Türkei: Flüchtlingselend in der Türkei
»Wir wollen, dass die Menschen bleiben«
Das Sengal-Camp bei Diyarbakir in der Südosttürkei
von
Peter Schaber, Diyarbakir
Jesidische Frau vor ihrer
Zeltunterkunft
Foto: Foto: O-Young Kwon |
aboutideas.net
Etwa
2,5 Millionen Flüchtlinge halten sich derzeit in der Türkei auf, hatte der
türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu Anfang der Woche stolz erzählt, als
er sich mit Angela Merkel traf. Diese war erneut angereist, um den schmutzigen
Deal mit Ankara zu festigen, der besagt: Milliardenhilfen und freie Hand beim
blutigen Massaker an den Kurden in der Südosttürkei gegen die Zusage, dass die
AKP-Regierung möglichst viele Syrer und Iraker davon abhält, nach Europa zu
gelangen. Das Abkommen ignoriert allerdings, unter welchen Bedingungen die
Geflüchteten in der Türkei leben müssen: Verbriefte Rechte haben sie kaum,
Massenlager oder Obdachlosigkeit sind der Normalzustand.
Kaum 30 Minuten von der Kurdenmetropole Diyarbakir (kurdisch: Amed) entfernt
existiert allerdings ein Flüchtlingslager, das sich positiv abhebt. Das
Sengal-Camp, in dem derzeit 1.600 Menschen, ausschließlich Angehörige der
jesidischen Religionsgemeinschaft aus dem Irak, unterkommen, wird von linken
kurdischen Aktivisten in Zusammenarbeit mit der örtlichen Stadtverwaltung ohne
jede Unterstützung aus Ankara betrieben. »Sicher, es ist ein Camp, und Camps
sind nie die Orte, an denen man leben will. Aber wir tun, was wir können«, sagt
uns die Helferin Muzzeyin. Zwei Schulen für die Kinder, eine Medizinstation, mehrere
Fußball- und Basketballfelder sowie ein Frauenhaus stehen auf dem Gelände zur
Verfügung. Die Flüchtlinge können kommen und gehen, wann sie wollen, sie
bekommen Essen und Basisversorgung finanziert sowie einen kleinen Betrag für
eigene Einkäufe.
Die Helfer machen keinen Hehl daraus: »Wir wollen, dass die Menschen
hierbleiben«, erzählt einer. Das allerdings gestaltet sich schwierig. Denn die
Mehrheit der Familien ist schwer traumatisiert. Kämpfer der Miliz »Islamischer
Staat« (IS) haben ihre Frauen entführt und vergewaltigt, ihre Söhne, Brüder und
Väter ermordet. »Wir wollen nach Europa«, hören wir immer wieder. Denn dort
erhofft man sich Sicherheit vor sunnitischen Fundamentalisten – und vor der
türkischen Regierung, die in Hörweite des Camps kurdische Viertel attackiert.
Quelle:
https://www.jungewelt.de/2016/02-13/066.php