"Ukrainische
Ordnung": Nationale Druschina als weiterer Schritt in ein
Disneyland für Braunhemden
von Nyura N. Berg am
10.20 2018
Einheiten ukrainischer Nationalisten, die das ganze Land herausgefordert
haben, sind im Begriff, die "ukrainische Ordnung" flächendeckend im
Land zu etablieren. Viele vergleichen die Extremisten mit Röhms SA. Doch es
gibt einen wesentlichen Unterschied.
Ende Januar marschierte eine Formation radikaler
ukrainischer Nationalisten durch Kiew. Es waren etwa 600 Menschen. In Uniform
gekleidet und mit Masken übers halbe Gesicht hinterließen die jungen Leute
einen unheilvollen Eindruck. Nachdem die Aktivisten den Bürgern ihre
Entschlossenheit gezeigt hatten, stellten sie sich in Reih und Glied auf und
legten ihren Eid ab, dessen Wortlaut ihnen feierlich von einer improvisierten
Tribüne aus in gebrochenem Ukrainisch vorgelesen wurde.
Auf diese Weise gründete die rechtsextreme Partei
"Nationales Korps" die "Nationale Druschina" (Kampfeinheit)
und verkündete, dass die frischgebackenen Verteidiger der Ukraine angesichts
der Umtriebe von Separatisten und Kreml-Agenten eine "ukrainische Ordnung"
im Land etablieren würden. Geplant seien Patrouillen auf den Straßen der
Städte, um Feinde der ukrainischen Nation aufzuspüren. Auf diese Weise entzogen
sie der Legende, die Nazis in der Ukraine seien von russischen
Propaganda-Medien erfunden worden, endgültig den Boden…
Sobald das Wort "Ordnung" mit einem
ethnischen Begriff verbunden wird, kriegen die Bürger Gänsehaut - das
genetische Gedächtnis lässt erahnen, dass dies zu nichts Gutem führen wird. Und
nun diskutiert die ganze Ukraine besorgt und voll dunkler Vorahnungen über das
Gesehene und das Gehörte.
Maske, ich kenne dich Dabei ist in Kiew nichts sonderlich Neues passiert. Und die Gestalten in
den Formationen sind allen längst bekannt - das ist der radikalste Flügel des
Freiwilligenbataillons "Asow". Die Nachrichten darüber, wie sie
friedliche Bürger schikanieren und die Zone der so genannten
Anti-Terror-Operation im Donbass ausplündern, haben sogar die USA erreicht. Das
nutzten die US-Amerikaner als offizielle Begründung, keine tödlichen Waffen in
die Ukraine zu liefern. Doch Anfang Januar dieses Jahres stellte sich heraus,
dass "Asow" sie trotzdem bekommen hatte…
Alles - vom Inhalt ihrer Reden bis hin zur Ästhetik
der Nationalen Druschina - erinnerte gebildete Bürger lebhaft daran, wem diese
jungen Extremisten ähneln, nämlich den SA-Männern von Ernst Röhm. Dieselbe
Entschlossenheit, gegen Feinde zu kämpfen. Dasselbe Bestreben, Feinde nach
ihrer eigenen Auffassung zu bestimmen. Dieselbe Bereitschaft, zu radikalsten
Maßnahmen zu greifen.
Die Ideologen der Bewegung erklären öffentlich:
Wenn die Polizei nach unserer Einschätzung nicht
ordentlich genug gegen die Feinde kämpft, werden wir handeln, ohne auf sie zu
achten.
Eigentlich gibt es jetzt bereits schockierende
Videobeweise dafür, dass die Kämpfer nicht nur die Polizei missachten, sondern
auch Polizisten angreifen, sich mit ihnen prügeln, ihre Anweisungen ignorieren
und sie demonstrativ in Wort und Tat demütigen.
Der prominente ukrainische Politologe Konstantin
Bondarenko bezeichnet diese Situation unmittelbar als eine "ukrainische
Nachbildung der Weimarer Republik" und ist davon überzeugt, dass auch
diese sich "nach dem bekannten Szenario, einschließlich der so genannten
Nacht der langen Messer" entwickeln werde.
Der renommierte ukrainische Politikberater Dmitri
Dschangirow deutet dennoch auf einige prinzipielle Unterschiede zwischen Röhms
SA-Männern und den Mitgliedern der Nationalen Druschina hin:
Die ukrainische Sturmabteilung sei in der Tat eine
private Armee, die sich hinter politischen Parolen verschanzt, um zu rauben und
sich an feindlichen Übernahmen zu beteiligen, und die in wirtschaftlichen
Auseinandersetzungen mit Gewalt vorgeht, um die Interessen einer der
beteiligten Seiten zu verteidigen.
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zieht Bilanz
Maidan als Turbo-Booster für neonazistische
Landsknechte
Radikale nationalistische Organisationen gibt es in
der Ukraine seit ihrer Unabhängigkeit. Fast zugleich wurde in ihnen eine
Kampfabteilung gebildet, deren Mitglieder an regelmäßigen Trainings in
speziellen Lagern teilnahmen - oft unter Aufsicht ausländischer
Militärausbilder.
