USA drohen China
Kriegsgerät für Taiwan
USA liefern immer mehr Waffen an die Insel – und
erhöhen auch politisch den Druck auf China
von Jörg Kronauer
Hintergrund: Auf dem Präsentierteller
Daniel L. Davis ist kein Anhänger der Volksrepublik China. Der
US-Oberstleutnant hat vier Einsätze in Kampfgebieten absolviert und ist heute
als Militärstratege aktiv. Er spricht sich aber dennoch – oder gerade deshalb –
vehement dagegen aus, für Taiwan in den Krieg zu ziehen, sollte die
Volksrepublik die Insel wider Erwarten militärisch erobern wollen. Denn ein
solcher Krieg, das schrieb Davis kürzlich in verschiedenen Medien,
beispielsweise in der Londoner Tageszeitung The Guardian, sei für die
Vereinigten Staaten nicht zu gewinnen. Bestenfalls könnten sie die chinesischen
Truppen zurückschlagen, säßen dann aber auf Dauer auf dem Präsentierteller fest
und müssten jederzeit mit weiteren chinesischen Angriffen rechnen.
Wahrscheinlicher sei allerdings, dass sie unter schweren Verlusten geschlagen
würden: Chinas militärische Kapazitäten vor seinen Küsten seien inzwischen
äußerst stark. Schlimmstenfalls könne man sogar in einen ausgewachsenen
Atomkrieg schlittern. Erstrebenswert, urteilte Davis, sei nichts davon.
Was aber denn dann? Keinen Krieg für Taiwan führen, empfiehlt Davis. Sollte
Beijing tatsächlich Taiwan attackieren, dann werde es nicht nur militärisch
geschwächt aus dem Waffengang hervorgehen. Es biete zudem den USA die Chance,
eine globale Sanktionskampagne gegen die Volksrepublik zu starten und China als
einen kriegerischen Schurkenstaat auszugrenzen. Präsident Xi
Jinping werde dauerhaft als Aggressor gebrandmarkt,
die Volksrepublik bei ihren Bemühungen um internationale Anerkennung um
Jahrzehnte zurückgeworfen. Die Vereinigten Staaten dagegen, im Besitz ihrer
unbeschädigten militärischen wie auch sonstigen Kapazitäten und in der Lage,
sich moralisch überlegen zu präsentieren, erhielten die Chance, sich
unhinterfragt an die Spitze der Weltpolitik zu setzen. Wahrscheinlich werde es
aber gar nicht dazu kommen: Taipeh, von den USA bei seinem aggressiven Kurs
gegen Beijing nicht mehr gedeckt, werde sich wohl mit dem Status quo
zufriedengeben und Differenzen im Gespräch mit der Volksrepublik beilegen. Das
sei allemal besser als ein nicht zu gewinnender Krieg. (jk)
Einmal mehr
schlagen seit dem vergangenen Wochenende im Konflikt um Taiwan die Wellen hoch.
Taiwans »Präsidentin« Tsai Ing-wen hatte in einer
Rede zum Nationalfeiertag ausdrücklich betont, sie lehne eine Wiedervereinigung
der Insel mit dem chinesischen Festland konsequent ab, und unter dem Beifall
des Westens sodann angekündigt, beträchtlich gegen die Volksrepublik aufrüsten
zu wollen. Beijing wiederum hatte sich vernehmlich gegen Tsais
Äußerungen positioniert und binnen weniger Tage rund 150 Militärflugzeuge in
Taiwans sogenannte Luftraumüberwachungszone fliegen lassen. Seitdem
überschlagen sich westliche Medien beinahe mit Warnungen vor einem möglichen
Krieg.
Nimmt man die offiziellen Positionen der in den Konflikt involvierten Staaten
zum Anlass, dann gibt es durchaus Hoffnung, eine Eskalation könne vermieden
werden. Chinas Präsident Xi Jinping
hat am vergangenen Wochenende bekräftigt, Beijing strebe zwar eine
Wiedervereinigung mit Taiwan an, wolle sie aber »mit friedlichen Mitteln«
erreichen. Lediglich diejenigen, die »das Land spalten« wollten, würden »kein
gutes Ende nehmen«, warnte Xi, indirekt darauf Bezug
nehmend, dass sich die Volksrepublik bei einer formellen Abspaltung Taiwans
militärische Schritte vorbehält. Taiwans Bevölkerung befürwortet eine formelle
Abspaltung ohnehin nicht und zieht überwiegend die Beibehaltung der
gegenwärtigen De-facto-Eigenständigkeit vor. Die Regierung von US-Präsident
Joseph Biden wiederum hat diese Woche einmal mehr bestätigt, sie halte an der
»Ein-China-Politik« fest, erkenne Taiwan also – ungeachtet ihrer engen
Kooperation mit der Insel – nicht als eigenen Staat an. Damit wären also die
Voraussetzungen gegeben, den Status quo zu bewahren, der immerhin eine Art
kalten Frieden bringt.
