Ukraine:
Next Stop Odessa
von Sevim Dagdelen, Sprecherin für internationale Beziehungen der Fraktion
DIE LINKE
Die Ernennung des ehemaligen
georgischen Präsidenten Micheil Saakaschwili zum Gouverneur der Region Odessa
in der Südukraine ist ein weiterer Meilenstein der Eskalationspolitik gegen
Russland. In deutschen Medien wurde Saakaschwilis neuer Job in der Regel
verharmlost von „Provinzposse“ bis zur Pseudokritik öffentlich-rechtlicher
Sender. So orakelte der Ukraine-Korrespondent der Deutschen Welle: „Doch es ist
fraglich, ob sein in Georgien erprobtes Modell einer Modernisierungsdiktatur
für die Ukraine taugt“.
Saakaschwilis Ernennung ist aber
ohne grünes Licht aus Washington nur schwer vorstellbar. Der in Georgien mit
Haftbefehl gesuchte Ex-Präsident ist denn auch der Mann der USA. Er war es, der
im Sommer 2008 mit Wissen Washingtons bereit war, einen Angriffskrieg auch
gegen russische Truppen in Südossetien zu führen, so zumindest der Befund der
unabhängigen Untersuchungskommission unter der Schweizerin Heidi Tagliavini.
Sicher gibt es auch Gründe für
seine Ernennung wie eine binnenoligarchische Stabilisierung der Region für
Präsident Petro Poroschenko in der Linie des Massakers im Gewerkschaftshaus von
Odessa vom 2. Mai 2014 an Oppositionellen und gegen den Mann und bisherigen
Gouverneur seines Rivalen und mächtigen Oligarchen Ihor Kolomojskyj, den er
auch erst kürzlich als Gouverneur der Region Dnjepropetrowsk entließ.
Bei den Parlamentswahlen 2014 in
Odessa hatten sich im Übrigen weite Teile der Oblast mehrheitlich für den
Oppositionsblock entschieden. Zugleich war die Wahlbeteiligung mit unter 40
Prozent wie im Osten der Ukraine. Als entscheidend aber darf der Zusammenhang
mit der Kündigung eines Abkommens mit Russland am 21. Mai 2015 durch die Ukraine
angesehen werden, das die bisherige Versorgung des von Moldawien abtrünnigen
Gebiets Transnistrien, dass an die Oblast Odessa grenzt, ermöglichte.
Saakaschwili ist Washingtons Mann
fürs Grobe, um in Transnistrien die nächste Eskalation in der Region einzuleiten.
Zeitgleich wird in Moldawien, wo Wahlen zugunsten einer prowestlichen Koalition
im Herbst 2014 nur knapp durch massive Gaunereien gewonnen wurden und das jetzt
seine Gangart gegenüber Transnistrien verschärft, der russische Fernsehsender
Rossija24 verboten, andere russische Sender wurden mit Geldstrafen belegt. So
wird eine regelrechte Belagerung des Kleinstaats östlich des Flusses Dnister
auf den Weg gebracht.
Die Region Odessa spielt dabei
von ukrainischer Seite eine Schlüsselrolle. Sie umfasst nicht nur die Stadt
Odessa mit Bevölkerungsteilen, die nicht am ukrainischen Nationalismus und
seinen Segnungen interessiert sind, sondern auch die Gebiete der ehemaligen
Oblast Ismajil, die 1954 der Oblast Odessa zugeschlagen wurde, am Schwarzen
Meer bis zur Donaumündung, in denen auch Minderheiten wie die turksprachigen
Gagausen und Bulgaren leben, die gleichfalls der völkischen Zuspitzung in der
Ukraine nach dem Staatsreich vor einem Jahr skeptisch gegenüber zu stehen
scheinen.
Russland soll offenbar in eine
Zwickmühle gebracht werden. Lässt es Transnistrien im Stich, wäre dies das
Zeichen auch für andere umstrittene Gebiete in der Region, sich neu zu
orientieren; akzeptiert es die Belagerung nicht, kann es erneut im Westen als
Aggressor gebrandmarkt werden, um eine Verschärfung der Sanktionen zu
erreichen. Für diese Strategie ist Saakaschwili der richtige Mann. Ein weiterer
territorialer Zerfall der Ukraine wird dabei billigend in Kauf genommen.
linksfraktion.de, 2. Juni 2015