Deutsche Wirtschafts Nachrichten
vom 16.05.16
Die USA streben die
weltweite Kontrolle über die Öl-Industrie an. Der Kalte Krieg gegen Russland
dient diesem Ziel ebenso wie das mögliche Abrücken von Saudi-Arabien oder der
Kampf gegen China. Diese Strategie erklärt auch, warum plötzlich drei der wichtigsten
Öl-Produzenten - Nigeria, Brasilien und Venezuela - vor dem Kollaps ihrer
politischen Systeme stehen.
Um die Kontrolle über das globale
Ölgeschäft zu erlangen, nutzen die USA alle ihnen zur Verfügung stehenden
Möglichkeiten.
Für Staaten, die nicht kooperieren, kann
das einschneidende Folgen haben.
Aktuell sind Nigeria, Venezuela und
Brasilien vom inneren Chaos bedroht. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass
die Ursache nur teilweise innenpolitischer Natur sind.
Fast immer lässt sich ein Muster
erkennen: Die Staaten haben versucht, eigene Wege zu gehen oder mit Partnern
zu kooperieren, die Mitbewerber der USA auf dem Ölmarkt sind.
Der nigerianische Präsident
Muhammedu Buhari möchte die Beziehungen zwischen seinem Land und China
intensivieren. Buhari befand
sich im April auf einem Staatsbesuch in China. Es wurden mehrere
Wirtschaftsverträge geschlossen. Der chinesische Konzern Sinohydro Corporation
Limited soll Nigeria dabei helfen, 300 Solaranlagen zu bauen. Der Vertrag hat
einen Wert von etwa 500 Millionen Dollar. Im Granit- und Marmorsektor wurde ein
Kooperationsvertrag von 55 Millionen Dollar geschlossen. China soll eine
Granit-Bergbau-Anlage bauen. Es soll eine Autobahn entlang der Strecke
Abuja-Ibadan-Lagos für etwa eine Milliarde Dollar gebaut werden, berichte die
nigerianische Premium Times. Zudem sollen die Chinesen für 2,5 Milliarden
Dollar beim Ausbau der Metro in Lagos helfen. In der nigerianischen
Freihandelszone Ogun-Guangdong soll ein High-Tech-Industriepark für rund eine
Milliarde gebaut werden. Ein Großteil der Projekte sollen über die chinesische
Entwicklungsbank AIIB finanziert werden. Zuvor hatte China Nigeria einen Kredit
von sechs Millionen Dollar für den Ausbau der Infrastruktur angeboten,
berichtet Reuters.
Voice of America
(VoA)
berichtete im März, dass China mehr Öl aus Nigeria importieren möchte. Im vergangenen Jahr importierte China eine
Milliarde Barrel an Öl aus Nigeria. Dieses Volumen erheblich angehoben werden.
China ist derzeit der größte Handelspartner des afrikanischen Kontinents, so
VoA. Die chinesische Botschaft in Ankara meldete, dass es nicht mehr wichtig
sei, ob der Iran ungehindert Öl nach China exportieren darf oder kann. China
will der Hauptabnehmer des nigerianischen Öls werden. The Sun berichtet, dass vor allem die US-Regierung gegen
eine Annäherung zwischen China und Nigeria ist. Die Amerikaner waren wütend
über Buharis China-Reise.
Wichtig für die Ölproduktion
Nigerias ist das Niger-Delta, das sich im Süden des Landes befindet. Dort ist die militante Organisation „Emancipation
of the Niger Delta“ (MEND) aktiv. Die MEND-Separatisten fordern die Abspaltung
des ölreichen Niger-Deltas vom Rest des Landes. Die Organisation führt
insbesondere Attacken auf Öl-Pipelines und Stellungen der Öl-Konzerne aus. In
Nigeria sind nach Angaben von Bloomberg die Öl-Konzerne Royal Dutch Shell Plc,
Chevron Corp., Exxon Mobil Corp., Total SA und Eni SpA aktiv. Sie fördern im
Rahmen von Joint Ventures mit der staatlichen Nigerian National Petroleum Corp.
Etwa 90 Prozent des nigerianischen Öls. Bisher hat MEND Förderplattformen von
Royal Dutch Shell, Total, Eni SpA, Chevron und Exxon attackiert. Im Jahr 2010
entführte die Organisation Mitarbeiter des Ölkonzerns Exxon, berichtet France 24. Die Liberation berichtet, dass MEND eine Gefahr für Total in
Nigeria ist.
Stratfor urteilt, dass MEND eine Bedrohung für die
nigerianische Ölindustrie ist.
Die USA haben auch ein
zerrüttetes Verhältnis zu Venezuela. Der venezolanische Präsident Nicolas Maduro
befürchtet, dass Washington ihn und seine Partei stürzen wollen.