Geostrategische Ziele
Wären. Denn in dem Konflikt geht es längst um anderes, um übergeordnete
geostrategische Ziele. Das liegt daran, dass Taiwan Teil der sogenannten ersten
Inselkette vor der chinesischen Küste ist. Gemeint ist eine lange Reihe von
Inseln, die im Norden mit Japans Hauptinseln beginnt und sich in Richtung Süden
über das japanische Okinawa, Taiwan und die Philippinen bis Borneo erstreckt.
Heute wird die erste Inselkette weithin von US-Verbündeten kontrolliert.
Beijing, im Bestreben, sich gegen mögliche westliche Angriffe zu schützen, hat
in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gewaltig aufgerüstet und verfügt
mittlerweile über die größte Marine der Welt – zwar nicht nach Kampfkraft, aber
immerhin nach Schiffszahl. Und es drängt, um den Offensivdruck vor allem der
Vereinigten Staaten zu lindern, mit seiner Marine zunehmend über die erste
Inselkette hinaus. US-Strategen sprechen vom chinesischen Versuch, aus ihr
»auszubrechen« und Einfluss im Westpazifik zu gewinnen. Das wiederum will
Washington mit allen Mitteln verhindern.
Zu diesem Zweck setzen die Vereinigten Staaten und ihre westlichen Verbündeten
immer mehr auf Taiwan. Das geschieht zum einen – Stärkung der Kontrolle über
die Inselkette – militärisch. Bereits die Regierung von US-Präsident Barack
Obama hatte begonnen, Taipeh stark aufzurüsten. Obama genehmigte
Waffenlieferungen im Wert von rund 14 Milliarden US-Dollar, mehr als all seine
Amtsvorgänger seit der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zu Beijing 1979
zusammen. US-Präsident Donald Trump steigerte die Summe in seiner Amtszeit auf
mehr als 18 Milliarden US-Dollar. Sein Nachfolger Biden hat im August den
nächsten Aufrüstungsschritt im Wert von rund 750 Millionen US-Dollar erlaubt.
Hinzu kommt eine offenbar wachsende Präsenz von US-Militärs auf Taiwan. Ergänzt
wird all dies durch stetige militärische Provokationen, die gewöhnlich darin
bestehen, westliche Kriegsschiffe durch die Taiwanstraße zu schicken. Ein
aktuelles Beispiel: Ende September durchquerte die britische Fregatte »HMS
Richmond« die Meerenge zwischen Taiwan und dem chinesischen Festland. Die
Fregatte ist Teil der Flugzeugträgerkampfgruppe um die »HMS Queen Elizabeth«,
die seit einigen Monaten in den Gewässern des Indischen und des Pazifischen
Ozeans kreuzt.
Der Westen erhöht den Druck auf Beijing in Sachen Taiwan auch auf politischer
Ebene. Schon die Trump-Administration hatte die Beziehungen zu Taipeh förmlich
aufzuwerten begonnen und etwa im Jahr 2018 den Taiwan Travel Act verabschiedet,
der wechselseitige Besuche von Funktionären erleichtert. Die Biden-Administration
setzt derlei Nadelstiche fort. Am 20. Januar wurde mit Hsiao
Bi-khim erstmals eine offizielle Vertreterin Taiwans
in den USA zur Amtseinführung des neuen US-Präsidenten eingeladen.
Symbolische Auswertung
Einige Verbündete der Vereinigten Staaten tragen ihren Teil zur
Verschärfung der Spannungen bei. Litauen etwa hat mit einer symbolischen
Aufwertung von Taipehs Vertretung in Vilnius Beijing gezielt provoziert – und
fordert nun gegen chinesische Reaktionen die Unterstützung der gesamten EU. Australiens
früherer Premierminister Anthony Abbott wiederum hat der Volksrepublik
vergangene Woche in einer Rede in Taipeh »Kriegslust« unterstellt. Es fällt
schwer, diese und andere seiner Äußerungen nicht Hetze zu nennen.