Hin und wieder marschierten Mitglieder dieser Gruppen
mit Fackeln durch die Straßen der ukrainischen Städte, wobei sie
menschenfeindliche Parolen ausriefen und die Ästhetik der bekannten
Nazi-Formationen der Vergangenheit teils unverhohlen kopierten. Schon damals
wurden die jungen Leute auch bei Machtproben zwischen Unternehmern eingesetzt
und bereicherten sich selbst daran. Als ideologische Basis für die Extremisten
diente die Partei "Swoboda", die für antisemitische und russophobe Ideen
wirbt und den Kampf für die Reinheit des Blutes proklamiert.
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Aufruhr
Der Maidan 2013 bescherte den Extremisten ein neues
reiches Leben. Genau während und nach der so genannten Revolution der Würde kam
es zu einem quantitativen und qualitativen Sprung in den Reihen der
Rechtsradikalen. Angriffe auf Gerichte, Gewaltakte gegen oppositionelle
Journalisten, erfolgreiche Versuche, Kommunalbehörden zu kontrollieren und
einzuschüchtern - doch der eigentliche Clou ist, jedem, dessen Geschäft oder
Posten die Aufmerksamkeit der Radikalen weckt, Separatismus und Illoyalität
vorzuwerfen.
Genau der Maidan gab den Extremisten das Recht, dem
Staat sein Gewaltmonopol wegzunehmen und nicht nur die Funktionen der Polizei
zu usurpieren, sondern diese auch nachdrücklich an den Straßenrand zu drängen.
Wer sind die Geldgeber?
Fragen der Finanzierung von rechtsextremen
Gruppierungen lösen immer eine Reihe von Interpretationen und Vermutungen aus.
Analytiker, recherchierende Journalisten, sogar Abgeordnete des Parlaments
geben ihre Kommentare ausschließlich unter der Bedingung der Anonymität ab. Gleich
zwei Quellen - aus dem Parlament und aus Kreisen regierungsnaher Politologen -
nannten den ukrainischen Ex-Justizminister Roman Swarytsch als ideologischen
Kurator der Nationalen Druschina. Als ehemaliger US-Bürger hatte dieser nach
einem Skandal um gefälschte Diplome und dem Rücktritt von Wiktor Juschtschenko
von der politischen Bühne seinen Posten und kehrte zurück in die Heimat.
Laut Angaben der Quellen soll Swarytsch ebenso
zwischen gewissen nationalistischen Strukturen der ukrainischen Diaspora, den
Geldgebern, auf der einen Seite und Leitern der radikalen militarisierten
Vereinigungen auf der anderen vermitteln. Als Vermittlerin wird auch die
Ex-Finanzministerin der Ukraine, Natalija Jaresko, erwähnt.
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der Maidan-Morde
Die Anführer der Druschinas machen keinen Hehl daraus,
dass auch ukrainische Oligarchen sich an ihrer Finanzierung beteiligen, die
nicht nur ihre eigenen Privatarmeen versorgen, um sie bei Bedarf in
wirtschaftlichen Auseinandersetzungen einsetzen. Sie leisten auch großen
radikalen Vereinigungen finanzielle Unterstützung, hinter denen laut Experten
der Sicherheitsdienst der Ukraine und das Innenministerium stehen sollen.
Tja, und die Soldaten der Druschinas erwirtschaften
ihr Geld da, wo sie gerade können - durch Erpressung, Raub und
Schutzgeldeintreibung.
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vereinigen
Wer profitiert von den Umtrieben?
Eine überwiegende Zahl der Experten sind davon
überzeugt, dass die Nationale Druschina eine Schöpfung des Innenministers
Awakow ist.
Der Politologe Konstantin Bondarenko erklärt dazu:
Arsen Awakow, der im akuten Konflikt mit dem
Präsidenten Poroschenko steht, braucht den Führer der Radikalen, Andrij
Bilezkyj. Der Minister demonstriert, dass er abgesehen von der Polizei über
zusätzliche Ressourcen verfügt, die er bei Bedarf mobilisieren kann. […] Obwohl
Awakow offiziell für eine Nichtbeteiligung an der Sturmabteilung plädiert, ist
es allen klar: Der Minister flunkert. Er hätte genügend Ressourcen, um
gesetzwidrige Aktionen zu unterbinden, doch er wäscht seine Hände demonstrativ
in Unschuld.
Tatsächlich behauptete Arsen Awakow umgehend nach dem
jüngsten Großaufmarsch, dass er keine paramilitärischen Freibeuter zulassen
werde, dass die Mitglieder dieser Organisationen für ihre Eigenmächtigkeit zur
Verantwortung gezogen würden. Doch bereits unmittelbar nach den Ansagen aus der
Exekutive nahmen die Mitglieder des "Nationalen Korps" in Uniform und
Masken den Raum ein, in dem der Stadtrat von Tscherkassy tagte, und erklärten,
dass sie alle Entscheidungen kontrollieren werden, die die Abgeordneten
treffen. Die eingeschüchterten Abgeordneten verabschiedeten unter dem Druck der
Extremisten nicht nur das Budget, sondern stimmten auch über die
Selbstauflösung ihres Gremiums ab. Gegenüber den Gesetzesbrechern kamen
keinerlei Sanktionen zur Anwendung.
