Corona Erfolgsgeschichte Vietnam

von Rainer Rupp

In der zurückliegenden Woche hatte Vietnam einen doppelten Grund zum Feiern. Da war der 45. Jahrestag des Sieges über die US-amerikanischen Invasoren, den das tapfere vietnamesische Volk mit tatkräftiger Unterstützung durch die Sowjetunion in langen, entbehrungsreichen Jahren unter unglaublichen Opfern erfochten hat. Zum anderen kann Vietnam nach einem kurzen aber disziplinierten Kampf den Sieg über das Coronavirus feiern. Im Zeitraum 17. April bis 5. Mai gab es nur noch 3 Neuansteckungen (2 Fälle am 24.04 und ein Fall am 3.05). Vietnam ist so gut wie Corona frei.

Mit Stand vom 6. Mai zeigt die Gesamtbilanz der Corona-Epidemie, dass Covid-19, wie die vom Virus verursachte Krankheit heißt, nicht zwangsläufig in einer menschlichen und wirtschaftlichen Katastrophe enden muss. Insgesamt hat es in Vietnam nur 271 Infektionen gegeben, von denen 232 bereits genesen sind. Dabei war kein einziges Todesopfer zu beklagen; und das in einem Entwicklungsland mit einer Bevölkerung von knapp 100 Millionen Menschen und mit einer relativ hohen Bevölkerungsdichte von mehr als 300 Bewohnern pro Quadratkilometer. Im Vergleich dazu kommt Deutschland mit seinen 83 Millionen auf durchschnittlich 232 Einwohner pro Quadratkilometer.

Natürlich sind inzwischen weltweit „Experten“ erpicht darauf, das Geheimnis zu ergründen, das hinter diesem durchschlagenden vietnamesischen Sieg über Corona steht. Um das Erfolgsrezept der Vietnamesen in anderen Ländern zu kopieren, ist es jedoch schon zu spät. Zu viel Zeit ist nach dem ersten Auftreten von Covid-19 vergangen. Das Virus hat sich in den meisten Ländern bereits zu weit verbreitet hat, als dass der vietnamesische Erfolg wiederholt werden könnte.

Bereits Ende Dezember 2019, die Chinesen hatten gerade die Nachricht von einem unbekannten aber gefährlichen Virus gemeldet, und lange bevor die Chinesen das Epizentrum von Wuhan unter Quarantäne gestellt hatten, hatte die Regierung in Vietnam ihre präventiven Notfallpläne für eine Pandemie aus den Schubladen geholt und begonnen, diese schnell und entschlossen umzusetzen. Dabei ist Hanoi nach einem strategischen Plan vorgegangen, bei dem vieles an das Vorgehen zu Zeiten des nationalen Befreiungskriegs gegen die US-Besatzer erinnert. Dazu gehörte das systematische Einkreisen der Dörfer und Städte, in denen sich „der Feind“ gesammelt hatte, um auf diese Weise dessen Bewegungsfreiheit einzudämmen.

Mitte Januar 2020, die Corona-Fälle waren im Nachbarstaat China bereits sprunghaft angestiegen, hat Hanoi die direkten Flugreisen von und nach Wuhan, dem chinesischen „Epizentrum“ der Seuche – nicht mehr gestattet. Eine Woche später, am 23. Januar, gab es dann die ersten beiden Infektionsfälle in Vietnam. Am 30. Januar – obwohl es bis dahin keine weiteren, bestätigten Neuansteckungen gegeben hatte, machte Vietnam seine knapp 1.500 km lange Grenze zu China vollkommen dicht, obwohl das im Ausland als Überreaktion kritisiert wurde.

Während des ganzen Monats Februar gab es weniger als ein Dutzend bestätigte Neu-Infektionen. Das änderte sich dann schlagartig im nächsten Monat, weshalb die Regierung am 31. März eine generelle, landesweite Quarantäne bis zum 15. April verordnete.

Wo auch immer in dieser Zeit in den Dörfern, Städten und Großstadtvierteln Fälle von Infizierten auftauchten erließ die Regierung strenge, ergänzende Quarantänebestimmungen. So wurde beispielsweise am Rande der 8-Millionen-Metropole Hanoi eine 200.000 Einwohner zählende Vorstadtsiedlung am 13. Februar drei Wochen lang komplett abgeriegelt, obwohl es zu diesem Zeitpunkt in ganz Vietnam erst zehn Infizierte gegeben hatte. Zeitgleich konnte in den anderen Stadtvierteln von Hanoi und im übrigen Land das für Vietnam typische muntere Treiben weiter gehen, mit Ausnahme des Schulbetriebs, der bereits am 30. Januar stillgelegt worden war.

