Ukraine Poroschenko verhängt
das Kriegsrecht in der Ukraine
Krieg und Unrecht? Wie sich
Poroschenkos Kriegsrecht auf Donbass auswirkt
von Igor Gaschkow am 28.11.2018
In Teilen der Ukraine ist der Kriegszustand erklärt worden. In einigen
Gebieten wollen die Behörden strenge Regeln des Ausnahmezustandes einführen. In
anderen Regionen leben die Menschen jedoch seit längerem unter Bedingungen
eines unerklärten Krieges.
Was wird Poroschenkos Kriegsrecht für
die Ukraine und den Donbass zur Folge haben?
Die Ausrufung des Kriegszustandes wurde
in den Gebieten Donezk und Lugansk mit Besorgnis aufgenommen. Laut Daniil
Besnossow, Vertreter der Volkswehr von Donezk, kann die Verhängung des
Kriegsrechts die Spannungen im Donezbecken massiv beeinflussen. Provokationen
der ukrainischen Sicherheitsdienste sind zu erwarten. Zudem könnte es zu
„schmutzigen Methoden der Kriegsführung“ durch das Kiewer Regime kommen. In
Lugansk empfehlen die Behörden, sich Besuchen der von Kiew kontrollierten
Gebiete zu enthalten.
© Sputnik /
Presseamt
Poroschenko warnt vor drohendem Krieg mit Russland – Moskau kommentiert
Die erwartete Verschärfung der Lage hängt auch mit der
Aktivierung der ukrainischen Armee zusammen. Ein Vertreter der Volkswehr
Lugansk teilte mit, dass die ukrainische Armee Einheiten zur Trennungslinie im
Donezbecken schickt. „Bei der Ortschaft Krjakowka wurden zwei
Minenwerfer-Batterien der 10. Brigade der ukrainischen Streitkräfte gesichtet.
In der Ortschaft Olchowoje trafen viele ukrainische Panzer ein. In einem der
leerstehenden Erholungsheime wurden rund 200 Militärs untergebracht“.
Die Volksrepubliken wurden bereits vor
der Verhängung des Kriegszustandes durch Kiew beschossen – der Waffenstillstand
im Donezbecken blieb trotz aller Garantien immer eine Formalität.
1.An den Haaren herbeigezogene
Strafverfahren
„Der Beschuss ist zwar stärker geworden,
jedoch unbedeutend“, sagte der Offizier der Volkswehr der Volksrepublik Lugansk
Andrej gegenüber Sputnik. Auffallend sei aber, dass die Zahl der
Polizeieinheiten größer geworden sei. Wie ukrainische Grenzsoldaten den
Einwohnern mitteilten, werden die Übergangsstellen voraussichtlich gesperrt
werden. Für welche Zeit und ob dies ein endgültiger Beschluss ist, ist bislang
unklar. Doch das würde sicher zum Anstieg der Spannungen führen – viele
Donbass-Einwohner reisen ins ukrainische Territorium.
Ein Militär der an der Trennlinie
stationierten ukrainischen Streitkräfte sagte gegenüber Sputnik, was sich nach
dem Präsidialerlass geändert hat. „Ein Drittel der Militärs übernachten
in den Garnisonen. Es sollen Reservisten aufgenommen werden. Mit ihnen sollen
wohl die Einheiten im Donezbecken verstärkt werden. Die Armee versteht zwar,
dass der Kriegszustand keinen taktischen Sinn hat, doch das wird für die
Bankowaja (Kiewer Straße, wo sich die Präsidentenadministration befindet, Anm.
d. Red.) gemacht“.
Laut Jewgeni Golyschkin, einem Einwohner
von Donezk, sollen die Übergangsstellen bereits jetzt im eingeschränkten Format
funktionieren. Anscheinend werde der ukrainische Sicherheitsdienst SBU die aus
den Volksrepubliken Ausreisenden von nun an etwas genauer „bearbeiten“.
Vielleicht werde es zu an den Haaren herbeigezogenen Strafverfahren kommen.
Oksana Werschina aus Donezk erwartet
keine ernsthaften Veränderungen im Alltag der Volksrepubliken selbst nach der
Verhängung des Kriegszustandes in den von Kiew kontrollierten Gebieten.
„Nach fünf Jahren erwarten wir keine großen Erschütterungen mehr. Es sind
unbedeutende Besorgnisse unter der panisch gestimmten Bevölkerung zu erkennen,
doch die meisten führen ihr gewöhnliches Leben. Wir erwarten seit langem eine Eskalation,
dabei wissen wir sehr gut, dass vorerst nichts Bedeutendes droht“.
Ein Offizier der Donezker Volkswehr
meint, dass die ukrainische Behörden versuchen werden, die negativen Stimmungen
wegen der möglichen Sperrung der Grenze auf den von Kiew kontrollierten
Gebieten mithilfe des sogenannten Dienstes für zivil-militärische Kooperation zu
kompensieren. „Das sind jene, die sich gerne mit den Einheimischen, die
humanitäre Hilfe bekommen, in Kindergärten und Schulen fotografieren
lassen. Der Dienst wurde nach US-Vorbild gebildet – man versucht die
Sympathien der Einheimischen mit beruhigenden Geschichten in Sozialen
Netzwerken zu gewinnen“.