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Asow-Bataillons auf
Hingegen hält der Politikberater Dmitri Dschangirow
eine Beteiligung des Ministers Awakow an der Gründung und Tätigkeit der
Nationalen Druschina für unwahrscheinlich:
Ich glaube, dass der Leiter des Nationalen Korps,
Andrij Bilezkyj, sich als unabhängiges Subjekt der ukrainischen Politik
etablieren und zum selbstständigen Einflusszentrum werden will. Und er hat
Awakows Hilfe nicht nötig.
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"Nationales Corps"
Die Präsidentschaftswahlen stehen bevor, zu denen
Bilezkyj möglicherweise kandidieren wird. Das Vorhandensein einer eigenen
paramilitärischen Struktur, die frech und öffentlich gegen das Gesetz und die
Ordnung verstößt, ist jedenfalls ein äußerst bequemes Instrument. Mittels der
Sturmabteilung kann man Wahllokale einnehmen, Bürger unter Druck setzen, indem
man diese oder jene Abstimmung von ihnen fordert, Mitglieder der
Wahlkommissionen einschüchtern und Wahlergebnisse verfälschen. Man kann den
amtierenden Präsidenten erpressen und seinen Einfluss schwächen. Schließlich
kann man eine parate militarisierte Struktur an Interessenten verkaufen.
Die Brigademitglieder ziehen daraus selbstverständlich
auch ihre eigenen Profite. Sie wollen weder arbeiten noch studieren, und die
Beteiligung an paramilitärischen Organisationen sichert ihnen ein garantiertes
Einkommen, Selbstbewusstsein und soziale Abläufe, die nirgendwo sonst in der
Ukraine funktionieren.
Die Apathie der regulären Ordnungsmacht im
Ideologiestaat
Das erwähnte Video des Zusammenstoßes der ukrainischen
Tontons Macoutes mit der Polizei zeigt deutlich die Hilflosigkeit der
Polizeibeamten. Man greift sie im Rudel an und wirft sie zu Boden, doch die
Polizisten leisten keinen richtigen Widerstand. Der Grund ist einfach -
einerseits ist die Polizei unerfahren und schlecht ausgebildet, denn im Laufe
der Reformen wurde ein wesentlicher Teil des Personalbestandes entlassen,
wohingegen junge Männer und Frauen beinahe von der Straße in den Dienst geholt
wurden.
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Andererseits sind die Polizisten demoralisiert. Sie
erinnern sich daran, wie ihre Kollegen am Maidan unter dem Beifall der
Putschisten und der westlichen Wertegemeinschaft geschlagen und getötet wurden.
Sie wissen, dass Kämpfer der Spezialeinheit Berkut immer noch im Gefängnis
sitzen oder auf der Flucht sind. Sie sehen die Straflosigkeit der so genannten
Freiwilligen und sind sich sicher, dass im Fall einer ernsten
Auseinandersetzung eben sie selbst bestraft werden. Deswegen machen die
Polizeibeamten lieber gar nichts, als später des mangelnden Patriotismus und
der Begünstigung der Separatisten bezichtigt zu werden. Die Jungs
verstehen, dass alle "heftigen" Aussagen von etablierten Politikern
über die Einhaltung der Ordnung und das Gewaltmonopol des Staates nur
Ritualtänze zur Beruhigung der erregten Öffentlichkeit sind.#
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Machtkämpfe in der Ukraine
Ein Versuch, die weitere Entwicklung zu erahnen
Und die Öffentlichkeit ist ernsthaft erregt.
Bemerkenswert ist, dass sogar die Liberalen verärgert sind, die auf dem Maidan
mit den Radikalen eng kooperiert haben mit dem gemeinsamen Ziel, die alte
Regierung zu stürzen. Und nun entwickelt sich die Situation in eine für sie
unerwartete, obwohl auch völlig logische Richtung.
Wir wenden unverzüglich Gewalt an, um eine Ordnung zu
etablieren, die Wohlstand in jede ukrainische Familie bringen wird", heißt
es in einem Facebook-Beitrag der Nationalen Druschina.Und das macht Eindruck.
Auch der einfache Bürger macht sich Sorgen.
Vom Gedanken, dass jedem Menschen jederzeit
Illoyalität, Separatismus, Begünstigung russischer Okkupanten oder Spionage im
Auftrag der russischen Welt vorgeworfen werden kann, fühlt man sich nicht mehr
geborgen. Viele Experten und Analytiker sind überzeugt, dass
es zu einer waschechten Nazi-Diktatur kommen wird. Und dass es unmöglich ist,
die Kämpfer für die ukrainische Ordnung, die von Tag zu Tag immer frecher
werden, mit demokratischen Mitteln in den Griff zu bekommen. Am Ende würde es
lediglich entweder eine Form Militärjunta oder ein Alleinherrscher schaffen,
sie zu stürzen.
Quelle: https://de.rt.com/1e4u