaakov Peri,
Schin-Bet- Chef von 1988 bis 1995, Carmi Gillon, Schin-Bet-Chef von 1995 bis
1996, Ami Ayalon, Schin-Bet-Chef von 1996 bis 2000, Avi Dichter, Schin-Bet-Chef
von 2000 bis 2002 und Yuval Diskin, Schin Bet-Chef von 2005 bis 2011.
Das sind sie also, die Hüter der Moral des
jüdischen Staates, die verantwortlich zeichnen für Foltern und Morden gegenüber
dem palästinensischen Widerstand gegen Besatzung und Landraub. Sie gehören
allesamt vor den Internationalen Gerichtshof gestellt, anstatt Hollywood-reif
für den Oscar Award zu posieren. Dieser Film fördert durch die Suggestion der
Rechtmäßigkeit dieser Verbrechen gegen die Menschlichkeit eines Geheimdienstes,
Staatsterror und seine Vollstrecker gleichzusetzen mit sich wehrenden,
unterdrückten und besetzten Palästinensern.
Diese Gleichsetzung zieht sich wie ein roter Faden
durch die israelische Propaganda, indem der Außenwelt immer eingeredet wird:
Hier das bedrohte, arme, kleine Israel, dort die feindliche arabische Umwelt,
aggressiv und gefährlich. Der Film und sein Regisseur versuchen, weil es die
USA ja auch so machen, die Taten des israelischen Regimes zu legitimieren. Das
stellte Dror Moreh in mehreren Interviews fest, wie auch am 11. Februar im DLF.
Tenor: Die Palästinenser sind schließlich auch keine Unschuldslämmer. Schlimmer
noch: Dieser Film bestätigt alle Klischees der israelischen, blumigen,
demagogischen Sprache. Er will die "einzige Demokratie im Nahen Osten, die
humanistische Verteidigungsarmee, IDF und die Feinfühligkeit der harmlosen
Schin Bet Mörder" und ihre "Humanität des Bösen" ins Gute
verdrehen. Wie sie über ihre Erfolge und Fehlschläge schwadronieren, über
"Verhörtechniken", sprich Folter, wie sie
es wagen, von Ethik in der Politik zu sprechen und natürlich alles immer wieder
unter der Formel "Sicherheit für das bedrohte Israel".
Die Palästinenser dagegen werden in diesem Film
wieder als tickende Zeitbomben und unethische Individuen dargestellt. Merke,
die Schin Bet-Mörder leiden an Ihren Morden, aber die Palästinenser sind eben
Terroristen, kämpfende Monster. So lange aber die Palästinenser besetzt und
unterdrückt sind, solange ihren in der Diaspora lebenden Landsleuten das legale
Rückkehrrecht verweigert wird, solange Israel eine Apartheid Demokratie, also
eine Ethnokratie für die jüdischen Bürger erster Klasse ist, so lange Gaza
weiter von der israelischen Besatzung blockiert bleibt, solange zeigt dieser
Film nur die israelische Wahrheit: "Töte zuerst!"
Dank finanzieller Hilfe der ARD und von Arte
schafft es dieser Film also direkt in die deutschen Fernsehhaushalte. Ohne
Begleittexte oder begleitende Diskussionen, ohne die so beliebten Talk Shows,
keineswegs wirklich ausgewogen durch Beteiligung von betroffenen
Palästinensern, halte ich diesen Film für äußerst fragwürdig.
Apropos, da gibt es einen wirklich guten Film von
Stefanie Landgraf und Johannes Gulden: "Wir weigern uns Feinde zu
sein". Die NRhZ berichtete ausführlich darüber. (1) Doch der darf jetzt -
obwohl vom deutschen Außenministerium gefördert, ebenso von der Evangelischen
Kirche in Bayern geprüft und finanziell gefördert - von verschieden Seiten als
"umstritten und antisemitisch" kritisiert werden. Ein einmaliger Fall
in der deutschen Geschichte, wie man mit so einem engagierten Film umgeht und
die Filmemacher verunglimpft. Ich selbst, hatte das große Vergnügen, im letzten
Jahr in Frankfurt über diesen so wichtigen und ausgezeichneten Film in einem
Kino nach der Vorführung mit Stefanie Landgraf und Johannes Gulden und dem
Publikum zu diskutieren. Es war ein wunderbarer Abend, und der Film wurde von
den vielen Zuschauern und Debattierenden mehr als positiv angenommen. Dass nun
aber gerade ein Nürnberger Pfarrer, auch noch gestützt durch ein Urteil des
Landgerichts Nürnberg-Fürth, diesen Film als
"antisemitisch" bezeichnete und damit auch noch die
Neonazi-Szene unterstützte, wundert mich nach meinen eigenen Erfahrungen in
Nürnberg gar nicht mehr! Eine Stadt mit brauner Vergangenheit, die sich heute
mit wiedergutmachendem Philo-Semitismus selbst überholt, wo aber ein
Schulbürgermeister dieses Filmprojekt als einseitig und antisemitisch und für
den Unterricht ungeeignet darzustellen versucht, wo der Vorsitzende der
Jüdischen Gemeinde "Glaubensgenossen" als Volksschädlinge bezeichnet,
was kann man von dieser Stadt noch erwarten außer Spielwaren, Lebkuchen und
Bratwürsten? Warum schafft es dieser Film nicht in die ARD und auf Arte?