Indem die vietnamesischen Gesundheitsbehörden von Anfang an methodisch und konsequent ihren Pandemieplan umgesetzt hatten, konnten sie jede einzelne Infektion verfolgen und die Infektionsherde isolieren und erfolgreich bekämpfen. Wie ganz anders war das in den meisten westlichen Ländern, wo man erst mal gar nichts tat und die Bevölkerung unter Verweis auf die angeblich so tolle, medizinische Versorgung und tolle Apparatur zu beruhigen versuchte.

In Deutschland z.B. blieb der scheinbar vergessene, offizielle Pandemie-Notfallplan von 2012 erst einmal in den Schubladen liegen. Der Herr Gesundheitsminister Span, war in den ersten zwei Monaten des Jahres und länger vollauf damit beschäftigt, sich in dem CDU-internen Gerangel um den Parteivorsitz und die Kanzlerkandidatur zu positionieren. Als er endlich am 9. März seinen Verzicht erklärte, war es schon zu spät, um sich erfolgreich der Corona zu widmen. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Infektionszahlen längst die kritische Masse überschritten, so dass – anders als in Vietnam – eine Nachverfolgung der einzelnen Infektionsfälle und deren Isolierung und gezielten Bekämpfung unmöglich geworden war.

Um die schwerwiegenden eigenen Fehler zu korrigieren entschieden sich dann die Politiker in Bundes- und Landesregierung bei der Corona-Bekämpfung für die brachiale Methode des bundesweiten, totalen Lockdowns, dessen menschliche, soziale und wirtschaftliche Kosten noch nicht abzuschätzen sind.

Derweil konnten in der asiatisch-pazifischen Region professionelle Hüter der US-geführten kapitalistischen Weltordnung den „kommunistischen“ Vietnamesen ihren Erfolg bei der Corona-Bekämpfung nicht gönnen. Wie zu erwarten versuchen sie, den Erfolg der vietnamesischen Regierung in den regionalen Medien klein zu reden oder rundum in Frage zu stellen, mit der Begründung, dass man „Kommunisten“ niemals glauben dürfe.

Teil dieser anti-vietnamesischen Front aus verknöcherten Kalten Kriegern ist Phil Robertson, stellvertretender Direktor der asiatischen Filiale des US-geführten Propagandaorgans, das unter dem Namen „Human Rights Watch“ firmiert und vorgibt, eine globale Menschenrechtsorganisation zu sein. So versucht Robertson z.B. den positiven Artikel der große australische Zeitung „Sidney Morning Herald“ über den Erfolg Vietnams unter Verweis auf die angeblichen diktatorischen Verhältnisse in dem Land zu relativieren. Aber selbst der berufsmäßige Vietnam-Kritiker Robertson Robertson, der von der Zeitung „als häufiger Kritiker des vietnamesischen Regimes“ vorgestellt wurde, musste in dem Artikel einräumen, dass die Regierung in Hanoi über „fähige Leute im Gesundheitsministerium verfügt. “

Auch gebe es im Land „fähige Fachleute, die mit der Regierung zusammenarbeiten, wie mit dem Virus umzugehen ist“. Zudem erlaube die Struktur des politischen Systems in Vietnam, „dem nationalen Regime, mit seinen Bürgern bis auf die Ebene der Dörfer und kleinen Siedlungen“ zu kommunizieren. Zudem erkennt Robertson an, dass die Umsetzung der einschneidenden Quarantäne-Maßnahmen bei der Eindämmung der Ausbreitung des Virus eine Rolle gespielt habe, nur um anschließend sofort zu beklagen, dass diese Einschränkungen für die Bevölkerung manchmal „zu weit gegangen“ seien. Diesbezüglich wäre es jedoch angebrachter gewesen, wenn Robertson zur Abwechslung die Vereinigten Staaten zur Zielscheibe seiner Kritik gemacht hätte, wo man ein Versagen auf der ganzen Linie feststellen muss.

