US-Sicherheitsberater
Bolton hintertreibt Truppenabzug aus Syrien
Bill Van Auken m 9.1.2019
US-Außenminister
Mike Pompeo und der nationale Sicherheitsberater John Bolton sind auf Tour im
Nahen Osten, um den von Trump angekündigten Truppenabzug zu hintertreiben.
Zweck der Reise ist es, den regionalen US-Verbündeten zu versichern, dass
Washington nicht die von Präsident Donald Trump im vergangenen Monat
angekündigte Entscheidung umsetzen wird, einen raschen und vollständigen Rückzug
der US-Truppen aus Syrien durchzuführen.
Als Trump am
19. Dezember seine überraschende Ankündigung machte, deuteten Regierungsbeamte
an, dass der Präsident einen vollständigen Abzug innerhalb von 30 Tagen
angeordnet hatte. Trump veröffentlichte ein Video auf Twitter und erklärte:
„Unsere Jungs, unsere jungen Frauen, unsere Männer, sie alle kommen zurück und
sie kommen jetzt zurück. Wir haben gewonnen.“
Die
Ankündigung löste einen politischen Feuersturm in Washington aus, der zum
Rücktritt von US-Verteidigungsminister James Mattis sowie dem amerikanischen
Gesandten bei der so genannten Anti-IS-Koalition Brett McGurk führte.
Führende Demokraten sowie die Redaktionen der New York
Times und der Washington Post reagierten,
als wäre Ihnen der Himmel auf den Kopf gefallen. Der Gedanke, dass man den
völkerrechtswidrigen US-Truppeneinsatz in Syrien abrupt beenden könnte, wird
als wahrer Akt des Verrats aufgefasst, das Ausscheiden von General „Mad Dog“
Mattis aus der US-Regierung als nationale Tragödie gehandelt. Die allgemeine
Linie lautet, dass die USA einen unersetzlichen Staatsmann verloren haben,
seine Verantwortung für Kriegsverbrechen im Irak wie in Afghanistan bleibt
dabei ebenso unbeachtet wie seine Prahlerei, dass „es eine Menge Spaß macht,
Muslime zu erschießen“.
Das
Versprechen, die US-Kriege im Nahen Osten und in Afghanistan zu beenden, war
integraler Bestandteil von Trumps „America First“-Wahlkampfprogramm 2016. Trump
setzte sich damit wirksam gegen seine Rivalin Hillary Clinton durch, die
persönlich für die endlosen US-Kriege stand und mit Plänen für eine große
Eskalation der US-Intervention in Syrien warb.
Es war und
ist nichts Pazifistisches an Trumps Agenda. Im Gegenteil: Er will die von ihm
als sinnlos und verschwenderisch betrachteten Militärkampagnen beenden, um die
US-Kriegsmaschine auf die Durchsetzung der ungeschminkten wirtschaftlichen
Interessen im Sinne des US-Imperialismus auszurichten. Dabei bereitet er vor
allem einen Krieg gegen den amerikanischen Hauptkonkurrenten China vor.
Der Zeitpunkt
der Ankündigung von Trump im vergangenen Monat war zweifellos getrieben durch
die sich verschärfende politische Krise seiner Regierung. Trump ist mit
mehreren Untersuchungen konfrontiert, die ihrerseits die bitteren Differenzen
innerhalb des herrschenden Establishments über die Außenpolitik widerspiegeln.
Der Vorwurf der russischen „Einmischung“ in die Wahlen entspringt der
Ausrichtung von Demokratischer Partei, Teilen der herrschenden Klasse und dem
Militär-Geheimdienst-Komplex, die eine direkte Konfrontation mit Russland
suchen und sich jeder taktischen Abkehr davon widersetzen, auch wenn sie das
syrische Schlachtfeld betrifft.
Trump weiß,
dass das Versprechen „die Jungs nach Hause zu holen“ in der amerikanischen
Bevölkerung ankommt. Sie ist den Krieg leid, der seit einem Vierteljahrhundert
im Nahen Osten geführt wird und nichts als Millionen Tote, die Zerstörung
ganzer Gesellschaften und die Verschwendung von Billionen Dollar gebracht hat.
