USA mischt sich in innere Angelegenheiten von Staaten
ein
EU kuscht
Imperiales
Gehabe: der lange Arm der US-Gesetze
von Stefan Buchen vom 1.12.2016
Als wir Ulrich Wippermann im September in Bonn treffen, ist er arbeitslos.
Bis Februar 2014 war ein erfolgreicher Unternehmer, Vorstandsmitglied einer
Aktiengesellschaft. Aber er hatte einen mächtigen Gegner: die Regierung der
Vereinigten Staaten von Amerika. Dem Finanzministerium in Washington gefielen
Wippermanns Geschäftsaktivitäten offenbar nicht. Am 06. Februar 2014 setzte der
"US-Treasury" ihn und seine Firma auf die Schwarze Liste der
Terrorfinanzierer und Verbreiter von Massenvernichtungswaffen. Das bedeutete
für ihn das wirtschaftliche Aus.
Imperiales Gehabe: der lange Arm der
US-Gesetze
Obwohl sie nach deutschem und europäischem Recht legal handeln, setzen die USA
manche Firmen auf Schwarze Listen. Regieren die USA in das Wirtschaftsleben
anderer Staaten hinein?
Plötzlich auf der Blacklist
Plötzlich auf der "Blacklist": Ulrich Wippermann.
"Was könnten wir gemacht haben?" Mit dieser Frage erinnert sich
Wippermann an den Schock jener Tage. Gegenüber Panorama erzählt er erstmals
seine Geschichte. Wippermann war im Vorstand des Finanzdienstleisters
"Deutsche Forfait AG" in Köln zuständig für das Irangeschäft. Er
hatte deutschen und europäischen Industrieunternehmen geholfen, den Export
ihrer Güter in den Iran abzuwickeln. Nach deutschem und europäischem Recht
waren diese Geschäfte legal. Das bestätigte sogar die Bundesbank in einem
Prüfbericht, der Panorama vorliegt.
Pauschalvorwurf der
Terrorfinanzierung
Aber die US-Regierung wollte den wirtschaftlichen Druck auf das Regime in
Teheran weiter erhöhen. Und da störte Wippermann anscheinend. Der deutsche
Unternehmer kritisiert, dass er "außer dem Pauschalvorwurf der
Terrorfinanzierung" nie erfahren habe, was gegen ihn vorliegen soll.
Der Unternehmer zog sich aus dem Vorstand der Deutschen Forfait zurück,
"um weiteren Schaden von dem Unternehmen abzuwenden", wie er sagt.
Dar Schaden war eh schon immens. "Auf irgendwas zwischen 150 und 200
Millionen Euro", schätzt Wippermann die Verluste durch den Eintrag auf der
Schwarzen Liste des US-Finanzministeriums. Denn kaum jemand wollte die Kölner
Firma noch als Geschäftspartner haben. Die Aktie stürzte ab.
US-Finanzministerium will sich
nicht äußern
Gefährden die Personen und Unternehmen auf der Blacklist die nationale
Sicherheit der USA?
Auf Anfrage von Panorama möchte das US-Finanzministerium sich nicht zum
Vorgehen gegen den deutschen Unternehmer äußern. Klar ist jedoch, dass die
Vereinigten Staaten den Personen und Unternehmen auf ihrer Blacklist
unterstellen, ihre nationale Sicherheit zu gefährden. Gegen den Iran hat der
US-Kongress seit langem scharfe Sanktionen verhängt, die letztlich das Ziel
haben, das schiitische Klerikerregime wirtschaftlich in die Knie zu zwingen.
Dieses Ziel wird von Deutschland und der EU nicht geteilt. "Die
US-Regierung sagt: 'Wenn Du nicht das machst, was wir von Dir wollen, deutscher
Geschäftsmann, dann ruinieren wir Dich'", fasst Wippermann die Lage aus
seiner Sicht zusammen.
Regiert die USA in das
Wirtschaftsleben anderer Staaten hinein?
Darf die US-Administration um ihrer eigenen geostrategischen Ziele willen
in das Wirtschaftsleben anderer Staaten hineinregieren? Der Fall Wippermann
wirft diese Frage in besonders eklatanter Weise auf. In allen möglichen
Ausprägungen steht das Problem auf der Tagesordnung, und der neue Präsident
Donald Trump wird diese Konflikte wohl kaum entschärfen.