Mit Stand vom 6. Mai 2020 gab es in den USA 1,26 Millionen Infizierte (+24.572 im Vergleich zum Vortag), 171.000 Genesene (+ 7.000 zum Vortag) und 74.581 Todesfälle (+2.557 zum Vortag). Als die Zahl der US-Corona Toten letzte Woche die Zahl der im Aggressionskrieg gegen Vietnam gefallenen US-Soldaten (58.220 US-Kriegstote) überstiegen hatte, gingen entsprechende Meldungen durch die internationalen Medien, die die beiden Katastrophen miteinander verglichen. Der naheliegenden Frage, wie viele der gealterten US-Vietnam-Kriegsveteranen jetzt überproportional unter den Corona-Toten vertreten sind, ist jedoch niemand nachgegangen, obwohl viele der Veteranen heute durch Corona besonders gefährdet sind. Denn in Vietnam ist die Gesundheit von Zig Tausenden GIs dauerhaft ruiniert worden – z.B. durch Kontakt mit dem hochgefährlichen „Agent-Orange“ Gift, von dem Millionen Tonnen als Teil der verbrecherischen, chemischen Kriegsführung des Pentagon über Vietnam versprüht wurden.

Mit derzeit über 74 Tausend Corona-Toten stehen die USA weltweit an erster Stelle, weit vor China mit aktuell 4.633 Todesfällen, und das bei einer vierfach größeren Bevölkerung von knapp 1,4 Milliarden Menschen. Damit haben die Vereinigten Staaten auf makabre Weise ihren Anspruch als „Ausnahme-Nation“ unterstrichen. Tatsächlich hat das mächtigste Land der Erde, das fast eine Billion Dollar für Kriege und Rüstung ausgibt, unter allen entwickelten Industrieländern für die arbeitende Bevölkerung das miserabelste Gesundheitssystem. Der hohe Anteil der US-Bevölkerung, der aus Kostengründen nicht krankenversichert ist, der wegen der kaum existierenden und qualitativ schlechten staatlichen Gesundheitsvorsorge an unbehandelten Vorerkrankungen leidet und sich armutsbedingt schlecht ernährt, dürfte eine Teilweise Erklärung dafür sein, dass die US-Bevölkerung besonders stark von Covid-19 heimgesucht wird.

Aber für diese alles andere als wünschenswerte Sonderstellung gibt es noch viele andere Gründe und Verhaltensweisen, die in Bezug auf die Virusbekämpfung das totale Gegenteil zum Erfolgsmodell Vietnam sind. Da wären u.a., dass in den USA:

  1. nicht nach einem strategischen Pandemieplan gehandelt wurde und wird.
  2. die verantwortlichen Behörden lange, viel zu lange untätig geblieben sind.
  3. die Bundesbehörden sich mit den Landesbehörden endlos über Zuständigkeiten gestritten haben und immer noch streiten.
  4. die bis aufs Blut ausgefochtenen, partei-politischen Streitigkeiten zwischen Demokraten und Republikanern nicht nur den US-Kongress lähmen sondern auch die Zusammenarbeit zwischen der Trump-Administration und dem Repräsentantenhaus erschweren. Zudem wird auch die Kooperation zwischen der Trump-Administration und denjenigen Bundesländern, die von „Demokraten“ regiert werden, oft blockiert.
  5.  Die sehr heterogenen Bevölkerungsgruppen politisch extrem polarisiert sind und daher nur schwer oder überhaupt nicht von der Dringlichkeit der Einhaltung der Quarantänemaßnahmen überzeugt werden können. Das hat wiederum eine Reihe von Gründen:

Anders als bei Banken und Großkonzernen ist Washington daher bei der Verteilung staatlicher Hilfen an die von Corona besonders betroffenen Familien der Unter- und Mittelschicht sehr viel selektiver und weitaus weniger großzügig. Kein Wunder, dass jetzt bei ganzen Bevölkerungsgruppen zunehmend die Nerven blank liegen. Zumal seit Beginn der Corona-Krise über 26 Millionen Amerikaner von einem Tag auf den anderen ihren Job verloren haben.

Seit Mitte April hat sich der wachsende Unmut in der US-Gesellschaft zunehmend durch öffentlich Proteste unter demonstrativer Missachtung der staatlichen Lock-Down und Quarantänemaßnahmen bemerkbar gemacht. Immer öfter waren die Demonstrationen vor den Behörden oder Regierungssitzen der Bundesländer von schwer bewaffneten Bürger-Milizionären begleitet, die dann den Einheiten der Polizei und/oder der Nationalgarde, die zum Schutz der öffentlichen Gebäude angerückt sind, Auge in Auge gegenüberstehen.

