Seine Exzellenz
Herrn Wladimir Putin
Präsident der Russischen Föderation
Sehr geehrter Herr Präsident!
In Ihrer Rede vor der Staatsduma baten Sie um
Verständnis bei den Deutschen. Wir sind
deutsche Staatsbürger, die die Nachkriegszeit mehrheitlich in der Westhälfte
Deutschlands erlebt haben. Als der Kalte Krieg 1990 beendet und unser Land
vereinigt wurde, ging ein Aufatmen durch die Welt, weil die stets drohende
Gefahr einer nuklearen militärischen Auseinandersetzung gebannt schien, die den
gesamten Globus in Mitleidenschaft gezogen hätte. Deutschland wäre ausgelöscht
worden.
Den entscheidenden Beitrag zur Befreiung
Europas vom Nationalsozialismus hat, unter unvergleichlichen Opfern, die
Sowjetunion geleistet. Gleichwohl war sie 1990 bereit, die deutsche
Wiedervereinigung zu unterstützen, 1991 die Warschauer Vertragsgemeinschaft
aufzulösen und die NATO-Mitgliedschaft Gesamtdeutschlands zu akzeptieren. Dies
wurde vom Westen nicht honoriert. Der damalige Botschafter der USA in Moskau
(1987 bis 1991), Jack Matlock, hat vor wenigen Tagen in der Washington Post
bestätigt, dass Präsident Bush zugesagt hatte, die Großzügigkeit Präsident
Gorbatschows nicht auszunutzen. Die Ausdehnung der NATO bis in ehemalige
Sowjetrepubliken, die Errichtung von Militärstützpunkten in ehemaligen
Warschauer Vertragsstaaten und der Aufbau eines Raketenabwehrschirms in
Osteuropa bei gleichzeitiger Kündigung des ABM-Vertrages seitens der USA sind
nicht nur eklatante Wortbrüche. Diese Maßnahmen können auch von uns nur als
Machtprojektion der westlichen Führungsmacht verstanden werden, die gegen die
von Ihnen betriebene staatliche und ökonomische Konsolidierung Ihres Landes nach
Ihrem Amtsantritt im Jahr 2000 gerichtet sind. Keir A. Lieber und Daryl G.
Press haben 2006 darüber hinaus in „Foreign Affairs“ mit ihrem Artikel „The
Rise of U.S. Nuclear Primacy” überzeugend dargelegt, dass der
Raketenabwehrschirm einen nuklearen Erstschlag zur nuklearen Neutralisierung
Russlands ermöglichen soll. Diese Vorgeschichte in geraffter Form bildet den
Hintergrund ab, vor dem wir die Ereignisse in der Ukraine seit November 2013
beurteilen. Inzwischen ist vielfach dokumentiert, dass die USA die berechtigten
Proteste der ukrainischen Bevölkerung für ihre Zwecke instrumentalisiert haben.
Das Muster ist aus anderen Ländern bekannt: Serbien, Georgien, Ukraine 2004,
Ägypten, Syrien, Libyen. Auch die Störfaktoren Europäische Union und OSZE
wurden, postwendend, innerhalb von zwölf Stunden nach dem von den
Außenministern des Weimarer Dreiecks ausgehandelten friedlichen Machtwechsel
unter Zuhilfenahme faschistischer Kräfte ausgeschaltet. Wer hinter der jetzigen
Putschregierung in Kiew steht, zeigen die Partner auf der Website der Open
Ukraine Foundation des amtierenden Ministerpräsidenten. Die inner- und
völkerrechtlichen Fragen zur Sezession der Krim werden unterschiedlich beantwortet.