Ein Lichtblick war allerdings der herzzerreißende
Film, der am vergangenen Freitag, dem 8. Februar, auf Arte lief. "Unter
Bomben" berichtete authentisch in den echten, zerbombten Kulissen der
Libanon-Kriege über die unsäglichen Verbrechen der Israelis mit Luftangriffen,
Streubomben und anderen Waffen, die verbrannte Erde hinterließen. Umso größer
meine Angst, dass Israel nur auf eine Gelegenheit wartet, im Schatten des Aufruhrs
in Syrien, den Libanon erneut anzugreifen.
Nicht förderlich in diesem Zusammenhang erscheinen
mir dann auch Äußerungen von Kanzlerin Merkel, die schon einmal auf unbewiesene
Tatsachen und Anschuldigungen gegen die Hisbollah wegen eines tödlichen Anschlags
auf israelische Touristen in Bulgarien eingeht und fordert: Sollten sich diese
Behauptungen als wahr herausstellen, die Hisbollah auf die Terrorliste zu
setzen sei. An vorderster Front natürlich mit dabei, Philipp Mißfelder, der
außenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, er forderte
eine sofortige Debatte darüber, ob die Hisbollah auf die Terrorliste
der EU gesetzt werden sollte. Dazu möchte ich ein paar bezeichnende Sätze des
Philipp Mißfelder aus einem DLF Interview vom 4. Februar zitieren: "Es
gibt schon einen großen Unterschied, nämlich erstens ist Israel die einzige
Demokratie im Nahen Osten und wirklich als Fackel der Freiheit, die dort glüht,
muss man sehen, dass Israel das einzig westliche demokratische Land ist, in dem
Mädchen und Jungs zur Schule gehen können, in dem jeder einen
Hochschulabschluss erreichen kann. Es ist ein Land, was überhaupt nicht
vergleichbar ist mit den umherliegenden Ländern, und der wichtigste Unterschied
ist: Israel droht keinem seiner Nachbarn mit der Vernichtung aus ideologischen
Gründen und macht daraus ein politisches Programm. Das ist beim Iran
anders". Zitat Ende.
Da frage ich uns, wenn man diese Zeilen gelesen
hat, dann glüht einem der Kopf und die Fackel der Freiheit verkommt zu einem
Knall Bon Bon des deutschen Außenpolitischen Schwachsinns. Die CDU mit MM,
Merkel und Mißfelder! Die SPD, beim ideologischen Bäumepflanzen im jüdischen
Staat, auf geraubtem Land, oder? Die FDP mit Westerwelle, der mit seinem Freund
Lieberman bald wieder das Außenminister-Dream Team darstellen könnte. Auch der
Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Volker Kauder macht in Außenpolitik
und hält eine Flugverbotszone über Syrien für gut und redet mit Blick auf
den Beschuss durch israelische Kampfflugzeuge eines syrischen Militärtransports,
auf die mit Assad verbündete libanesische Schiitenmiliz Hisbollah -
immerhin eine Regierungspartei im Libanon, Herr Kauder - diesen
widerrechtlichen Angriff noch für berechtigt und versucht ihn zu legalisieren.
O-Ton Kauder: "Dass der Einsatz militärischer Mittel im konkreten Fall
geholfen habe, die Waffen werden nicht mehr eingesetzt". Welch eine
bizarre Logik Herr Kauder, welche Waffen werden jetzt anstatt eingesetzt, die
von uns gesponserten "guten" Waffen an uns genehme Kämpfer
(Terroristen)?
Dazu stelle ich auch ein Interview mit dem
Militärbischof Franz-Josef-Overbeck, vom 8. Februar in Spiegel Online, über
Kampfdrohneneinsatz der Deutschen, unter dem Titel: "Unschuldige dürfen
nicht sterben". Nur einen Satz vorab: "Bei jedem Einsatz sollte es
möglichst wenig Tote geben. Ich befürchte nur, dass die Hemmschwelle, Gewalt
einzusetzen, durch den Krieg am Computer sinkt. Drohnen dürfen keine
Hinrichtungsinstrumente sein. wir brauchen deshalb höhere ethische
Anforderungen an die Soldaten, die diese Computersysteme bedienen". Zitat
Ende.
Entwickeln wir deshalb gemeinsam mit dem jüdischen
Staat Drohnen, damit wir gemeinsam ethisch morden? Siehe auch die
"Gatekeepers". Da schließt sich wieder der ethische Kreis, mit
"der Fackel der Freiheit und der einzigen Demokratie im Nahen Osten".
Es gab in letzter Zeit so viele Verhaftungen, Morde
und andere Untaten, die das Regime Israel von den deutschen Medien fast
unbeachtet beging. Ich stelle deshalb ein paar Links ausländischer Zeitungen zu
diesen Themen unter diesen Artikel. Dazu gehört auch der weitere Siedlungsbau
im Westjordanland mit 350 neu genehmigten Wohnungen südlich von Bethlehem.
Derzeit leben im Westjordanland rund 340 000 jüdische Siedler.
Wann endlich überdenken "unsere
Politiker" ihre Haltung zum Regime Israel? Morden für Frieden und
Sicherheit? "Juden dürfen das." Nein, auch s i e dürfen das nicht!
(PK)
(1) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=18678