USA
Bundesrepublik
Trumps Truppenabzug: „Sagen wir es
brutal...“
Experte zu Gewinnen Berlins und
wahren US-Absichten
von Liudmila Kotlyarova
US-Medien
zufolge plant Präsident Donald Trump, 9500 von insgesamt 35000 US-Militärs aus
Deutschland abzuziehen. Zugleich pocht Warschau auf eine Verstärkung der
US-Präsenz in Polen, was die Gemüter in Berlin spaltet. Was steckt dahinter?
Der Sicherheitsexperte Dr. Siegfried Fischer nimmt sich der Sache in einem
Sputnik-Gespräch ungeschönt an.
Dabei steht
im Hintergrund der gesamten Diskussion allerdings nicht nur dieser angeblich
neue „Plan“ Trumps, dazu noch die Obergrenze von 25.000 in Deutschland
gleichzeitig präsenten US-Soldaten einzuführen, sondern auch die öfteren Drohungen seines Ex-Botschafters Richard Grenell sowie der US-Botschafterin in Warschau, Georgette
Mosbacher, rund um die steigende Abneigung gegen die US-Atomwaffen. Im Sommer
2019 hatte Trump dem polnischen Amtskollegen Andrzej Duda noch versprochen, die
Verlegung von etwa 2000 US-Soldaten aus Deutschland nach Polen zu erwägen –
und? Die Bundesregierung sei nun tatsächlich über solche Überlegungen in der
US-Regierung informiert worden, bestätigte die stellvertretende
Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Mittwoch in
Berlin. Am Montag hatte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer
(CDU) noch gemeldet, man habe noch keine derartige Bestätigung aus Washington
erhalten.
„Derartige
Abzugszahlen rütteln doch nicht am Bestand, weil…“
Für den
Experten für Sicherheitspolitik beim „WeltTrends-Instituts
für Internationale Politik“, Dr. Siegfried Fischer, ist die ganze
US-Truppenabzugsgeschichte „bildhaft in Szene gesetzt“, und zwar im Sinne
„unserer schönen Bild-Zeitung“. Warum? „Wenn ich in die Fakten reingehe, dann
rütteln diese Zahlen doch nicht am Bestand“, sagt Fischer gegenüber Sputnik.
Sein Standpunkt ist: Deutschland hat kräftig für die 35.000 US-Soldaten sowie
für die 17.000 zivilen Angestellten und deren Familienangehörige bezahlt und
wird das auch weiter für eine leicht verringerte Zahl tun müssen. Die 480
Millionen Euro, die der Bund von 2012 bis 2019 für alle militärischen
Baumaßnahmen von Nato-Partnern in Deutschland verplante, entfielen laut dem
Finanzministerium „fast ausschließlich“ auf die USA. Von 2019 bis 2030 sind
weitere 650 Millionen Euro vorhergesehen. Allein für den Bau des größten
US-Militärkrankenhauses bei Ramstein übernahm die
Bundesregierung die Planungskosten in Höhe von 151 Millionen Euro. Der Vorwurf,
Deutschland bekomme den amerikanischen Schutz umsonst, sei eine Lüge.
Wirtschaftlich
interessant werde es erst, wenn es um die Aufgabe ganzer US-Garnisonen in
Deutschland geht, von denen gerade zwei für fast zwei Milliarden Dollar
modernisiert werden, denn die seien eine erhebliche Einnahmequelle für die
jeweilige Region. Wenn jetzt beinahe 10.000 weitere Soldaten gehen müssten,
sagt Fischer weiter, dann kratze das eben nicht am Bestand der
US-amerikanischen Stationierungspolitik. Die USA würden z. B. nie im Leben Ramstein aufgeben, glaubt Fischer, auch weil diese Militärbasis,
die gewissermaßen eine amerikanische Enklave auf deutschem Boden sei, das
Zentrum der militärischen Logistik und Überwachung für Nordafrika, den Nahen
Osten und Osteuropa darstelle. Die „bildhaften“ Abzugsdrohungen seien nichts
weiter als ein schmutziges politisches Spiel mit der Öffentlichkeit.
Schließlich
ist die Geschichte der US-Truppenstationierungen laut Fischer nur ein Teil der
langfristigen Pläne der USA bezüglich Europas, die der polnisch-amerikanische
Politologe und Politikberater Zbignev Brzezinski
einmal gut erklärt hat. Demnach wollen die USA die sogenannte europäische
Kernzone Frankreich-Deutschland-Polen-Ukraine beherrschen. Diese Kernzone müsse
man nicht einmal richtig spalten, es reiche schon, wenn man die einzelnen
Spieler in seine Spielchen einbinde, also die Schwächen des einen durch die
Stärken des anderen ausgleiche, sagt der Experte weiter gegenüber Sputnik.