Der Deutschlandfunk zitiert
Maduro: „Wir haben Aktivitäten von einigen US-Amerikanern aufgedeckt und
die Leute festgenommen. Präsident Obama und seine Diplomaten
organisieren eine Konspiration, um meine Regierung zu stürzen. Ich
habe die Beweise.“
Das rechte Oppositionsbündnis Mesa de la
Unidad Democrática (MUD) wird massiv von der US-Organisation National Endowment
for Democracy (NED) unterstützt. NED wird von der US-Regierung und der
CIA-Tarnorganisation USAID finanziert. Nach Angaben der US-amerikanischen Anwältin und Publizistin
Eva Golinger haben die USA
über ihre Organisationen mehrere venezolanische Anti-Regierungs-Bündnisse mit
Millionen von Dollars unterstützt.
„Die MUD ist nur der Vollstrecker, der es
erfolglos versuchen wird, in Venezuela die Sanktionen von Obama in Kraft zu
setzen. Die Agenda der rechten Kräfte ist die Gewalt […]. Die Rechte
hat eine Roadmap für den Staatsstreich veröffentlicht, der im Dekret von Obama
verbrieft ist“, zitiert El Tiempo den Gouverneur der Region Aragua und hochrangiges
Mitglied der PSUV („Vereinigte Sozialistische Partei Venezuelas“), Tareck El
Aissam.
In den vergangenen Jahren hatte die
Regierung von Venezuela eine Reihe von Ölprojekten, unter denen sich
auch Projekte von US-Ölkonzerne befanden, verstaatlicht.
Deshalb musste Venezuela im Jahr 2014 dem Ölkonzern Exxon Mobil 1,6 Milliarden
Dollar als Entschädigung zahlen. Das hatte das Schiedsgericht der Weltbank
entschieden, berichtet TelesurTV.
Venezuela hatte im Jahr 2007 den
gesamten Öl-Sektor verstaatlicht und die US-Öl-Konzerne aus dem Land gejagt.
Seitdem sind die Beziehungen zwischen
Washington und Caracas gestört. Im vergangenen Jahr hatte Maduro gesagt, dass
Exxon Mobil aktiv daran arbeite, Venezuela zu destabilisieren. „Es gibt eine
brutale Kampagne gegen Venezuela, die von Exxon Mobil finanziert wird“, zitiert
telesurtv Maduro.
Zuvor war bekannt geworden,
dass die USA die
Opposition in Brasilien unterstützt hatten, um die Präsidentin Dilma Rousseff zu stürzen. Rousseff verweigert US-Öl-Konzernen den
Zugang zum brasilianischen Ölmarkt. Der derzeitige
Interimspräsident Michel Temer soll Informant der US-Regierung gewesen sein. Temer war maßgeblich am Sturz von Rousseff
beteiligt gewesen sein. Wikileaks veröffentlichte vertrauliche Depeschen über
die Tätigkeit Temers. Erst kürzlich hatten sich seine Leute mit US-Senatoren
getroffen, um über eine Kooperation im Erdöl-Sektor zu beraten.
Doch auch
der ehemaligen US-Verbündete Saudi-Arabien ist im Visier Washingtons. Es gibt wichtige Anzeichen dafür, dass sich die Saudis auf das Exil
vorbereiten, da sie einen Umsturz befürchten.
Der ehemalige Stabschef im Pentagon, Lawrence Wilkerson, sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten:
„Wir müssen uns auch im Klaren darüber sein, dass der Arabische Frühling – ich
nenne es Arabischer Winter – noch nicht vorüber ist. Die Könige und Emire von
Bahrain, Saudi-Arabien und Katar und andere sind alle verängstigt. Die Welt
verändert sich, und diese Emire und Könige sind auf der falschen Seite der
Geschichte. Ihre Tage sind gezählt.“
Saudi-Arabien und die übrigen
Golf-Staaten gehören zu den wichtigsten OPEC-Staaten. Durch
den Machtverlust der Scheich-Monarchien könnte die OPEC
zerschlagen werden, was insbesondere der US-Frackingindustrie
zugute kommen würde, da der Einfluss von anderen Energieanbietern gebrochen
wäre. Zuletzt hatte die
US-Frackingindustrie die Produktion erneut aufgenommen, da der Ölpreis sich
erholte. Die Erhöhung der
Produktion muss zwangsläufig zum erneuten Rückgang des Ölpreises führen,
wodurch wiederum Länder wie Saudi-Arabien, aber auch Russland, der Iran,
Nigeria, Venezuela und weitere Öl- und Gasproduzenten geschädigt werden.
Forbes berichtet, dass die USA dabei sind, den Öl-Krieg
gegen die OPEC und Saudi-Arabien zu gewinnen. Nach einer Analyse von Oilprice.com kann Saudi-Arabien den Ölpreis-Krieg gegen die
USA nicht gewinnen, da niedrige Ölpreise „ein Vorteil für die US-Wirtschaft und
die US-Bürger, aber eine Katastrophe für die OPEC und Saudi-Arabien sind“.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten vom
1.5.2016
Mit steigenden
Ölpreisen haben die ersten US-Fracking-Firmen die Förderung wiederaufgenommen
oder gesteigert. Ein Preis um 50 Dollar pro Barrel scheint sich für viele
aufgrund günstigerer Fördertechniken bereits zu rentieren. Letztendlich dürfte
dadurch das globale Überangebot zementiert werden – worauf die Preise wieder
unter Druck geraten.