Wir sind keine Fachjuristen und können die Vorgänge nur politisch bewerten und
einordnen. Vor dem Hintergrund der Entwicklung in Europa seit 1990, der Dislozierung
der rund 1000 US-Militärbasen weltweit, der Kontrolle der Meerengen durch die
USA und der von den Gewalttätern des Majdan ausgehenden Gefahr für die
russische Schwarzmeerflotte sehen wir die Sezession der Krim als eine defensive
Maßnahme mit einer gleichzeitigen Botschaft: bis hierher und nicht weiter! Der
entscheidende Unterschied zur Unabhängigkeitserklärung des Kosovo ist, dass
hierfür mit dem völkerrechtswidrigen Luftkrieg der NATO – leider mit
Beteiligung Deutschlands – erst die Voraussetzung geschaffen wurde.
Sehr geehrter Herr
Präsident, Sie haben bereits vor knapp vier Jahren für eine Wirtschaftsgemeinschaft
von Lissabon bis Wladiwostok geworben. Sie wäre die ökonomische
Basis für das „Gemeinsame Haus Europa“. Die Ukraine könnte eine ideale
Brückenfunktion für die künftige Kooperation zwischen der von Ihnen
angestrebten Eurasischen Union und der Europäischen Union einnehmen, nicht
zuletzt in kultureller Hinsicht. Wir sind überzeugt, dass die massive
Einflussnahme der USA das Ziel hatte, diese Brückenfunktion auszuschalten. In
der EU-Kommission haben sich diejenigen Kräfte durchgesetzt, die die Politik
der USA gegen Russland unterstützen. Die Rede des Geschäftsführenden
Generalsekretärs des Europäischen Auswärtigen Dienstes, Pierre Vimont, am 14.
März dieses Jahres ist insofern eindeutig (EurActiv: „EU shunned from US-Russia
meeting on Ukraine“).
Sehr geehrter Herr
Präsident, wir bauen darauf, dass Ihre historische Rede im Jahr 2001 im
Deutschen Bundestag auch künftig die Grundlage für Ihr Handeln gegenüber der EU
und Deutschland bilden wird. Die aktuellen Umfragen
zeigen, dass die Mehrheit der Deutschen keine Konfrontation mit der Russischen
Föderation wünscht und Verständnis für die russische Reaktion auf die
Ereignisse in der Ukraine aufbringt. Wir verkennen nicht die Schwierigkeiten,
denen die deutsche Politik als Mitglied der EU und der NATO in Bezug auf
Russland ausgesetzt ist, sie sind auch Ihnen bekannt. Zumindest erwarten wir
jedoch, dass die Bundesregierung nach dem alten Römischen Rechtsgrundsatz audiatur
et altera pars handelt. Dies wurde im Zusammenhang mit der Nachbarschaftspolitik
der EU im Fall der Ukraine unterlassen.
Russland hat seine im
Zweiten Weltkrieg zu Tode gekommenen 27 Millionen Menschen selbst im Kalten
Krieg nicht gegen Deutschland politisch instrumentalisiert. Diese innere Größe allein verdiente eine andere Qualität in den
Beziehungen zwischen unseren Ländern. Die Menschen in Deutschland haben hierfür
ein feines Gespür: als sich 1994 die „Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in
Deutschland“ mit einem Auftritt ihres Musikkorps auf dem Platz vor der
Bundeskunsthalle in Bonn aus Deutschland verabschiedete, spielten sich bewegende
Szenen zwischen den zahlreichen Zuschauern und den Musikern ab. In diesem
Zusammenhang fällt uns zu der aktuellen Berichterstattung und Kommentierung der
deutschen Medien nur ein treffendes Adjektiv in englischer Sprache ein:
disgusting.
Sehr geehrter Herr
Präsident, mit unseren bescheidenen Mitteln als einfache Staatsbürger werden
wir dazu beitragen, dass die beabsichtigte Spaltung Europas nicht gelingt,
sondern die Ideen von Gottfried Wilhelm Leibniz zu neuem Leben erweckt werden. Wir sind überzeugt: nur wenn die Staaten und Völker des eurasischen
Doppelkontinents ihre Angelegenheiten miteinander friedlich, respektvoll,
kooperativ, auf der Grundlage des Rechtes und ohne Einmischung von außen
regeln, wird dies auch auf die übrige Welt ausstrahlen. Wir verstehen Sie in
diesem Sinn als Verbündeten. Für Ihre
jetzige, und hoffentlich auch die nächste Amtsperiode wünschen wir Ihnen Kraft,
Stehvermögen, Klugheit und Geschick.