Inwiefern?
„Die Amis
haben Frankreich unter De Gaulle praktisch verloren, dort fußt dieses Amerika
nicht mehr. Deutschland wurde seinerzeit ideal nach dem US-Bild geformt und ist
nach wie vor einer der treuesten Verbündeten. Polen kommt wirtschaftlich immer
stärker in der EU nach oben, erweitert unter der konservativen Regierung neben
den historischen Ressentiments zu Russland auch die zu Deutschland und wäre ein
idealer Partner für die USA, sollte Deutschland schwächeln. Die Ukraine wäre
künftig ein potenzieller Bündnispartner, das wäre bei dem dortigen Oligarchensystem auch leicht etablierbar.“
„Davon
hängt das Wohl und Wehe der Bundesrepublik nicht ab“
Auch steht
für Fischer fest: Jegliches deutsches Gejammere um
den Abzug von ein paar weiteren US-Soldaten, deren Numerik nicht an der High Tec Kampfkraft des US-Militärs kratzt, ist schlichtweg
Augenauswischerei. Davon hänge das Wohl und Wehe der Bundesrepublik nicht ab.
Gegenüber dem Militärabbau in Ost- und Westdeutschland nach der
Wiedervereinigung seien das nur Peanuts. Es sehe aber so aus, als ob sich
deutsche Politiker mit ihren Krokodilstränen die
Gunst des großen Nato-Bruders erhalten bzw. erkaufen wollten.
Aber auch
eine „Augenauswischerei“ habe auf der politischen Ebene ihre objektiven Gründe,
gibt der Experte gleichfalls zu. „Sagen wir es mal brutal: Die
US-Stationierung, die zweitgrößte hinter Japan, erleichtert es den Deutschen
natürlich, die eigenen Militärausgaben in Grenzen zu halten.“
Sicherheitspolitisch bleibe die Bundesrepublik allerdings von den inzwischen
nicht gerade freundschaftlichen und partnerbewussten Egoismen der Amerikaner
abhängig und könnte gelegentlich in neue US-Desaster und Abenteuer
hineingezogen werden. Auch eine europäische sicherheitspolitische Emanzipation
werde so verlangsamt.
Haben die
Deutschen in Wirklichkeit nichts zu sagen?
In dieser
Hinsicht ist die Rechtfertigung der sogenannten nuklearen Teilhabe
Deutschlands, die ja bis zum Einsatz der in Büchel gelagerten US-Atomwaffen
durch die deutsche Luftwaffe reicht, laut Fischer nichts Weiteres als „eine
Chimäre“, „eine Blendung“, „ein Trostpflaster“ in dem Sinne: „Ihr Deutschen
könnt im Vorfeld was dazu sagen, aber in Wirklichkeit habt ihr in der
Entscheidungskette nichts zu sagen.“ Warum will also AKK unbedingt Flugzeuge
bei den Amerikanern kaufen, die die US-Atombomben transportieren sollten, warum
kann der Eurofighter diese Atombombe nicht tragen, fragt Fischer zurück und
weiß selbst zu antworten:
„Weil er ein
Genehmigungsverfahren durch die USA durchlaufen müsste, eine Verifizierung, die
die Amerikaner deshalb nicht geben werden, weil sie ihre eigenen Flugzeuge
verkaufen wollen. Andersrum sind die Atomwaffen auf dem deutschen oder dem
polnischen Boden ein Erpressungsmittel gegen jeglichen Versuch einer deutschen
oder polnischen Regierung, aus diesem Druck auszusteigen. Wir sind in dieser
Hinsicht in einer US-Geiselhaft. Das hat Gregor Gysi gemeint, als er Polen vor
einer russischen Antwort warnte, aber wen interessiert das schon in Polen?
Kürzlich sind vom Nationalen Sicherheitsrat der USA übrigens dokumentarische
Beweise freigegeben worden, dass es in den USA 1990 doch Willenserklärungen
gab, dass die Nato sich nicht nach Osten erweitert. Doch auch das findet kaum
noch Resonanz, egal ob in Deutschland oder in Polen."
Mehr als
leere Worte? Bundesregierung wurde über US-Truppen-Abzugspläne informiert
Offenbar
beruhen die US-Pläne für einen Teilabzug der Truppen aus Deutschland auf mehr
als leeren Worten. Mittlerweile ist die Bundesregierung über die Abzugspläne in
Kenntnis gesetzt worden. Eine abschließende Entscheidung stehe aber noch aus,
so eine Regierungssprecherin am Mittwoch.
