US-Regierung
gibt Nuklearstrategie aus der Nixon-Ära frei
25. Januar
2020 Markus Kompa
Das National Security Archive hat nunmehr bislang
streng geheime Pläne zur Nuklearstrategie der USA aus der Nixon-Ära
freigegeben. Demnach kam es 1972 zu einer heimlichen Umgehung des
Verteidigungsministers durch den Vereinigten Generalstab.
Offiziell
geht die Geschichte, wie sie aktenkundig und nunmehr öffentlich ist, so:
Als Richard
Nixons Verteidigungsminister Melvin Laird im Februar 1972 seinen Posteingang
kontrollierte, fand er darin überraschend einen geheimen
Plan seiner Generäle, die ein sogenanntes Paket zur nuklearen
Vernichtung des kommunistischen China vorbereiteten.
Dies war in
mehrfacher Weise peinlich, denn das Rundschreiben war nur versehentlich auch an
den politischen Hausherrn verteilt worden, der auf diese Weise erfuhr, dass die
Generäle ihn bei wichtigen Plänen heimlich außen vor hielten.
Außerdem stand für die kommende Woche die historische China-Reise Nixons bevor,
wo man über solche aggressive Absichten vermutlich
wenig erbaut gewesen wäre.
Ursprünglich
hatten die Spitzengeneräle Anfang der 1960er Jahre den Single Integrated
Operational Plan (SIOP) ausgearbeitet, der eine nukleare Auslöschung sowohl der
Sowjetunion als auch China vorsah (USA geben
Geheimdokumente zur Nuklearstrategie von 1964 frei). McNamara, der
den Generälen misstraute, beauftragte schließlich differenzierte Pläne, die
auch die Vernichtung von lediglich den Sowjets oder China vorsahen.
Die nukleare
Auslöschung Chinas erwies sich jedoch als schwieriges Geschäft, da das Land
sehr groß und eher agrarisch besiedelt war, so dass die Bombardierung von
industriellen Zentren den Planern im Pentagon zu wenig Todesopfer versprach.
Daher hatte man 1966 mit der Ausarbeitung detaillierter
Pläne begonnen.
Auch Nixon
hielt das Konzept für fragwürdig, dass bei einem Nuklearangriff ein Präsident
nur die eine Option haben sollte, den Gegner total zu vernichten. Daher aber
überlegte man, ob es nicht vielleicht ausreichen könnte, lediglich sogenannte
Alpha-Ziele anzugreifen, die selbst eine militärisch-nukleare Gefahr
darstellten. Zur entsprechenden politischen Planung richtete Laird eine Gruppe
ein, die von seinem Mitarbeiter John S. Foster geleiteten wurde.
Was
Verteidigungsminister Laird nach seinem Überraschungsfund aufstoßen musste, war
die Tatsache, dass die Militärs für ihre Nuklearstrategie die Ergebnisse dieser
Foster-Gruppe nicht abwarten wollten, obwohl der Häuptling der Generäle
ebendieser angehörte. Daher wies Laird die Krieger an, ihre eigenmächtige
Planung auf Eis zu legen, bis die Foster-Gruppe entsprechende Vorgaben
ausgearbeitet hatte.
Soweit die
offizielle Version, die in den Akten gepflegt wurde.
Bei näherem
Hinsehen allerdings darf man sich fragen, ob und warum das Dokument wirklich
bei Laird aufschlug, denn im Verteiler wird er offenkundig nicht aufgeführt.
Die Wahrscheinlichkeit, dass die in Geheimhaltung gedrillten Militärs
ausgerechnet bei delikaten Staatsgeheimnissen wie der Nuklearstrategie
versehentlich eine Fassung mehr druckten und ein Trottel diese ausgerechnet an
den bewusst ausgesparten Verteidigungsminister adressierte, darf man wohl
vernachlässigen.
Damals war
man im Pentagon der Ansicht, dass solche militärischen Details ohnehin nicht
für Zivilisten bestimmt seien, denen nun einmal die entsprechende Clearance fehlte. Als solche Zivilisten betrachteten die
Generäle damals auch die jeweiligen Verteidigungsminister. Legendär ist der
Kleinkrieg zwischen Kennedys Verteidigungsminister McNamara und den Militärs,
die sich während der Kuba-Krise einander anbrüllten.
Wie Laird
also wirklich an das Papier kam, darüber kann man derzeit nur spekulieren.
Wahrscheinlicher als das angebliche Büroversehen wäre wohl, dass ein
verantwortungsbewusster Whistleblower im Pentagon die Zivilcourage aufbrachte
und die Eigenmächtigkeiten der Generäle in der Weise leakte,
dass sie im Ergebnis beim Verteidigungsminister landeten.
Die
angeblich fehlgeleitete Geheimpost wäre dann demnach eine Cover-Story, mit der
man den peinlichen Vorfall gesichtswahrend und geräuschlos ad acta legen konnte.
An Skandalen hatte man in Washington in Zeiten von Pentagon Papers, Deep Throat und Watergate keinen
Mangel.
Quelle: https://www.heise.de/tp/features/Das-China-Paket-4645210.html