Aus Sorge vor einer Initialzündung, die schnell zu einer Explosion des bewaffneten, zivilen Aufruhrs in den USA führen könnte, hatten Polizei und Militär bisher nicht den Auftrag, die nicht erlaubten Demonstrationen zur Beendigung der Quarantäne mit Gewalt aufzulösen. Dabei dürfte auch die zusätzliche Sorge mitschwingen, dass es im Ernstfall zu einer Fraternisierung zwischen den bewaffneten Demonstranten und Polizisten und Nationalgardisten, die in den jeweiligen Bundesländern zu Hause sind, kommen könnte.

Dass diese Sorge nicht von der Hand zu weisen ist, zeigt ein bemerkenswerter Vorfall, der sich am 1. Mai vor dem Kapitol in Sacramento, (dem Sitz der Landesregierung von Kalifornien) zugetragen hat. Neben San Francisco und anderen Städten hatten sich Medienberichten zufolge an diesem Freitag auch in Sacramento Tausende von Demonstranten versammelt, um massiv gegen die hyper-restriktiven Corona-Restriktionen des demokratischen Gouverneurs Gavin Newsom zu protestieren.

Den Demonstranten gegenüber stand eine Hundertschaft von Polizisten, die in ihrer schwarzen Straßenschlacht-Montur wie furchteinflößende Roboter aussahen. In mehreren Reihen tief gestaffelt und Knüppel schwingend blockierten sie der friedlichen, aber chaotischen Demonstrationsmenge aus Plakaten schwingenden Männern, Frauen und Kindern den Weg zum Kapitol. Als es weder vor- noch rückwärts ging, schien sich die Lage zuzuspitzen. Das war der Moment, als der ehemalige US-Soldat der Marines, Cordie Lee Williams, ein Megafon ergriff und die kalifornische Staatspolizei aufforderte, „zu entspannen und abzuziehen“.

„Im Angesicht der Tyrannei, im Angesicht der Freiheit, werdet ihr in eurer Aufstandsbekämpfungsausrüstung weiter gegen friedliche Demonstranten stehen?“, fragte Williams. „Oder werdet ihr sagen: ‚Weißt du was, es ist Zeit, dass ich mich für mein Land einsetze. Weil ich einen Amtseid abgelegt und gesagt habe: „Ich werde mein Land gegen alle Feinde verteidigen, egal ob aus dem In- oder Ausland.“

Williams fuhr fort: „Ihr könntet euren Job verlieren, aber ich würde lieber meinen Job verlieren als meine Seele“.

„Was willst du heute Abend deinem kleinen Jungen oder deinem kleinen Mädchen erzählen? Dass du deinen Schlagstock genommen hast und einer Person den Schädel eingeschlagen hast, die eine Mutter war? Ist es das, was ein harter Kerl tut? Das ist nicht das, was im Marine Corps Ehre, Mut und Einsatz bedeutet.“

Williams stellte dann direkt die Integrität der Befehlshaber in Frage: „Im Militär haben wir sowas wie einen ‚rechtmäßigen Befehl‘. Und wenn Du einen Befehl erhältst, dann musst Du überprüfen, ob dieser Befehl ein rechtmäßiger Befehl ist oder ein Scheiß-Befehl?‘

„Wenn es ein Scheiß-Befehl ist und er den Schnüffeltest nicht besteht, dann sagst du ‚Sergeant‘, dann sagst du ‚Oberst‘, dann sagst du ‚General‘, dann sagst du: ‚Gouverneur, das tue ich nicht. Für sowas habe ich nicht meinen Arbeitsvertrag unterschrieben.“ In diesem Stil sprach Williams noch einige weitere, versöhnliche Punkte. Unmittelbar nachdem er seine Rede beendet hatte, zogen sich die ersten Polizisten bereits zurück. Weitere folgten. Und innerhalb von zwei bis drei Minuten waren sie alle unter dem Applaus der Demonstranten abgezogen. Das dürfte etlichen Leuten in den oberen Etagen des Oligarchen- Regimes USA einen kalten Schauer über den Rücken gejagt haben.

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