Türkei

Anschlag in Istanbul: Experte sieht "selbstverschuldete Gefahrenlage"

von Fabienne Rzitki am 13.1.2016

Der Anschlag in Istanbul geht mutmaßlich auf das Konto der Terrormiliz "Islamischer Staat". Für Terrorexperte Jörg H. Trauboth ist es keine Überraschung, dass die Türkei so sehr ins Visier des Terrors gerückt ist. In gewisser Weise, so der Experte, habe die Regierung um Präsident Recep Tayyip Erdogan mit ihrer Politik erst den Boden für Terror bereitet.

Bild zu Jörg H. Trauboth

 

Herr Trauboth, für die Türkei steht der Drahtzieher fest: der IS. Wie wahrscheinlich ist es, dass die Terrormiliz etwas mit dem Anschlag zu tun hat?

Jörg H. Trauboth: Ich halte die Wahrscheinlichkeit für sehr hoch – und zwar unter dem Aspekt, dass es der Türkei eher gelegen käme, hätte die verbotene Kurdische Arbeiterpartei PKK den Anschlag verübt. Das würde nämlich zu einem größeren Verständnis der Türkei

im Kampf gegen die PKK – insbesondere in Deutschland – führen.

"Hürriyet" berichtet, dass der türkische Geheimdienst MIT vor Terrorangriffen unter anderem auf Touristen im Land gewarnt hatte. Kann dies erklären, weshalb sich die türkische Regierung relativ schnell auf den IS festgelegt hat?

Das könnte sehr gut sein, zumal der IS im Sommer 2015 angekündigt hat, die Türkei ins Herz zu treffen. Wenn also Erdogan bereits zwei Stunden nach dem Anschlag behauptet, der sogenannte "Islamische Staat" (IS) sei für den Anschlag verantwortlich, dann muss es da gesicherte Gründe dafür geben.

Wieso verübt der IS in der Türkei Anschläge? Schließlich steht im Raum, dass die Türkei mit der Terrormiliz gemeinsame Sache macht.

Das stimmt. Seitens der Türkei hat es logistische Unterstützung gegeben und wahrscheinlich noch viel mehr. Allerdings hat die Türkei 2015 eine Richtungsänderung in ihrem Verhalten gegenüber dem IS vollzogen.

Zwar ist die Grenze nach Syrien und zum Irak noch durchlässig, aber die Türkei gewährt der US-geführten Allianz die Luftwaffenbasis Incirlik als Drehscheibe für die Angriffe gegen den IS.

Das hat die gesamte geostrategische Lage zum Nachteil für den IS verändert. Danach hat der "Islamische Staat" gedroht, die Türkei zu bekämpfen. Der Anschlag in Suruc markiert einen Wendepunkt im Verhältnis des IS zur Türkei.

Quelle: http://www.gmx.net/magazine/politik/terroranschlag-istanbul/anschlag-istanbul-