Worin der nächste Schritt der Vereinigten Staaten bestehen könnte, hat am
Donnerstag Admiral Philip S. Davidson erläutert, ein ehemaliger Kommandeur des
US Indo-Pacific Command. Wie Davidson der japanischen
Tageszeitung Asahi Shimbun bestätigte, wollen
die US-Streitkräfte Raketen mit einer Reichweite von mehr als 500 Kilometern
auf der ersten Inselkette stationieren. Details gab er noch nicht preis. Die
erste Inselkette, Taiwan womöglich inklusive, würde damit quasi zur
Raketenabschussrampe für einen Krieg gegen China.
Die Volksrepublik hat in jüngster Zeit zuweilen mit Demonstrationen ihrer
militärischen Stärke klargestellt, dass sie sich nicht auf der ersten
Inselkette einkesseln und dann eventuell auch noch beschießen lassen wird. Teil
dieser Demonstrationen war die Entsendung von rund 150 Militärflugzeugen
innerhalb weniger Tage in Taiwans Luftraumüberwachungszone. Man muss aber
hinzufügen: Die Flugzeuge drangen nicht in Taiwans Luftraum ein. Die viel
größere Luftraumüberwachungszone – sie reicht bis auf Chinas Festland – hat
keine völkerrechtliche Grundlage, und ihrerseits nehmen etwa die
US-Streitkräfte keinerlei Rücksicht auf die Luftraumüberwachungszone der
Volksrepublik. Dieser Kontext ist wichtig.
Signal an China: USA planen Ausweitung von Militärübungen in Thailand
Thailand ist schon seit Jahrzehnten ein
enger US-Verbündeter. Zuletzt fanden gemeinsame Übungen beider Armeen aufgrund
der Corona-Pandemie nur in kleinerem Rahmen statt. Doch Washington hofft, dass
sich das bereits im nächsten Jahr ändern wird.
Die USA planen, die thailändisch-US-amerikanischen Militärübungen Cobra Gold,
im Jahr 2022 wieder in vollem Umfang stattfinden zu lassen. Der Umfang der
größten gemeinsamen jährlichen Übungen in Südostasien wurde zuletzt wegen der
Pandemie verkleinert. Das erklärte am Donnerstag der Leiter des US-Kommandos
für den Indopazifik, Admiral John Aquilino, in einem
Interview mit der Zeitung Bangkok Post.
An den jährlichen Übungen nehmen in diesem Jahr lediglich 600 US-Soldaten teil,
während vor der Pandemie durchschnittlich 7.000 amerikanische Soldaten zur
Verfügung standen. Aquilino äußerte: "Gemeinsam
mit dem thailändischen Oberbefehlshaber Chalermpol Srisawat werden wir uns bemühen, so schnell wie möglich zur
Normalität zurückzukehren. Und in Zukunft werden wir hoffentlich die Komplexität
der Übung ausweiten und möglicherweise sogar die Zahl der teilnehmenden
Nationen erhöhen."
Der US-General fügte hinzu, dass die Übungen gemäß den von der thailändischen
Seite festgelegten COVID-19-Vorschriften durchgeführt werden. Im Jahr 2023
sollen die Übungen weiter ausgeweitet werden.
Zur möglichen Wiederaufnahme regelmäßiger Freundschaftsbesuche von
US-Kriegsschiffen in Thailand, die wegen der Pandemie vorübergehend eingestellt
worden waren, sagte Aquilino, die USA seien bereit,
ihre Schiffe zu entsenden. Die Zustimmung Bangkoks stehe jedoch noch aus.
Aquilino wies auch darauf hin, dass die Allianz
zwischen den USA und Thailand für die Gewährleistung von Frieden, Sicherheit
und Stabilität in Südostasien wichtig sei. Dies äußerte er hinsichtlich möglicher
Konfrontationen mit China im Südchinesischen Meer.
In diesem Jahr haben 27 Staaten an den Cobra-Gold-Übungen teilgenommen. Ziel
der Übungen war es, die militärische und humanitäre Koordination zwischen den
nationalen Streitkräften zu verbessern.
Quellen: https://www.jungewelt.de/artikel/412532.konflikt-um-taiwan-kriegsger%C3%A4t-f%C3%BCr-taiwan.html
https://de.rt.com/international/125716-signal-an-china-usa-planen-ausweitung-militaeruebungen/
15.10.2021