Ukraine: Odessa’ aufklären! Menschenrechte
verteidigen!
Unter diesem Motto stand eine Veranstaltung, die am
5. Juni 2015 kurzfristig vom Landesverband Berlin des Dt. Freidenker-Verbandes
ausgerichtet wurde und auf der zwei Vertreter der ukrainischen
Menschenrechtsbewegung von schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen in der
Ukraine berichteten.
Auf ihrer Rundreise durch europäische Städte
machten Nadia Melnychenko, Journalistin bei der unabhängigen Internet-Zeitschrift
"Timer" in Odessa, und Kyrylo Shevchuk, Jurist und Verteidiger von
Betroffenen des Odessa-Massakers sowie der Regierungskritiker, die im Frühjahr
2015 verhaftet wurden, hier in Berlin Halt und berichteten vor etwa 50
interessierten Teilnehmern von ihren persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen.
Dabei kamen die erschreckenden Übergriffe von
rechten Gruppierungen und der Justiz auf Oppositionelle in der Ukraine zur
Sprache.
Von dieser Veranstaltung ist inzwischen eine
Videodokumentation erschienen, die hier aufzurufen ist:
Infoveranstaltung; ‚Odessa’ aufklären!
Menschenrechte verteidigen!
Wegen der Länge des Videos (Information und Diskussion wurden sowohl in
deutsch als auch russisch geführt und dauerten etwas mehr als 2 Stunden) hier
zunächst nur ein paar Stichworte aus den dort gegebenen Informationen:
- die Opfer wurden beschuldigt (anstelle der Täter)
- Haftgründe wurden erfunden, es kam zu ungerechtfertigten Vorladungen und
Wohnungsdurchsuchungen sowie monatelangen unbegründeten Inhaftierungen
- Beschuldigte wurden schwer körperlich misshandelt, mit der Folge von
Rippenbrüchen, verletzten Armen und Beinen, blauen Flecken am ganzen Körper;
ein Beschuldigter wurde halbtot
geschlagen, ihm wurde ein Sack über den Kopf gestülpt (mit der Folge des
Bewusstseinsverlusts), er kam erst nach "Wiederbelebung" durch
Elektroschocks wieder zu Bewusstsein
- Beschuldigte und auch Rechtsanwälte wurden von rechten Kräften - teils unter
den Augen der Polizei und von OSZE-Beobachtern - entführt und verschleppt; ein
Rechtsanwalt wurde in Kiew totgeschlagen (auch der berichterstattende RA wurde
entführt und massiv bedroht; viele Rechtsanwälte verhalten sich seitdem aus
Angst passiv)
- ein Staatsanwalt wurde von Euromajdan-Aktivisten entführt und in eine
Mülltonne gesteckt, weil er nach deren Meinung seine "Aufgabe" nicht
erfüllte; sie ließen ihn erst wieder frei, nachdem er seine Entscheidung, einen
verfolgten Journalisten freizulassen, revidiert hatte
- Staatsanwaltschaften und Geheimdienst verhinderten, dass Richter wegen
solcher Menschenrechtsverletzungen aktiv werden konnten
- es kam außerdem zu zahlreichen weiteren Rechtsbeugungen (gesetzeswidrige
Verurteilung von Minderjährigen, Erfinden von Haftgründen, vorgefertigte,
identisch verfasste "Anklagen", bei denen lediglich die Namen der
Beschuldigten ausgetauscht wurden, Verurteilungen durch nur 1 (statt der
vorgeschriebenen 3) Richter, monatelange unbegründete Einkerkerung von
Beschuldigten, z.T. in Isolationshaft; Verteidiger erhielten keine
richterlichen Auskünfte und wurden tagelang nicht zu den Beschuldigten
vorgelassen, u.w.m.).
Alles
Weitere bitten wir dem Video zu entnehmen.