Bereits seit
dem vergangenen Jahr kündigten insbesondere US-Präsident Donald Trump und der
umstrittene US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell,
an, die Militärpräsenz in Deutschland zu reduzieren. Was zunächst als
vermeintliche Drohgebärde von spezifischen Akteuren im Raum stand, wurde am
Mittwoch seitens der Bundesregierung als offizieller US-Regierungsplan
bestätigt, der entsprechend kommuniziert worden sei.
"Die
Bundesregierung ist darüber informiert worden, dass es in der US-Administration
Überlegungen gibt, die Präsenz der US-Streitkräfte in Deutschland zu
reduzieren", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Mittwoch in Berlin auf die Frage, ob es aus
Washington nach entsprechenden Medienberichten auch eine offizielle Bestätigung
gegeben habe. Sie fügte hinzu: "Eine abschließende Entscheidung gibt es
nach unserem Kenntnisstand aber nicht."
In den
vergangenen Tagen hieß es in Medienberichten, dass US-Präsident Donald Trump
9.500 der rund 34.500 US-Soldaten aus Deutschland abzuziehen gedenke. Eine
offizielle Bestätigung aus dem Weißen Haus oder dem Pentagon hatte es zunächst
nicht gegeben. Die Ankündigungen des republikanischen US-Präsidenten und des
bisherigen US-Botschafters in Deutschland wurden zumeist auf die angeblich zu
geringen deutschen Militärausgaben bezogen und so als Drohung eingestuft.
Allerdings ist der deutsche Verteidigungsetat zuletzt kräftig gestiegen und
über die Shoppingliste des Verteidigungsministeriums für eine neue
Tornado-Flotte dürfte sich Washington freuen, profitiert doch die
US-Rüstungsindustrie vom Milliardenbetrag, der für US-Kampfflugzeuge vorgesehen
ist.
Zudem gibt
es auch Sorgen, dass die US-Militärmacht schließlich durch einen Teilabzug von
Truppen aus Deutschland geschmälert werde – und das auch noch zugunsten
Moskaus. So heißt es in einem Brief an Trump, den mehr als 20 Republikaner des
Militärausschusses im Abgeordnetenhaus unterzeichneten: "Wir glauben,
dass solche Schritte die nationale Sicherheit der USA erheblich schädigen und
die Position Russlands zu unserem Nachteil stärken würden."
Wichtige
Plattform für die Weltpolizei – und gegen Moskau
Zwar finden
auch sie, dass Deutschland als NATO-Verbündeter noch mehr zu den kollektiven
Militärausgaben beitragen sollte, doch die Reduzierung der US-Soldaten in
Europa könne zu "weiteren Aggressionen" aus Moskau führen. Aus Sicht
der Abgeordneten würde dies auch logistische Probleme mit sich bringen. Über
Deutschland werden Truppen zu amerikanischen Militärstützpunkten in der ganzen
Welt verlegt.
Ähnlich hatten
sorgenvolle Stimmen darauf hingewiesen, dass die US-Truppenpräsenz in
Deutschland nicht nur Teil amerikanischer Beistandsverpflichtungen innerhalb
der NATO sei, sondern diese es den USA auch erlaube, militärische Macht über
Standorte in Europa beispielsweise in den Nahen Osten und nach Afrika
auszuüben. In Deutschland unterhalten die US-Truppen eine eingespielte Logistik
mit Kasernen, Flugplätzen und sanitätsdienstlichen Einrichtungen, was
Friedensaktivisten Berlin immer wieder ankreiden, da sich Deutschland auf diese
Weise aktiv an den mörderischen und völkerrechtswidrigen Drohnenkriegen der USA
beteiligt.
Politiker
aus Regierungsparteien und der Opposition hatten vor allem kritisiert, dass ein
solcher Teilabzug nicht eben partnerschaftlich, sondern ganz ohne Absprachen
seitens des Verbündeten ins Spiel gebracht wird. Die politische
Verlässlichkeit Trumps in Sicherheitsfragen wird in Europa seit einiger Zeit
thematisiert. Nun wurde öffentlich gemutmaßt, der US-Präsident könne aus
Verärgerung gehandelt haben – weil er die Absage von Bundeskanzlerin Angela
Merkel (CDU) für einen G7-Gipfel in Washington noch vor dem Sommer, bei dem die
Staats- und Regierungschefs trotz Corona-Pandemie persönlich anwesend sein
sollten, nicht goutiert habe.
Quelle: https://de.sputniknews.com/interviews/20200611327353167-us-truppenabzug-expertemeinung/
11.6.2020