DDR-Außenpolitik

 

Beziehungen der DDR mit Lateinamerika und der Karibik

von Dr. rer.nat. Winfried Hansch

 

Die Beziehungen der DDR mit Lateinamerika (weiter: LA) werden unter 3 Leitlinien betrachtet:

Politische Interessen, Handel und Solidarität.

Diese standen in der praktischen Außenpolitik der DDR in einer nicht immer spannungsfreien Wechselwirkung.

 

Das revolutionäre Kuba unter Fidel Castro nahm als erstes Land LA`s im Januar 1963 volle diplomatische Beziehungen mit der DDR auf.

 

Botschafter wurde der frühere Spanienkämpfer Fritz Johne.

 

Vorher, seit Mitte der 50ger Jahre, wurde begonnen, den Handel mit einigen Ländern dieser Region zu vergrößern. Die DDR exportierte Industriegüter und importierte vor allem Kaffee.

 

Zwischen 1954 und 1958 wurden Handelsvertretungen in Uruguay, Argentinien, Kolumbien, Chile und Brasilien mit unterschiedlicher vertraglicher Einbindung, aber immer unterhalb der völkerrechtlichen Anerkennung eingerichtet.

 

Die BRD praktizierte bis zum Grundlagenvertrag 1972/3 in Lateinamerika rücksichtslos die Hallsteindoktrin.

 

Nach dem Wahlsieg der Unidad Popular mit Salvador Allende in Chile1970 normalisierte dieses Land im März 1971 die Beziehungen zur DDR, die aber mit dem Putsch im September 1973 unterbrochen wurden.

 

Die Beziehungen zu Chile der Unidad Popular und die Solidarität mit dem Volk Chiles nach dem Putsch sind noch heute ein ehrenvolles Kapitel der Außenpolitik der DDR.

 

Nach dem Ende der Hallsteindoktrin gab es Anfang der achtziger Jahre diplomatische Beziehungen zu 18 der über 30 Staaten dieser Region mit 12 Botschaften

(Kuba, Chile, Nikaragua, Argentinien, Brasilien, Mexiko, Kolumbien, Venezuela, Peru, Ekuador und Uruguay; mit Jamaika, Panama, Kostarika, Guyana, Surinam und Bolivien nur Zweitakkreditierungen).

 

Die praktische Arbeit der Beziehungen zu LA konzentrierte sich auf die beiden Schwerpunktländer Kuba und ab 1979 auf Nicaragua, dazu weniger stark auf Brasilien, Argentinien und Mexiko.

Diese Gewichtung der politischen Beziehungen zu LA war nicht identisch mit der Verteilung im Außenhandel mit LA(Kuba nicht einbezogen).

 

Am Handel der DDR mit dieser Region war Brasilien immer mit einem Anteil von 60 – 70% vertreten.

 

Der Anteil LA`s am gesamten Außenhandel d. DDR lag meist bei ca. 2%.

 

In der Interessenwahrnehmung, in der “Kunst des Machbaren“ gab es eine wirkungsvolle Zusammenarbeit mit Regierungen, Parlamenten, Parteien, sozialen und politischen Bewegungen in folgenden Bereichen: - Erhalt und Sicherung des Weltfriedens,- Begrenzung des Wettrüstens, Abrüstung, besonders bei Atomwaffen, - Umgestaltung der Weltwirtschaftsordnung auf demokratischer und gerechter Grundlage auch für Länder der 3. Welt,- Einhaltung der Grundprinzipien des Völkerrechtes und friedliche Koexistenz,- Nichtanwendung von Gewalt in den internationalen Beziehungen,- Nichteinmischung in innere Angelegenheiten,- Ablehnung von Interventionen, besonders der USA in LA (1953 Guatemala, 1961 Kuba, 1973 Chile, 1983 Grenada und gegenwärtig Venezuela). - Lösung des Malwinen-Konfliktes (Malwinen/Falklandkrieg1982) durch Verhandlung.

