Wird Deutschland von den USA an die Front gedrängt?
US-Gesetzentwurf sieht enge US-deutsche
«Kooperation» in der Konfrontation mit
Russland vor
von Karl Müller in Zeitfragen August 2014
Dem ehemaligen hohen US-amerikanischen
Regierungsbeamten und heutigen Publizisten Paul Craig Roberts haben wir es zu
verdanken, von einem Gesetzentwurf von 22 US-Senatoren – also fast der Hälfte
aller Senatsmitglieder – Kenntnis erhalten zu haben.1
Der Gesetzentwurf hat den die Tatsachen auf den
Kopf stellenden Titel «To prevent further Russian aggression toward Ukraine and
other sovereign states in Europe and Eurasia, and for other purposes» («Zur
Verhinderung weiterer russischer Angriffe auf die Ukraine und andere souveräne
Staaten in Europa und Eurasien und für andere Zwecke») und ist nachzulesen
unter https://beta.congress.gov/113/bills/s2277/BILLS-113s2277is.pdf. Paul Craig Roberts schreibt dazu:
«Die Existenz dieser ‹russischen Aggression› wird
nur behauptet, aber nicht nachgewiesen. Es gibt weder (russische)
Positionspapiere noch Dokumente, aus denen sich ein wie immer gearteter Expansionsdrang
Russlands ablesen liesse.»
Besonders interessant an diesem Gesetzentwurf (siehe Kasten) ist, dass eine
enge «Kooperation» mit Deutschland festgeschrieben werden soll. Die Bürger
Deutschlands wurden dazu bislang nicht befragt. Wer in der deutschen Regierung
und der deutschen Politik davon etwas weiss, ist bislang nicht bekannt.
Der Gesetzentwurf sieht eine stärkere Stellung der
US-Streitkräfte in Europa und Eurasien vor. Die Basen der Raketenabwehr an
Russlands Grenzen, welche die strategischen russischen Raketen abfangen soll,
sollen beschleunigt errichtet werden. Mehr Geld soll für die Aufrüstung Polens
und der baltischen Staaten ausgegeben werden. Milliarden von Dollars sollen in
NGO in Russland gepumpt werden, um Russland auf die gleiche Art und Weise wie
die Ukraine zu destabilisieren. Die Streitkräfte und Geheimdienste der Ukraine
sollen massiv ausgebaut werden, und die Ukraine, Georgien und Moldawien sollen
in die Nato aufgenommen werden. Durch die Ausweitung von US-Gasexporten nach Europa
soll der bisherige Import von russischem Erdgas weitgehend ersetzt und eine
Abhängigkeit vom US-Gas geschaffen werden.
«Kooperation» mit Deutschland bedeutet de facto,
dass Deutschlands Politik gegen Russland den US-amerikanischen Vorgaben folgen
soll. Ging Zbigniew Brzezinski in seinem Ende der neunziger Jahre geschriebenen
Buch «Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Vorherrschaft» noch davon
aus, Frankreich und Deutschland gemeinsam seien die europäischen
Kontinentalmächte, die für die US-amerikanische Vorherrschaft auf dem
eurasischen Festland am wichtigsten sind,2 und dass sich von Frankreich und
Deutschland aus ein Keil über Polen und die Ukraine bis an Russlands Grenzen
bilden lasse,3 so konzentriert man sich nun in Washington offenbar ganz auf
Deutschland!
Nach Lage der Dinge nicht, weil man Deutschland in
Washington besonders schätzt (siehe NSA-Aktivitäten, von denen Deutschland ganz
besonders betroffen ist), sondern als geschickter Schachzug:
• Deutschland gilt in Washington als «unsicherer Kantonist»,
der wieder stärker eingebunden werden muss.
• Deutschland hat bislang gute Beziehungen zu Russland
gehabt, die jetzt zerstört werden sollen.
• Es kümmert in Washington auch heute noch kaum einen etwas,
wenn Deutschland den höchsten Preis für die Konfrontation mit Russland zahlen
muss.
Wie schon einmal in der
Geschichte?
Als Historiker hat man gelernt, dass sich
Geschichte nicht wiederholt. Nichtsdestoweniger fallen Analogien auf. Heute ist
es wissenschaftlich belegt, dass Kreise aus den USA Hitler-Deutschland mit
aufgebaut haben, vor allem, um dieses Hitler-Deutschland gegen die Sowjetunion
in den Krieg ziehen zu lassen4 und dadurch sogleich die kommunistische Sowjetunion
und das noch immer zu mächtige und unberechenbar wirkende Deutschland
auszuschalten.