Anhang:
Die "Internationale Plattform für globale
Rechte der Zivilbevölkerung" stellte uns zu den beiden Referenten
folgende Informationen zur Verfügung:
Nadiia Melnychenko ist Mitglied
des Ukrainischen Journalisten-Verbandes sowie der International Federation of
Journalists (IFJ) und Leiterin der gemeinnützigen Stiftung „Blagodar“, die
Hilfe für Politgefangene und ihre Angehörige in Odessa sowie für Opfer der
Tragödie des 2.Mai und deren Familien organisiert. Sie arbeitet als
Journalistin bei einer der größten unter den noch existierenden oppositionellen
Zeitschriften in der Ukraine – der regionalen Online-Zeitung Timer in
Odessa (http://timer-odessa.net), deren Mitarbeiter bereits öfter tätliche Übergriffe
und Prügeleien seitens Nationalisten erleiden mussten.
Am 14. Mai 2015 wurden Wohnungen mehrerer Mitarbeiter
des Timers, darunter auch des Chefredakteurs Yuri Tkachev, mit Verdacht
auf „Separatismus“ durchsucht (den Durchsuchungsbefehl erteilte Primorskij
Bezirksgericht). Daraufhin wurden mehrere Journalisten vom Sicherheitsdienst
verschleppt und einem 10 bis 15 Stunden dauernden Verhör unterzogen, bis sie
wieder frei gelassen wurden. Es wurde redaktionelle Ausrüstung sowie
Arbeitsgeräte bei der Durchsuchung beschlagnahmt, womit es den
Sicherheitskräften gelang, die Arbeit der oppositionellen Zeitschrift
gesetzwidrig für eine Weile lahm zu legen. Mittlerweile wurde der Betrieb
wieder aufgenommen. Die Odesser Journalisten haben einen Brief an die
Staatsanwaltschaft verfasst, mit der Aufforderung, die Durchsuchungen und
Verhöre an regierungskritischen Kollegen von Timer zu begründen.
Frau Melnychenko wird über die schweren Bedingungen
der Journalistenarbeit in Zeiten der faschistischen Diktatur am Beispiel von
Odessa, sowie über die realen Kräfteverhältnisse in der Stadt und den
Befreiungskampf der Bewohner von Odessa erzählen. Sie wird ebenso über die
verlogenen Emissäre erzählen, die Europa bereisen und sich für Vertreter des
Odesser Widerstands ausgeben. Ein weiteres Thema: Die Pressefreiheit und welche
Gestalt sie in einem Land annimmt, das unter Kontrolle der amerikanischen CIA
steht.
Kyrylo Shevchuk ist Mitglied
der nationalen Vereinigung von Rechtsanwälten der Ukraine. Er verteidigt die
Menschen, die am 2.Mai 2014 in Odessa verhaftet wurden, nachdem es ihnen gelungen
war, lebendig dem flammenden Inferno im Gewerkschaftshaus zu entfliehen, sowie
auch diejenigen, die anschließend im Einkaufscenter „Athen“ auf dem Grecheskaja
Platz gefasst und hinter Gitter gebracht wurden. Er vertritt ebenso die
Regierungskritiker, die im April und Mai 2015 des Terrorismus beschuldigt und
verhaftet wurden. Herr Shevchuk bringt 31 Bände dieser Kriminalfälle in
digitaler Form mit, die anschaulich beweisen, wie in der heutigen Ukraine
Prozesse gegen Andersdenkende fabriziert werden. Er wird auch darüber
berichten, wie die ukrainischen Sicherheitskräfte Gefangenen foltern und bei
der Wahl der Verhörmethoden der Gestapo aus den Zeiten des 2. Weltkriegs
nacheifern. Das sind Berichte über die Willkür des ukrainischen Gerichtssystems
aus erster Quelle. Demokratie für das Marionettenregime, gemacht nach
US-amerikanischen Vorstellungen. Gesetzlosigkeit und rechtsextremer „Rechter
Sektor“ an der Spitze der Gesellschaft als politische Realität in der Ukraine.