Ein chinesischer Investor will das deutsche Unternehmen Aixtron, ein
Spezialist für die automatisierte Herstellung von Computerchips, für 670
Millionen Euro kaufen. Die Administration in Washington hat die Übernahme
gestoppt, weil sie "die nationale Sicherheit" der Vereinigten Staaten
bedrohen würde. Die deutschen Anlagen ließen sich auch militärisch nutzen, so
der Einwand aus den USA. Eine US-Behörde prüft also Firmenfusionen im
Ausland und erhebt den Anspruch, diese aus politischen Gründen verbieten zu
können.
"Extraterritoriale Anwendung
nationalen Rechts"
"Extraterritoriale Anwendung nationalen Rechts" nennen das
Experten. Und die kann "geradezu feindselig" sein, meint Winfried
Huck, Professor für Wirtschaftsrecht an der Hochschule für angewandte
Wissenschaften in Wolfenbüttel. Tatsächliche Machtverhältnisse spielten hier
eine größere Rolle als die reine Lehre des Völkerrechts. "Man kann sagen:
Das US-amerikanische Recht gilt nicht in der EU und es gilt nicht unmittelbar
in Deutschland. Aber es wirkt", beschreibt Huck die Situation.
Geschäftsbeziehung zu Iranern im
Einklang mit deutschem Recht
Plötzlich gefeuert, weil die USA es so wollten: Lars Christiansen.
Das hat auch Lars Christiansen gespürt. Bis vergangenes Jahr arbeitete der
46-Jährige für die Commerzbank in Hamburg als Spezialist im "Cash
Management & International Business". Dann kam die Kündigung. Dabei
hatte Christiansen nicht gegen Regeln des Arbeitgebers verstoßen, im Gegenteil.
Er hatte die Geschäftsbeziehung zur staatlichen iranischen Reederei
"IRISL" ausgebaut. Genau das hatten seine Vorgesetzten und der
Vorstand in Frankfurt von ihm erwartet. Die Geschäftsbeziehung zu den Iranern
stand im Einklang mit deutschem und europäischem Recht.
Kündigung unrechtmäßig?
Die Staatsanwaltschaft New York und das US-Justizministerium warfen der Commerzbank
jedoch Verstöße gegen
US-Recht vor. Ein Strafverfahren gegen die Commerzbank wurde eröffnet. Um
dieses zu beenden, stimmten die Deutschen einem Vergleich zu. Darin verpflichteten sie sich
unter anderem zur Zahlung von 1,3 Milliarden Dollar Strafe und zur Entlassung
von vier Angestellten in Deutschland, unter ihnen Lars Christiansen. "Ich
habe nie damit gerechnet, arbeitslos zu werden", sagt er. Der Hamburger
Bankfachmann will nicht hinnehmen, dass US-Behörden eine Kündigung in Deutschland
erzwingen können, obwohl dem Angestellten nach deutschem Recht kein
Fehlverhalten vorgeworfen werden kann.
"Ich werde kämpfen", betont Christiansen. Zwei Gerichtsinstanzen haben ihm
bereits Recht gegeben. Die Richter stellten fest, dass er "wegen Drucks
durch Dritte", also der Vereinigten Staaten, entlassen wurde. Die
Commerzbank will die Kündigung jedoch durchboxen. Deshalb kommt der Fall jetzt
vor das Bundesarbeitsgericht. Auf Anfrage sagt die Commerzbank, dass sie sich
zu "arbeitsrechtlichen Verfahren" öffentlich nicht äußern möchte.
Wirkungslose Waffe gegen
Embargogesetze
Eigentlich haben die Europäer ein Instrument, um die Übergriffe der
US-Behörden abzuwehren. 1996 gab die EU sich eine Verordnung gegen die
"extraterritoriale Anwendung nationaler Sanktionsgesetze". Es
war eine Antwort auf das Kuba- und das Iran-Embargo der USA. Demnach ist es
europäischen Unternehmen sogar verboten, sich an nationale Embargogesetze der
Vereinigten Staaten zu halten. Aber in der Praxis blieb diese Waffe stumpf. In
der politischen Wirklichkeit nehmen die Europäer die amerikanische
Übergriffigkeit hin. Nichts spricht dafür, dass sich das unter Trump ändern
wird.
Zu diesem Thema erscheint am 1.
Dezember ein ausführlicher Artikel in der Ausgabe der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung"
(FAZ)