Heute werden die nach wie vor ungebrochenen
US-amerikanischen Weltmachtgelüste durch eine Reihe einflussreicher deutscher
Politiker wie den Bundespräsidenten Joachim Gauck rhetorisch verbrämt in die
Öffentlichkeit transportiert.
Aber nach wie vor will die grosse Mehrheit der
Deutschen das nicht. Ein Blick nach Deutschland (siehe Artikel auf Seite 7)
zeigt, dass die Menschen ganz woanders der Schuh drückt. Und dass es die
Verantwortung und die Pflicht der politischen Klasse wäre, hierfür nach sozial
gerechten und demokratischen Lösungen zu suchen. Das eigene Land statt dessen
in eine Konfrontation für fremde Interessen und mit unabsehbarem Ausgang zu
treiben, ist ein politisch krimineller Akt. •
1 Original vom 24.7.2014: www.paulcraigroberts.org/2014/07/24/washington-escalating-orchestrated-ukrainian-crisis-war-paul-craig-roberts/; Deutsche Übersetzung durch «Luftpost.
Friedenspolitische Mitteilungen aus der US-Militärregion
Kaiserslautern/Ramstein» vom 5.8.2014 (http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_13/LP11714_050814.pdf)
2 Zbigniew Brezinski. Die einzige Weltmacht. Amerikas
Strategie der Vorherrschaft, 1999, dort insbesondere das Kapitel «Der
demokratische Brückenkopf», Seite 89ff
3 ebenda, Karte auf Seite 128
4 Als einer der ersten hatte der britische Historiker Antony
C. Sutton 1976 in seinem Buch «Wall Street und the Rise of Hitler» (in
deutscher Übersetzung mit dem Titel «Wallstreet und der Aufstieg Hitlers», erst
2008 erschienen) Belege für diese These vorgelegt. Es folgten deutschsprachige
Bücher wie die von Walter Hofer und Herbert R. Reginbogin im Jahr 2001,
«Hitler, der Westen und die Schweiz 1936–1945», von Eva Schweizer im Jahr 2004,
«Amerika und der Holocaust. Die verschwiegene Geschichte», oder von Guido
Giacomo Preparata im Jahr 2010, «Wer Hitler mächtig machte. Wie
britisch-amerikanische Finanzeliten dem Dritten Reich den Weg bereiteten».
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Auszug aus dem Gesetzentwurf
S. 2277, Seite 13, Section 105
105. Verstärkte Kooperation zwischen den USA und
Deutschland in Fragen der globalen und der Europäischen Sicherheit
(a) Politik – Es ist die Politik der US-Regierung, eng mit der Regierung der
Bundesrepublik Deutschland in allen Problemen der globalen und der europäischen
Sicherheit zusammenzuarbeiten, besonders im Hinblick auf die aktuellen
Ereignisse in Europa und Eurasien.
(b) Einrichtung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe der USA und Deutschlands zur
globalen und Europäischen Sicherheit – Der Präsident soll eine gemeinsame
Arbeitsgruppe der USA und Deutschlands zu Sicherheitsfragen einberufen, die
sich um gemeinsame Belange kümmert, zum Beispiel um die Entwicklung in der
Ukraine, und die politische, wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit
beider Staaten verbessert – einschliesslich des Informationsaustausches
zwischen den Geheimdiensten beider Staaten.
(c) Regelmässige Treffen – Die unter (b) beschriebene Arbeitsgruppe soll sich
regelmässig treffen: auf Ministerebene und darüber jährlich, auf
Staatssekretärsebene und darüber halbjährlich und auf Ebene der Abteilungsleiter
und darüber vierteljährlich.
(d) Genehmigung von Finanzmitteln – Der (US-)Aussenminister erhält von 2015 bis
2017 in jedem Haushaltsjahr 5 000 000 Dollar, die für die unter (b) und (c)
aufgeführten Aktivitäten zu verwenden sind.
(e) Berichtspflicht – Nicht später als 180 Tage nach dem Inkrafttreten dieses
Gesetzes und danach jährlich soll der Präsident den zuständigen
Kongressausschüssen einen Bericht über die Treffen der Arbeitsgruppen zu den
unter (b) genannten Themen vorlegen, der neben einer Darstellung der von der
jeweiligen Arbeitsgruppe diskutierten Themen und gefassten Beschlüsse auch alle
Bemühungen enthalten soll, die unternommen wurden, um die Beziehungen zwischen
der Regierung der USA und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland zu
verbessern, auszuweiten und zu vertiefen.
Quelle: http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_13/LP11714_050814.pdf
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