 

LA leidet noch heute unter dem Trauma, dass nach 1945 bei über 20 Militärputschen und Interventionen der USA über 1 Million Menschen durch diesen rechten Terror getötet wurden.

 

Die aktive Außenpolitik der DDR unter den Bedingungen von Militärdiktaturen im Gastland war besonders kompliziert.

 

Besonders offen für eine Zusammenarbeit mit der DDR waren in einigen Ländern LA`s die politischen Akteure, die der jahrzehntelangen Dominanz der USA im „Hinterhof“! überdrüssig waren.

 

Insoweit war die Existenz eines politischen Gegenpols für einige Länder eine wichtiges internationales Argument.

 

Entscheidungsträger in einigen lateinamerikanischen Länder hatten es satt, sich vorschreiben zu lassen, wie sie mit dem zweiten deutschen Staat umzugehen hätten.

 

Fördernd für die Entwicklung der Beziehungen einiger Länder LA` erwies sich die Bildung nationaler Freundschaftsgesellschaften wie 1961 in Chile und Mexiko.

 

Die Arbeit in diesen Gesellschaften wurde getragen von progressiven und linken Parlamentariern, Wissenschaftlern, Künstlern und von Gruppen von Persönlichkeiten, die in der des Faschismus besonders die linken und jüdischen Emigranten aus Deutschland und Österreich unterstützt hatten (Mexiko, Chile, Uruguay und Argentinien).

 

In der Gastdiplomatie, Kuba und Nicaragua nicht einbezogen, waren als höchste Ebene in der Regel gegenseitige Besuche von Ministern (Außen, Handel). Die herausragende Ausnahme war der Besuch Erich Honeckers in Mexiko im September 1981.

 

Wichtige Punkte in den Beziehungen waren Besuche zur Amtseinführung der Präsidenten der Länder Lateinamerikas.

Diese wurde in der Regel von Stellvertretern des Staatsrates wahrgenommen, die der CDU, der NDPD, der LDPD oder der Deutschen Bauernpartei angehörten:

- Gerald Götting,

- Prof. Dr. Heinrich Homann,

- Prof. Dr. Manfred Gerlach und

- Dr. Günther Maleuda.

 

In Bezug auf die DDR-Botschaften und die Institutionen der BRD in den Gastländern schrieb Richard von Weizäcker zutreffend in dem Vorwort über das Wirken der DDR-Botschaften: „Solange die schwer lastende Ost-West-Konfrontation Europa und die Welt beherrscht hatte, haben nicht zuletzt die Diplomaten beider deutscher Staaten immer wieder gegensätzliche Positionen eingenommen und vertreten“

(B. Mahlow ,siehe: Literatur Nr.4)

 

Viele Gastländer hatten es sich zum Prinzip gemacht, beide deutschen Staaten korrekt zu behandeln.

 

Das zeigte sich bei allen Ministerbesuchen oder dem Besuch Honeckers 1981 in Mexiko. Dieser professionelle Umgang mit Repräsentanten der DDR setzte sich auch in den Jahren 1989 und 1990 fort.

 

Der DDR- Botschafter Artur Höltge wurde am 22.11.1989 in Kolumbien von Präsident Vargas und Botschafter Dr. Günter Metzger wurde noch am 28.August 1990 in Mexiko als Repräsentant DDR akkreditiert.

 

Ein wichtiger Aspekt der Beziehungen war es anderseits, dass Regierungen LA`s in vielen Fragen Positionen vertraten, die den Grundlinien der Innen-und Außenpolitik der DDR völlig konträr gegenüber standen.

Das betraf z. B die Theorie der Supermächte, des gleichen Abstandes zu den Blöcken und die Ablehnung des Konzeptes des Sozialismus als Gesellschaftsmodel.

 

 Diese Ablehnung trat manchmal als harter Antikommunismus auf, der sich besonders in den Doktrinen der „Nationalen Sicherheit“ manifestierte.

