Ukraine : Minsker Abkommen
Hier die Übersetzung des Dokuments, das heute
Nacht in Minsk ausgearbeitet und unterzeichnet wurde. Auf den ersten Blick
überrascht, dass es ziemlich danach aussieht, als habe sich die offizielle
“russische Linie”, welche von der RF seit mindestens Mai 2014 verfolgt wird,
größtenteils durchgesetzt. Aber eigentlich nur auf den
ersten Blick.
Putin danach: “Es war nicht
gerade die beste Nacht meines Lebens, aber es ist ein guter Morgen.”
Was aber fehlt, sind Garantien. Wodurch, oder
durch wen, wird die Einhaltung des Waffenstillstand ab dem 15. Februar
garantiert? Wodurch wird der Abzug der schweren Waffen (nota bene, der schweren
Waffen, nicht der bewaffneten Einheiten) garantiert? — De facto ist das eine
Wiederholung dessen, was nach dem ersten “Minsk” vereinbart wurde. Ähnlich ist
es mit den politischen Bestimmungen; was ist, wenn die Verfassung der Ukraine eben nicht bis Ende 2015 hinsichtlich einer Dezentralisierung
geändert wird?
Im Schluß sieht das alles durchaus nicht nach einem
Fiasko, aber auch nicht nach einem Durchbruch aus. Die meisten wichtigen
Dinge bleiben in der Schwebe und werden durch ein “Ich schwör’, Alda!” der
Beteiligten bekräftigt. Putin meinte in seinem Statement nach Abschluß der
Verhandlungen sinngemäß: “Wir gehen davon aus, dass die [in Debalzewo]
eingekesselten ukrainischen Militärs ihre Waffen niederlegen und den Widerstand
einstellen. Der ukrainische Präsident ist der Meinung, dass es gar keinen
Kessel gibt. Das werden dann unsere Militärexperten gemeinsam klären.” –
äußerst vage. Die Nazigarde hat am heutigen Morgen einen massiven Versuch
gestartet, Logwinowo und damit die Straße Debalzewo-Artjomowsk wieder
zurückzugewinnen und damit den “Hals” des Kessels wieder aufzumachen. Was
ist denn, wenn sie die Waffen auch am 15. Februar nicht niederlegen? …
Aber den Waffenstillstand hat man erst einmal
vereinbart, was gut ist. Es braucht aber nicht viel, den wieder kippen zu
lassen.
Vorbemerkung: Die “einzelnen Gebiete der Oblaste
Donezk und Lugansk der Ukraine” sind Diplomatensprache für die (auch von
Putin auf der kurzen Pressekonferenz im Nachgang als solche bezeichneten)
Volksrepubliken Donezk und Lugansk.
Hervorhebungen, [Ergänzungen] und Kommentare sind
als solche gekennzeichnet.
Maßnahmenkatalog
zur Umsetzung der Minsker Vereinbarungen
Waffenstillstand
1. Unverzüglicher und allseitiger
Waffenstillstand in einzelnen Gebieten der Oblaste Donezk und Lugansk der
Ukraine und dessen striktes Befolgen ab 00 Uhr 00 Minuten (Kiewer Zeit) am 15.
Februar 2015.
Abzug
schwerer Waffen
2. Abzug aller schweren Waffen durch beide
Seiten, auf gleiche Entfernung, um eine Sicherheitszone mit einer Breite von
mindestens 50 Kilometern Abstand für Artilleriesysteme mit einem Kaliber von
100 mm und mehr, eine Sicherheitszone von 70 Kilometern Breite für Raketenartilleriesysteme
und einer Breite von 140 Kilometern für Raketenartillerie der Typen „Tornado-S“, „Uragan“, „Smertsch“ und taktische Systeme vom Typ „Totschka“ („Totschka-U“) zu gewährleisten:
Der Abzug der oben angeführten schweren
Waffensysteme muss nicht später als am zweiten Tag des Waffenstillstands
beginnen und innerhalb von 14 Tagen abgeschlossen sein.
Dieser Prozess wird durch die OSZE und
die Dreiseitige Kontaktgruppe unterstützt.
3. Es ist ein effizientes Monitoring und eine
Verifizierung des Waffenstillstands und des Abzugs der schweren Waffensysteme
von Seiten der OSZE durchzuführen, beginnend mit dem ersten Tag des Abzugs der
Waffensysteme, unter Einbezug aller notwendigen technischen Mittel,
einschließlich von Satelliten, Drohnen, Ortungssystemen usw.
Regionale Wahlen
4. Am ersten Tag nach dem Abzug [der schweren
Waffen] ist ein Dialog über die Modalitäten der Durchführung
regionaler Wahlen, in Entsprechung mit der ukrainischen Gesetzgebung und
dem ukrainischen Gesetz „Über die zeitweilige Ordnung der lokalen
Selbstverwaltung in einzelnen Gebieten der Oblaste Donezk und Lugansk“ zu
beginnen, ebenso über den künftigen Status dieser Gebiete, auf der Grundlage
des genannten Gesetzes.
Es ist unverzüglich, innerhalb von 30 Tagen nach
der Unterzeichnung dieses Dokuments, von der Obersten Rada der Ukraine ein
Beschluss darüber zu verabschieden, bei dem das Territorium bezeichnet wird,
auf das sich die besonderen Regelungen in Entsprechung mit dem ukrainischen
Gesetz „Über die zeitweilige Ordnung der lokalen Selbstverwaltung in einzelnen
Gebieten der Oblaste Donezk und Lugansk“ beziehen, [und das] auf Grundlage der
Linie, die im Minsker Memorandum vom 19. September 2014 definiert ist.
