Venezuelas Präsident Maduro zum versuchten
Regimechange
„Als wären die Amerikaner hier Herr im Haus“
Schwer
bewaffnete Söldner sollten Nicolás Maduro in Caracas
stürzen. Hinter dem Angriff stecke Washington, erklärt der venezolanische
Präsident. Seine Kräfte haben den Anschlag vereitelt, aber die USA sind reich
an Erfahrung, was Geheimeinsätze und organisierte Revolten gegen rechtmäßige
Regierungen in Lateinamerika angeht.
Das
Mordkommando kam mit
Schnellbooten nach
Venezuela, in Gruppen von je 40 Mann. Die Söldner sollten in La Guaira, 30 Kilometer nördlich von Caracas, an Land gehen,
den Hauptstadtflughafen einnehmen und ihn halten, bis Nicolás Maduro in die USA entführt würde. Aber die
Regierungstruppen haben den Angriff abgewehrt und mehr als 30 Männer wegen
Grenzverletzung festgenommen. Acht Guerillas wurden bei dem Einsatz erschossen.
Umsturz nach Hollywood-Drehbuch: Was führen die USA in Venezuela eigentlich
im Schilde?
Die meisten
Inhaftierten sind Kolumbianer, aber es sind auch zwei Amerikaner dabei:
Mitarbeiter der Söldnerfirma Silvercorp. Das hat der
Chef der Firma, der ehemalige Spezialsoldat Jordan Goudreau,
bestätigt. Der Auftrag der gescheiterten Mission war der Sturz des Präsidenten,
hat der Söldnerchef eingeräumt. Goudreau wird in
Venezuela per Haftbefehl gesucht – wie auch mehr als zwanzig weitere
Hintermänner des vereitelten Anschlags, darunter zwei Mitarbeiter aus dem
Beraterstab des selbsternannten Staatschefs Juan Guaidó.
Dass der
Rebellenführer die Söldneraktion angestiftet hat, schreibt sogar die
„Washington Post“: Die venezolanische von Guaidó
geführte Opposition habe im Oktober letzten Jahres die Privatarmee von Silvercorp für 213 Millionen Dollar damit beauftragt, eine
Invasion in Venezuela zu organisieren und Maduro zu
stürzen. Die USA erkennen den amtierenden Präsidenten nicht an, sondern den
selbsternannten Interimsmachthaber Guaidó.
Was in Venezuela
läuft, weiß der ehemalige Präsident von Honduras Manuel Zelaya aus eigener
Erfahrung zu berichten. Den Putsch in seinem Land von 2009 hat er noch gut in
Erinnerung:
„Die amerikanischen Geheimdienste
haben sich direkt eingemischt, um mittels internationaler Firmen ihren Einfluss
zu stärken und die Kontrolle zu ergreifen über den Staat und seine Ressourcen“,
sagte Zelaya im Sputnik-Gespräch. „Dasselbe in Venezuela: Es ändert sich gar
nichts. Das ist die hegemoniale Macht des Kapitalismus und sein Diktat, das die
USA gar nicht anders aufrechterhalten können als durch Gewalt und
Kriegsdrohungen.“
Washingtons „Backyard“
Der
gescheiterte Überfall auf Präsident Maduro wirft
abermals ein Schlaglicht auf die Strategie der Vereinigten Staaten in Lateinamerika. Die USA halten
alle Länder südlich ihrer Grenzen für ihren rechtmäßigen Hinterhof, erklärt der
venezolanische Politiker und Abgeordnete der Sozialistischen Partei Ángel Luis
Rodríguez Gamboa im Sputnik-Gespräch: „Einmarsch und
Gewaltstreich sind für die Amerikaner seit dem vergangenen Jahrhundert ganz
normal“, sagt er. „Dominikanische Republik, Kuba, Nicaragua, der Putsch in
Paraguay und Honduras. Wo eine Kraft an die Macht kommt, die dem Weißen Haus
missfällt, da mischt sich der Nachbar aus dem Norden ein, damit können Sie
rechnen. Zum militärischen Druck kommen heute die US-kontrollierten Politiker
in den jeweiligen Ländern hinzu.“
Südamerika
ist reich an Bodenschätzen – und deshalb für Washington so attraktiv. 14
Prozent aller seltenen Erden lagern in den Ländern südlich der USA. Bolivien
beispielsweise ist bei Lithiumvorkommen weltweit führend.
„Das ist der Zusammenhang, in den
auch der Sturz von Präsident Evo Morales einzuordnen
ist“, sagt der Parlamentarier Gamboa weiter. „Nicht
anders war es in Brasilien und Ecuador. Die Anführer dieser Länder hatten das
Bestreben nach Unabhängigkeit von Washington, nach eigenständiger
internationaler Politik. Die strategische Bedeutung Lateinamerikas darf man
auch nicht aus dem Blick verlieren. Daher kommt die Härte der USA bei jedem
noch so kleinen Anzeichen einer Annäherung der lateinamerikanischen Länder an
andere Mächte der Welt.“
Wenn es um
strategisch wichtige Gebiete geht, kennen die USA offensichtlich keine Skrupel.
Im Dezember 1989 fielen die Vereinigten Staaten in Panama ein: Um angeblich
ihre Bürger zu schützen und die Demokratie wiederherzustellen. Dass es darum
ging, die Kontrolle über den Panamakanal zu erhalten, konnte diese offizielle
Erklärung nicht verschleiern.
Panzerwagen
der US-Armee auf den Straßen von Panama, 21. Dezember 1989
Der damalige
Präsident Manuel Noriega war zwar „unser Mann“, wie die CIA sagen
würde, und hatte auch auf Washingtons Geheiß „Reformen“ im Land
initiiert. Aber er wollte auch soziale Missstände (maßgeblich verursacht durch
umgesetzte Empfehlungen des Internationalen Währungsfonds) im eigenen Land
bekämpfen. Den Vereinigten Staaten missfiel das.
Panama wurde
alle finanzielle und militärische Hilfe entzogen, gegen Noriega wurde ein
Medienkrieg angefacht: Der Präsident wurde des Drogenhandels beschuldigt und
aufgefordert, das Land zu verlassen. Am Ende kamen mehr als 25.000 Soldaten mit
Panzern und Artillerie. Kampfjets flogen Angriffe gegen Großstädte, die
Flughäfen wurden besetzt, ebenso die Funk- und Fernsehsender. Binnen einer
Woche wurde das Land komplett besetzt, der Präsident entmachtet und zu 30
Jahren Haft verurteilt. Auf einem Stützpunkt des US-Militärs wurde der
Washington-freundliche Guillermo Endara als Staatschef eingesetzt.
Brände in
Panama nach Straßenkämpfen während US-Invasion, 21. Dezember 1989
Die
Amerikaner haben immer jemanden, auf den sie sich bei einem Putsch und
Waffeneinsatz in den Ländern Lateinamerikas verlassen können, sagt der Energie-
und Geopolitikexperte Carlos Andrés Ortiz: „Dass die Macht in den Händen einer
sehr kleinen Gruppe konzentriert ist, die die Kontrolle über alle Ressourcen
behält, passt den USA sehr gut.“ Die „Backyard“-Strategie ist eine Art feudales Staatsmodell, entstanden noch
in der kolonialen Vergangenheit Amerikas, sagt der Analyst. „Dieses Denken ist
unter den Eliten Lateinamerikas weitverbreitet, vor allem bei den Militärs.“