UNO-Sitzung
zum Donbass von Deutschland und Frankreich
boykottiert
"Das
ist beschämend" – Moskau rügt Berlin und Paris für Blockade einer
UN-Sitzung zum Donbass
Westliche
Diplomaten, auch deutsche und französische, haben versucht, eine Arria-Sitzung im UN-Sicherheitsrat zum Donbass-Konflikt
zu unterbinden. Dort sollten Vertreter der nicht anerkannten Donbass-Republiken auftreten. Russland übte an dem Boykott
scharfe Kritik.
Quelle: Reuters © Brendan McDermid
Wassili Nebensja, Ständiger Vertreter Russlands
im UN-Sicherheitsrat,
übt scharfe Kritik an Deutschland.
Krisenbewältigung
und -prävention gehören zu den erklärten Zielen der deutschen Außenpolitik.
Dies betont Deutschland auch als nichtständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat
2019/20. Die sogenannten "Arria-Formel-Sitzungen"
gehören im Rahmen der Vereinten Nationen zu den gängigsten Instrumenten, um
diese Ziele zu erreichen. Als Präsident des Sicherheitsrates der Vereinten
Nationen initiierte der Ständige Vertreter Venezuelas beim UN-Sicherheitsrat
Diego Arria im Jahre 1992 die gleichnamige "Arria-Formel", einen informellen Konsultationsprozess,
der Mitgliedern des Sicherheitsrates die Möglichkeit bietet, Personen in einem
vertraulichen, informellen Umfeld anzuhören.
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Völkerrecht dann beachten, wenn es deutschen Interessen dient
Nach Angaben des Peace
Research Institute Frankfurt hat Deutschland nach seiner Wahl in
den UN-Sicherheitsrat allein im Zeitraum von Mitte 2018 bis zum 28. Mai 2019 15
Arria-Sitzungen (mit-)organisiert – einen Großteil der
Sitzungen, die in diesem Zeitraum stattfanden. Bei einer Sitzung nach der
"Arria-Formel" am 2. Dezember wollte die
deutsche Delegation allerdings nicht nur nicht mitmachen – zusammen mit den
USA, Frankreich, Großbritannien, der Ukraine, Belgien und Estland rief sie
Vertreter anderer UN-Delegationen auf, dieses Treffen zu boykottieren und
dessen Online-Übertragung zu verhindern.
Bei dem Treffen
handelte es sich um die von Russland vorgeschlagene Besprechung der verfahrenen
Situation in der Regulierung des bewaffneten Donbass-Konflikts.
Mit mehr als
13.000 Todesopfern ist dieser Konflikt seit sechseinhalb Jahren der blutigste
auf dem ganzen europäischen Kontinent seit Jahrzehnten. Bei dem Treffen sollten
auch die offiziellen Vertreter der nicht anerkannten Volksrepubliken Donezk
(DVR) und Lugansk (LVR) teilnehmen – zum ersten Mal als Referenten auf einer
internationalen Bühne – und ihre Sicht der Ereignisse schildern.
Das Treffen
fand trotz der Blockadebemühungen statt.
Da
Deutschland neben Frankreich zum diplomatischen Vermittlungsformat
"Normandie-Vier" gehört, war Russlands Kritik des Boykotts in erster
Linie an Berlin und Paris gerichtet.
"Die
Versuche Deutschlands und Frankreichs, eine Sitzung des UNO-Sicherheitsrates
unter der 'Arria-Formel' mit der Teilnahme von
Vertretern von DVR und LVR zu stören, gefährden die Rolle dieser europäischen
Länder bei der Lösung der Krise in der Ukraine", sagte die Sprecherin des russischen
Außenministeriums Marija Sacharowa bei ihrem
wöchentlichen Briefing am Donnerstag.
Was Sigmar Gabriel in der Ukraine
verpasst hat – Ein Augenzeugenbericht von der Donbass-Front
Zwar erklärten
russische Diplomaten den deutschen und französischen Partnern des
"Normandie-Formats" im Vorfeld die Aufgaben dieses Treffens, das die
Umsetzung des 2015 beschlossenen Minsker Maßnahmenkomplexes analysieren sollte,
doch "Berlin und Paris haben von Anfang an aktiv versucht, es zu
untergraben", betonte Sacharowa.
Westliche
Diplomaten bestanden sogar darauf, die Übertragung von Diskussionen über die
Online-Ressourcen der UNO zu verbieten, obwohl dies bei "Arria-Formel"-Veranstaltungen gängige Praxis ist.