Aber unter
zunehmendem Druck des Pentagons, der Geheimdienste und dominanter Teile der
herrschenden Klasse in den USA, vertreten durch führende Kongressabgeordnete
von Demokraten und Republikanern gleichermaßen, sah sich Trump gezwungen, seine
Forderung nach einem Ende der US-Intervention in Syrien stetig abzuschwächen.
Das militärische
Oberkommando besteht darauf, dass es innerhalb von 30 Tagen keine Möglichkeit
gibt, die US-Truppen abzuziehen - offiziell eine Zahl von 2.000, aber aller
Wahrscheinlichkeit nach eher doppelt so viele - geschweige denn den Berg von
Waffen und Munition, die nach Syrien gebracht wurden. So wurde nachfolgend eine
Frist von vier Monaten gesetzt.
Trump
distanzierte sich dann auch von diesem Zeitrahmen und meinte: „Ich habe nie
gesagt, dass wir es so schnell machen.“
Am Montag
dann gab Trump via Twitter bekannt: „Wir werden in angemessenem Tempo abziehen,
während wir gleichzeitig den IS weiter bekämpfen und alles weitere tun, was
umsichtig und notwendig ist.“
Diese Kehrtwendung ist keine Überraschung. Die World
Socialist Web Site warnte bereits am 22. Dezember: „Jeder, der glaubt,
dass Trumps Entscheidungen über Syrien und Afghanistan eine neue Ära des
Friedens im Nahen Osten oder irgendwo anders auf der Welt einläuten, wird eines
Besseren belehrt werden.
Erstens ist
das Engagement des US-Imperialismus für die Kontrolle über den Nahen Osten und
Eurasien - eine Politik, die die USA seit Jahrzehnten unerbittlich verfolgen -
viel zu groß, um sie durch die Entscheidung eines Präsidenten rückgängig zu
machen.
Senator Mark
Warner, der ranghöchste Demokrat im Senatsausschuss für Nachrichtendienste,
erklärte über Twitter: ‚Wie wir bei der willkürlichen Syrienentscheidung des
Präsidenten gesehen haben, ist unsere nationale Verteidigung zu wichtig, um sie
den Launen des Präsidenten zu überlassen.‘
Außerdem
verändert Trump in Reaktion auf den vielfachen Druck, der auf ihn ausgeübt
wird, tagtäglich seine Politik und Taktik. Was er heute für gültig erklärt,
kann morgen nichtig sein.“
Der rechte
Kriegshetzer Bolton wurde nach Israel und in die Türkei entsandt, um
Washingtons Entschlossenheit zu bekräftigen, alles zu tun, was in Syrien
„umsichtig und notwendig“ ist. Ihm folgt Pompeo, der eine ähnliche Botschaft an
die monarchischen Diktaturen und reaktionären Regime übermitteln soll, aus
denen Washingtons antiiranische Achse in der arabischen Welt besteht.
Der nationale
Sicherheitsberater wies während seiner Reise nach Israel darauf hin, dass es
keine Frist für den Rückzug der US-Truppen aus Syrien gibt und dass die
völkerrechtswidrige Intervention bestehen bleibt. „Der Zeitplan ergibt sich aus
den politischen Entscheidungen, die wir umsetzen müssen“, sagte er.
Diese
„politischen Entscheidungen“ beinhalten nicht nur das Abschlachten der letzten
Überbleibsel vom IS sondern auch den Schutz der kurdischen YPG-Miliz, die als
Bodentruppe des Pentagons fungiert und von der türkischen Regierung als
existenzielle Bedrohung angesehen wird. Zu diesen „Entscheidungen“ gehören auch
die Eindämmung des iranischen Einflusses in Syrien und der Großregion sowie der
Abschluss der 2011 eingeleiteten Regime-Change-Operation zum Sturz der
Regierung von Bashar al-Assad in Damaskus.