Mit
vorzüglicher Hochachtung
Jochen
Scholz, Oberstleutnant a.D.
Volker
Bräutigam, Journalist
Wolf
Gauer, Filmemacher/Journalist
Andreas
Hauß, Historiker, Publizist
Regine
Naeckel, Redakteurin
Dr.
Ludwig Watzal, Journalist und Redakteur, Bonn
Stefan
Siegert, Zeichner, Autor
Peter
Kleinert, Journalist, Dokumentarfilmer, Herausgeber der Neue Rheinische Zeitung
Günter
Schupp, Rentner
Ulrich
Sander, Journalist, Bundessprecher der Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes/Bund der Antifaschisten
Evelyn
Hecht-Galinski, Publizistin und Autorin
Benjamin
Hecht
Peter
Lommes, Immobilienkfm.
Wilfried
Rühe, Rentner, Hauptmann a.D. der NVA, Vorsitzender der Gemeinschaft der
13er e.V.
Claudia
Karas, Verwaltungsangestellte, Friedensaktivistin
Peter
M. Richter, Jurist
Antje
Richter, Diplombibliothekarin
Tilo
Schönberg, Herausgeber des Informationsportals 0815-info.com
Hartmut
Barth-Engelbart, Schriftsteller, Kabarettist, Liedermacher, Historiker
Günter
Schenk, membre du Collectif Judéo Arabe et Citoyen pour la Palestine,
Strasbourg
Wolfgang
Jung, Herausgeber der LUFTPOST
Ulrich
Gellermann, Herausgeber der Rationalgalerie
Tim
Bräutigam, Kundenbetreuer
Rainer
Rupp, Journalist
Winfried
Belz, Dipl.-Theologe, Klinikseelsorger i.R.
Friedrich
Gentzsch, Dipl.-Ing. Architekt
Birgit
Gentzsch, Lehrerin i.R GEW
Harri
Grünberg, Vorsitzender des Netzwerkes Cuba, Mitglied des Bundesausschusses der
Partei Die Linke
Dr.
Werner Bollendorf, Historiker, selbst.Kaufmann i.R.
Thomas
Immanuel Steinberg, Rentner
Fritz
Reichert, Physiker
Dr.
Manfred Lotze, Arzt
Annette
Klepzig, MTA im Ruhestand, Mitglied bei Pax Christi
Dr.
Dieter Weber, Historiker und Archivar
Dr.
med. Jens Wagner, Assistenzarzt, IPPNW
Johannes
Klier, Musiker
Ingrid
Hacker-Klier, Übersetzerin
Norbert
Bragoner, Rentner
Dr.
Albrecht Jebens
Samy
Yildirim, Dipl. Phys.
Paria
Pauli, Kunsthandwerkerin
Kurt
Wirth, Dipl.-Kfm./Rentner,
Elisabeth Woeckel,
Theologin, Dozentin i. Brasilien, Syrien, Sri Lanka, i. R.
Dr.
Dirk-M. Harmsen, Physiker, Leitungskreis Forum Friedensethik (FFE) in der
Evangelischen Landeskirche in Baden
Flora
Erler, Rentnerin
Irma Dillmann, Rentnerin
Jürgen
Rose, Oberstleutnant a. D., Vorstandsmitglied des Arbeitskreises Darmstädter
Signal
Karl-Heinz
Walloch, Dokumentarfilmer
René
Pauli, Polizeibeamter
Esther
Thomsen, Diplom-Theologin
Prof.
Dr. Werner Ruf, Jurist
Brigitte
Queck, Dipl. Staatswissenschaftlerin Außenpolitik u.viele andere