"Der
Vorfall kompromittiert die Rolle von Berlin und Paris als Vermittler bei der
Lösung der ukrainischen Krise und zeigt gleichzeitig ihren Wunsch, das Vorgehen
der Behörden in Kiew zu vertuschen", sagte Sacharowa.
Russlands
UN-Vertreter: Beschämende Sabotage
Sie wies
darauf hin, dass an der Diskussion Mitglieder des Sicherheitsrates sowie eine
Reihe anderer Staaten, darunter Algerien, Belarus, Venezuela, Ägypten, Indien,
Marokko, Syrien und Usbekistan, aktiv teilnahmen. Noch schärfere Töne schlug
Russlands Ständiger Vertreter bei der UNO Wassili Nebensja
in seinem Auftritt bei der "Arria-Sitzung"
an. Er warf Deutschland und Frankreich den Bruch der UN-Regeln vor:
"Besonders
empört sind wir über die Bemühungen unserer deutschen und französischen
Kollegen, der Teilnehmer des Normandie-Formats, dieses Treffen unter dem
lächerlichen Vorwand zu boykottieren, dass das Format des Treffens nicht unter
das Normandie-Format falle. Außerdem wissen wir, dass sie unermüdliche
Überzeugungsarbeit leisteten, um andere Delegationen von der Teilnahme
abzuhalten. Dies ist nicht nur beschämend, sondern widerspricht auch der
etablierten Praxis des Sicherheitsrates, wonach Treffen der Arria-Formel
nicht blockiert oder sabotiert werden, egal um welches Thema es sich
handelt."
Bislang
reagierten weder das Auswärtige Amt noch deutsche UN-Vertretung auf die
Vorwürfe. Eine Reaktion gibt es aber von den ständigen Vertretungen der USA,
Großbritanniens und Estlands, die Russlands Initiative ebenso boykottierten.
"Dieses
Treffen war ein klarer Versuch, eine falsche und irreführende Version des
Konflikts im Osten der Ukraine zu präsentieren", heißt es in ihrer
gemeinsamen Erklärung, die auf der Website der UN-Mission
der USA veröffentlicht wurde.
Konflikt in der Ostukraine auf
Jahrzehnte einfrieren – schlechte, aber realistische Option
Im Dokument
wird betont, dass die drei Staaten die These Russlands, dass es als Vermittler
im innerukrainischen Konflikt auftrete, ausdrücklich ablehnten. Zudem warfen
sie Moskau vor, diesen Konflikt provoziert und angetrieben zu haben.
"Wir
werden weiterhin an allen UN-Initiativen, die konstruktive Ziele unterstützen,
teilnehmen. Diese Veranstaltung, die nur auf die Fälschung der Realien des
Konflikts im Osten der Ukraine abzielt, hat nur den Interessen Russlands
gedient", wurde betont.
Dossier Donbass-Konflikt
Die
ukrainische Regierung hatte im April 2014 Truppen in die östlichen
Kohlefördergebiete Donezk und Lugansk geschickt, nachdem diese den
nationalistischen Staatsstreich in Kiew vom Februar 2014 nicht anerkannt und
unabhängige "Volksrepubliken" ausgerufen hatten. Die Kriegshandlungen
finden seitdem zwischen der regulären ukrainischen Armee und
Freiwilligenbataillone auf der einen Seite und der freiwilligen Volksmiliz auf
der anderen Seite statt.
Trotz
westlichen Vorwürfen einer massiven Unterstützung der Rebellen durch Russland
kam der wissenschaftliche Dienst des deutschen Bundestages zum Schluss, dass der Donbass-Krieg
"klassische Züge eines nicht-internationalen (also internen) bewaffneten
Konflikts aufweist".
Die
Beilegung des Konflikts im Donbass wird unter anderem
bei Treffen der Kontaktgruppe in der weißrussischen Hauptstadt Minsk
besprochen. Diese hatte seit September 2014 mehrere Dokumente verabschiedet,
die die Deeskalationsstufen definieren. Jedoch kommt es auch nach den erzielten
Waffenstillstandsabkommen immer wieder zu Schusswechseln zwischen den
Konfliktparteien. Die Suche nach einer politischen Lösung des Konflikts wird
von der ukrainischen Seite verhindert.
Video zum
Thema - Der deutsche Oberst, mit dem der ukrainische
Bürgerkrieg begann