Bolton traf
den israelischen Premierminister Benjamin Netanyahu, dessen Regierung ein Recht
auf unbegrenzte Luftangriffe gegen Ziele in Syrien verkündet hat, und
versicherte Folgendes: Selbst wenn die USA ihre Truppen aus Nordostsyrien
abziehen würden (wobei man viele von ihnen einfach über die Grenze zum
al-Asad-Flugplatz im Irak verlegt), könnte man eine permanente Präsenz auf der
US-Basis in al-Tanf aufrechterhalten, die auf einer strategischen Route
zwischen Teheran und Damaskus liegt.
Bolton warnte
zudem, die Assad-Regierung könne während oder nach einem Truppenabzug der USA
überall in Syrien einen Chemiewaffenangriff starten. Die Trump-Regierung hat
bereits zweimal, im April 2017 und April 2018, fabrizierte Chemiewaffenvorfälle
als Vorwand für Raketenangriffe auf Syrien genutzt.
Bolton
drohte, im Falle eines erneuten Chemiewaffenangriffs würden „viele Optionen auf
dem Tisch liegen.... Wenn sie die Lehren aus diesen beiden Schlägen nicht
ziehen, wird der nächste noch heftiger ausfallen.“
Eine Kolumne in der Washington Post von Hugh Hewitt, einem rechten
Radiomoderator und ehemaligen Mitarbeiter der Reagan-Regierung, der Trump
unterstützt, aber seinen nationalen Sicherheitsberater noch mehr unterstützt,
erläuterte die Bedeutung von Boltons Drohung:
„Wir wissen
über Bob Woodward, dass bei der Anordnung des zweiten Schlags gegen Assad durch
Trump der damalige Verteidigungsminister Jim Mattis einige Optionen nicht nutzte.
So führte er nicht den direkten Schlag gegen Assad aus, den der Präsident
angeordnet hatte. ‚Wir werden nichts davon tun‘, soll gesagt haben.
Die Botschaft
scheint sowohl für den Iran als auch für Syrien klar zu sein: Die Vereinigten
Staaten stellen sich neu auf, sie ziehen nicht ab. Tatsächlich könnte es sogar
noch tödlicher werden.“
So hat Trumps
demagogisches Versprechen, die Truppen nach Hause zu bringen, nur die
Voraussetzungen für eine neue Gewalteskalation im Nahen Osten und darüber
hinaus geschaffen.
In dieser
gesamten reaktionären Episode zeigt sich schmerzlich das Fehlen einer
Massenbewegung gegen den Krieg in den Vereinigten Staaten. Eine üble Rolle
spielen in diesem Zusammenhang eine Reihe von pseudolinken Organisationen, die
fälschlich von sich behaupten, „links“ oder „sozialistisch“ zu sein, aber die
US-Intervention in Syrien tatsächlich im Namen der „Menschenrechte“
unterstützen und sich der
Stellvertretend
für diese Tendenzen sei die International Socialist Organization (ISO) genannt,
die zwei Wochen lang zu der erbitterten Debatte in Washington über Trumps
Truppenabzugsruf diskret schwieg und anscheinend wartete, in welche Richtung
der Wind im Außenministerium weht. Schließlich veröffentlichte die ISO am 3.
Januar einen Artikel mit dem Titel „Keiner von ihnen schert sich um syrische
Leben“, in dem erneut alle „Menschenrecht“-Vorwände angeführt wurden, die für
eine Intervention der USA sprechen. Gleichzeitig klagte der Artikel, dass
Washington den von der
Die
Operationen solcher Organisationen, die eng mit der Demokratischen Partei
zusammenarbeiten, haben dazu beigetragen, die in der Arbeiterklasse bestehende
Massen-Opposition gegen den Krieg zu desorientieren und zu demobilisieren.
Das Wachstum
des Klassenkampfes in den USA und international schafft die Bedingungen, diese
Situation umzukehren. So kann sich eine politische Massenbewegung der
Arbeiterklasse entwickeln, die sich dem imperialistischen Krieg und seiner
eigentlichen Ursache, dem kapitalistischen System, entgegenstellt.
Quelle: https://www.wsws.org/de/articles/2019/01/09/pers-j09.html