Gideon Levy, 22.4.13
http://www.miftah.org
Als Adam
Habib sich als Student in der Universität von Witwatersrand einschreiben
wollte, benötigte er eine Regierungsgenehmigung: Habib ist „farbig“ und die
Jo’burger Universität war weiß. Das war
vor 30 Jahren. Im nächsten Monat wird Prof. Habib seinen neuen Job beginnen:
Vertreter des Rektors der Universität, die ihn als Student fast nicht
aufgenommen hätte. Die Stellung entspricht einem Universitätspräsidenten in
Israel. Habibs Alma Mater ist jetzt eine der zwei besten Universitäten
Südafrikas (SA). Die Mehrheit ihrer Studenten ist schwarz und ihr Rektor ist
farbig. Nur 30 Jahre sind vergangen.
Nur 30 Jahre
vergingen, seitdem Roelf Meyer als stellvertretender Justizminister im
Apartheidregime als
Verteidigungsminister und als Minister für Verfassungsangelegenheiten diente. Im nächsten Monat wird Meyer der südafrikanischen
Regierung einen Rückblick der nationalen Verteidigung vorlegen. Der Mann, der Nelson Mandelas ANC bekämpfte, die er als Terrororganisation
ansah und der ihre Aktivisten verhaftete, wurde Verteidigungsberater der
Regierung, der der ANC vorsteht. In der Zwischenzeit sagte er auch in der „Wahrheits-
und Versöhnungskommission“ über seine
Rolle während des Apartheitsregimes aus.
Diese beiden
bemerkenswerten Persönlichkeiten, Habib
und Meyer, sind das Gesicht des neuen SA. Ihre
Geschichte wie die ihres Landes gehört zu den erstaunlichsten in der modernen Geschichte. Ein
Besuch in SA, hat nicht wenige Herausforderungen und ernste Probleme wie
Arbeitslosigkeit, Verbrechen, ein fehlgeschlagenes Bildungssystem und gehört zu
den Ländern mit größter wirtschaftlicher Ungleichheit. Doch weckt es Gefühle
der Bewunderung und des Neides.
Das Wunder
von SA könnte einem anderen modernen Wunder eine sinnvolle Lektion erteilen,
dem von Israel. Dieses wurde im selben Jahr wie die Apartheid geboren, man sehe sich aber Israel an, wo es sich
heute befindet, bezüglich Moral und Gerechtigkeit und wo sich SA diesbezüglich
befindet. Lassen wir für einen Moment den zunehmenden Vergleich zwischen
Apartheid und dem israelischen Besatzungsregime beiseite und studieren stattdessen die Lektionen des neuen SA. Hätte
Israel (und auch die Palästinenser) so
gehandelt wie SA, dann hätten wir heute ein anderes Israel. SA beweist wider Erwarten,
dass es möglich ist; gibt es etwas Hoffnungsvolleres als dies?
Das SA
Wunder, der Sturz eines üblen Regimes zugunsten eines gerechten Regimes durch
einen überwältigenden Versöhnungsprozess, muss in Israel gelernt werden. Statt
gegen Pretorias‘ Entscheidung, die
Produkte der Siedlungen zu kennzeichnen und Israels Universitäten zu
boykottieren, würde es viel besser sein, Studiengruppen aus Israel nach SA zu
schicken. Liebe Südafrikaner, Schwarze,
Weiße oder Farbige lehrt uns, wie der Feind von gestern zum Partner von heute
wird. Wie vertreibt man die Angst, löscht den Hass, sühnt die Ungerechtigkeit
und schafft neue Gerechtigkeit?
Die Liste
der Lektionen ist lang. Als Meyer zuerst in das Apartheid-Parlament gewählt
wurde, schaute er sich um und hatte das Gefühl, dass da etwas nicht stimmt.
„Plötzlich hatte ich das Gefühl, dass ich nicht meine Nation vertrete,“
erzählte er an diesem Wochenende auf der früheren Afrikaans Farm am Rande von
Pretoria, wo er fleißig an seinem Rückblick arbeitet. Wie viele neue
Knesset-Mitglieder haben sich schon umgeschaut und das Gefühl gehabt, dass
etwas nicht stimmt, dass Millionen von Menschen nicht vertreten sind?
Er fährt mit
eindrucksvollen Zahlen von Weißen fort , einschließlich der nicht kleinen Anzahl
von Juden; die den Kampf der Schwarzen aufnahmen: MP Ben Turok, der jüdisch
ist, verbrachte Jahre im Gefängnis und zog als Exilierter ins Ausland; der
Richter Albie Sachs, ein anderer Jude, verlor einen Arm und ein Auge bei einem
Anschlag auf sein Leben; auch er ging ins Exil ins Ausland. Genau wie sie
zahlten Ronnie Kasrils, Helen Suzman und viele andere einen hohen persönlichen
Preis im Kampf um die Gerechtigkeit für die anderen – nicht für sich selbst. Wo
sind ihre israelischen Gegenüber?
Die
Hauptlektion für Israel liegt im
entscheidenden Moment für SA, als langsam erkannt wurde, dass sich Apartheid nicht
weiter verbreiten darf: die Armee, die Wirtschaft, die Sanktionen, die Isolierung
sagten, es ist genug. Und als erst einmal klar wurde, war es ein kurzer Weg.
Wäre sich Israel seiner Situation bewusster, dann würde Israel an derselben
Stelle sein und sagen: Wir können so nicht weitermachen. Die südafrikanischen Schwarzen hatten Nelson
Mandela und die Palästinenser haben Mahmoud Abbas; die südafrikanischen Weißen
hatten F.W. de Klerk und wir haben Benjamin Netanjahu. Trotz allem sieh nach SA
und schau, was wir hier haben könnten.
(dt. Ellen
Rohlfs)