© Sputnik /
Stringer
Wem nützt eine Ukraine im Kriegszustand?
Der Vorsitzende des Parlaments von Noworossija (ein
gemeinsames Organ von Donezk und Lugansk), Oleg Zarjow, erinnert daran, dass
die humanitäre Situation im Donezbecken weiterhin angespannt sei. Das werde von
der ukrainischen Propaganda genutzt. „Kiew zeigt gern mit dem Finger auf die
Republiken – schaut, sie sind vier Jahre unter Beschuss, wollt ihr dasselbe?
Dabei sagt Kiew nicht, wer in diesen vier Jahren die friedlichen Einwohner
beschießt, die Kiew als eigene Bürger bezeichnet. Doch die ukrainische Armee
ist für sie fremd, unabhängig davon, wie viele Fotos mit Konservendosen sie
noch veröffentlichen“.
2.Russen dürfen nicht rein
Der Kriegszustand trifft auch russische
Staatsbürger. Am 26.11.2018 wurden an den Flughäfen Kiews von ukrainischen
Grenzsoldaten unter verschiedenen Vorwänden mehr als 70 Russen zurückgewiesen.
An der Grenze zur Krim wurden
Einschränkungen nur für russische Staatsbürger eingeführt. “Staatsbürger der
Ukraine und anderer Staaten werden ukrainische Grenzübergänge uneingeschränkt
in beiden Richtungen passieren dürfen“, sagte der Chef der Administration
des Gebietes Cherson, Andrej Gordejew. Dabei arbeiten die auf der russischen
Seite gelegenen drei KFZ-Grenzübergänge wie üblich.
3.Rein ukrainische Geschichte
Das verhängte Sonderrecht könnte die
Einschränkung von Freiheiten und Rechten der Staatsbürger bedeuten. Nicht
ausgeschlossen ist, dass das durch Poroschenko initiierte Kriegsrecht der erste
Vorbote des Wahlkampfes für die Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2019 ist.
„Ich
habe die Stimmungen der Abgeordneten zwischen den Abstimmungen beobachtet.
Selbst Vertreter der radikalen politischen Kräfte, die immer für jede
Entfachung von Spannungen sind, stellten sich die Frage: Ist das sinnvoll? Wenn
man seit vielen Jahren die berüchtigte russische ‘Aggression‘ abwehrt, warum
ist der Kriegszustand nicht schon früher eingeführt worden? Die Skepsis der
Abgeordneten, die die Präsidenten-Initiative revidiert haben, zeigt, dass das
eine rein innenpolitische Geschichte ist“, sagt der ehemalige Abgeordnete des
Rates der Stadt von Odessa und heutige politische Emigrant Alexander Wassiljew.
Das verhängte Sonderrecht würde den Alltag der Einwohner kaum ändern – ein
Teil der Verbote sei bereits umgesetzt.
1.
„Es wurde de facto der Verkehr zwischen
der Ukraine und Russland eingeschränkt.
2.
Es
wird die Meinungsfreiheit unterdrückt.
3.
Mehrere
prorussische und linke Parteien sind seit langem außerhalb des Gesetzes.
Alle
Regeln des Kriegszustandes werden rein formell sein. Die Oberste Rada weiß das
sehr genau, weshalb dieses Thema auch schnell behandelt wurde“, so Wassiljew.
„Poroschenko versuchte, die Wahlen zu
torpedieren“, so Zarjow. „Hätte die Oberste Rada ihn unterstützt und einen
Kriegszustand für zwei Monate verhängt, dann hätten die Wahlen auf den Herbst
verschoben werden müssen. Für den Herbst sind auch Parlamentswahlen geplant.
Neben der Verlängerung seiner Vollmachten könnte dies Poroschenko ermöglichen,
auch einen Parlamentswahlkampf zu führen, was taktisch vorteilhaft ist“, so
Zarjow.
Laut dem Politiker wird der gescheiterte Plan
Poroschenkos kaum dessen Absichten ändern. „Ich kenne ihn persönlich. Er wird
nicht aufhören. Es gibt kein Verbrechen, auf das er nicht eingehen würde, um an
der Macht zu bleiben. Deswegen werden Spannungen an der Grenze zu Russland und
an der Grenze zum Donezbecken entfacht. Das ist unvermeidlich“, sagte Zarjow.
Die Kiewer Anwältin Tatjana Montjan
äußerte ebenfalls, dass der Versuch, den Kriegszustand einzuführen, nur mit
politischen Vorteilen verbunden ist. „Poroschenko spielt va banque, um die
Wahlen zu torpedieren. Das ist sein Hauptziel. Ohne das ist der Kriegszustand
für ihn nicht interessant. Ich würde mich nicht wundern, wenn er wegen eines
nicht genehmigten Versuchs, die Wahlen zu torpedieren, von den Washingtoner
Kuratoren noch bestraft wird“, sagte Montjan.
Laut dem offiziellen Vertreter der Volksrepublik Donezk in Frankreich,
Hubert Fayard, wird die Verhängung des Ausnahmezustandes viele Folgen für das
politische Leben in der Ukraine nach sich ziehen, weil sich Kiew auf
angeblich legitime Weise in eine Diktatur verwandle.
Quelle: https://de.sputniknews.com/politik/20181128323114789-kriegsrecht-donbass-poroschenko-folgen/