Straffreiheit
für “Separatisten”, Befreiung von Gefangenen
5. Es hat eine Begnadigung und Amnestie zu
erfolgen, indem ein Gesetz verabschiedet wird, das eine Verfolgung und
Bestrafung von Personen verbietet, die in Zusammenhang mit den Ereignissen
stehen, welche in einzelnen Gebieten der Oblaste Donezk und Lugansk der
Ukraine stattgefunden haben.
6. Es ist eine Befreiung und ein Austausch aller
Geiseln und unrechtmäßig festgehaltener Personen nach dem Prinzip „alle gegen
alle“ vorzunehmen. Dieser Prozess muss spätestens am fünften Tag nach dem Abzug
[der schweren Waffen] abgeschlossen sein.
7. Es ist auf Grundlage internationaler
Mechanismen für sicheren Zugang, Lieferung, Lagerung und Verteilung humanitärer
Hilfsgüter für Bedürftige zu sorgen.
Wiederherstellung
sozialer und wirtschaftlicher Verbindungen mit Kiew
8. Es werden Modalitäten festgelegt, auf welche
Weise die vollständige Wiederherstellung der sozialen und wirtschaftlichen
Verbindungen vorgenommen werden wird, einschließlich der Überweisung von
Sozialleistungen wie Rentenzahlungen und anderer Zahlungen (Zugänge und
Einkünfte, rechtzeitige Bezahlung aller kommunalen Rechnungen,
Wiederherstellung der Besteuerung im Rahmen des Rechtsfelds der Ukraine).
Zu diesem Zweck wird die Ukraine die Arbeit ihres
Bankensystems in den Gebieten wiederherstellen, die durch den Konflikt berührt
sind und es wird möglicherweise ein internationaler Mechanismus geschaffen
werden, der solche Überweisungen erleichtert.
Kiew
kontrolliert wieder die Staatsgrenzen – nach der politischen Beilegung
9. Es wird die vollständige Kontrolle über die
Staatsgrenze von Seiten der ukrainischen Regierung im gesamten Konfliktgebiet
wiederhergestellt, beginnend mit dem ersten Tag nach der Durchführung
regionaler Wahlen, abgeschlossen nach einer allseitigen politischen Beilegung
(regionale Wahlen in einzelnen Gebieten der Oblaste Donezk und Lugansk auf
Grundlage des Gesetzes der Ukraine [s.o. – Anm. d. Ü.] und einer
Verfassungsreform) bis zum Ende des Jahres 2015, unter der Bedingung einer
Umsetzung von Punkt 11 – durch Konsultationen und Abstimmung mit den Vertretern
einzelner Gebiete der Oblaste Donezk und Lugansk im Rahmen der Dreiseitigen
Kontaktgruppe.
10. Abzug aller ausländischer bewaffneter
Einheiten und von [deren] Militärtechnik, ebenso von Söldnern, vom Territorium
der Ukraine unter Beobachtung durch die OSZE. Entwaffnung aller illegalen
Gruppierungen.
“Dezentralisierung”
der Ukraine
11. Durchführung einer Verfassungsreform in der
Ukraine und Inkrafttreten einer neuen Verfassung bis Ende 2015. [Diese
Verfassung muss] als Schlüsselelement eine Dezentralisierung (unter
Berücksichtigung der Besonderheiten einzelner Gebiete der Oblaste Donezk und
Lugansk) aufweisen, die mit den Vertretern dieser Gebiete abgestimmt ist,
ebenso die Verabschiedung eines ständigen Gesetzes über den
besonderen Status einzelner Gebiete der Oblaste Donezk und Lugansk in
Entsprechung mit Maßnahmen, die in den Anmerkungen aufgeführt sind¹, bis zum Ende des Jahres 2015.
12. Auf Grundlage des ukrainischen Gesetzes „Über
die zeitweilige Ordnung der lokalen Selbstverwaltung in einzelnen Gebieten der
Oblaste Donezk und Lugansk“ sind Fragen, welche regionale Wahlen
betreffen, mit den Vertretern der einzelnen Gebieten der Oblaste Donezk und
Lugansk im Rahmen der Dreiseitigen Kontaktgruppe zu besprechen. Die Wahlen
werden unter Einhaltung der entsprechenden OSZE-Standards und unter Beobachtung
von Seiten des OSZE-Büros für Demokratische Institutionen und Menschenrechte
durchgeführt.
13. Die Arbeit der Dreiseitigen Kontaktgruppe wird
intensiviert, darunter durch die Schaffung von Arbeitsgruppen zur Umsetzung
entsprechender Aspekte der Minsker Vereinbarungen. Diese [Arbeitsgruppen]
werden in ihrer Zusammensetzung die Zusammensetzung der Dreiseitigen
Kontaktgruppe widerspiegeln.
Teilnehmer der Dreiseitigen Kontaktgruppe:
Botschafterin Heidi Tagliavini
Der zweite Präsident der Ukraine, L. D.
Kutschma
Der Botschafter der Russischen Föderation in der
Ukraine, M.
Ju. Surabow
¹ Solche Maßnahmen beinhalten in Übereinstimmung
mit dem Gesetz „Über die zeitweilige Ordnung der lokalen Selbstverwaltung in
einzelnen Gebieten der Oblaste Donezk und Lugansk“ folgendes:
Quelle : http://www.chartophylakeion.de/blog/2015/02/12/was-in-minsk-unterzeichnet-wurde/