 

Eine wichtige Leitlinie der internationalen Beziehungen der DDR war die Solidarität auf staatlicher und nichtstaatlicher Ebene

 

Entsprechend den Prinzipien des “Proletarischen Internationalismus“ gab es Kontakte zu linken Parteien, progressiven sozialen Bewegungen und Kulturkreisen.

 

Opfer der Militärdiktaturen erhielten humanitäre, politische und materielle Unterstützung

(z. B.: Rettung und Aufnahme von 4 000 politische Emigranten aus Chile).

 

Die Nicaragua Solidarität wurde nach dem Sieg der Sandinisten 1979 noch verstärkt und auf allen Ebenen ausgebaut.

 

Kuba galt besonders seit den Besuch von Fidel Castro in der DDR Juni 1972 als sozialistisches Bruderland in LA.

Neben der Sowjetunion, China und der CSR wurde die DDR ein wichtiger Handelspartner (ab 1974 an 2. Stelle nach der SU) und Unterstützer beim Aufbau einer neuen Wirtschaftsbasis in Cuba.

Tausende DDR-Experten waren in Kuba als Mentoren tätig. In der DDR wurden 6500 Facharbeiter ausgebildet und 1500 Studenten absolvierten erfolgreich ein Studium.

Die für Cuba wichtigen Beziehungen wurden auch nach dem Verrat von M. Gorbatschow beim Treffen mit US- Präsident R. Reagan im Juni 1986 in Reykjavik von der DDR in vollen Umfang fortgesetzt.

Gorbatschow versprach dem US-Präsidenten bei diesem Treffen alle Hilfen für Cuba und Nicaragua einzustellen (W. M. Falin, Juni 1917, persönliche Mitteilung).

 

Gesamtbilanz:

 

„Lateinamerika ist immer ein Nebenschauplatz der DDR-Außenpolitik gewesen, sieht man von Kuba und für kurze Zeit Nicaragua ab“. (J. Naumann, S. 86)Literatur: 1.J. Naumann in: S. Bock, I. Muth, H. Schwiesau (Hrsg) “DDR-Außenpolitik im Rückspiegel“ ,LIT Verlag, 20042. G. Schramm (Hrsg) „Flucht vor der Junta“, Edition Ost, 20053. W. Hansch “Staatsstreiche und Militärinterventionen in Lateinamerika nach 1945“ in: Heft 181 „Helle Panke“ e. V, 20124. B. Mahlow „ Der letzte macht das Licht aus: wie DDR-Diplomaten  das Jahr 1990 im Ausland erlebten“, Edition Ost, 19995. H. Langer: „Zärtlichkeit der Völker. Die DDR und Kuba“, Verlag Wiljo Heinen 2010.

 

Kurzbiografie Dr. Winfried Hansch

 

Geboren: 14.01.1939 in Dierhagen, Mecklenburg

Studium: Technische Universität Dresden, Magister 1965, Dr. rer. nat 1976

1965 - 1976 Angewandte Forschung der TU Dresden zu Kommunikation des Menschen in seiner Arbeitsumwelt in der Industrie, Havarie-Forschung und Unfallursachenforschung

1973 ...1976 Betreuer der politischen Emigranten aus Chile in Dresden

Über 11 Jahre im Diplomatischen Dienst der DDR in Lateinamerika:

1977 - 1982 Argentinien

1985 - 1990 Mexiko

1982 - 1983 Postgraduales Studium

Internationales Recht, Abschlussarbeit zu „Malwinen - Krieg 1982“

 

Seit 1990 Organisator und Vortragender bei zahlreichen Konferenzen über Lateinamerika.

Autor verschiedener Studien über Argentinien, sowie Mexiko, Militärdiktaturen in Lateinamerika nach 1945, Beziehungen USA Lateinamerika oder Deutschland und Lateinamerika

 

2007-2017 Präsident der Alexander Humboldt Gesellschaft