Syrien verurteilt Vereinbarung zw den Kurdisch dominierten Demokratischen Kräften
und einem US-Ölkonzern zum Raub
syrischen Öls
Washington
übt über Besatzung Druck auf Russland und Iran aus
von Karin Leukefeld
Das syrische
Außenministerium hat mit scharfen Worten die Vereinbarung zwischen den kurdisch
dominierten Syrischen Demokratischen Kräften (SDK) und einem US-Ölkonzern zur
Ausbeutung von Ölfeldern des Landes verurteilt. Beide Seiten hätten sich
verständigt, das »syrische Öl zu stehlen«, heißt es in einer Erklärung, aus der
die syrische Nachrichtenagentur SANA am Sonntag zitierte. Die
Vereinbarung sei »null und nichtig« und rechtlich nicht zulässig. Zwei Diebe
hätten diesen Handel geschlossen, der eine stehle das syrische Öl, und der
andere verkaufe das Diebesgut.
Die
Vereinbarung verletze die Souveränität Syriens und mache die feindselige
Haltung der USA gegenüber Syrien deutlich, heißt es weiter. Die USA wollten
sich der syrischen Ressourcen bemächtigen, um die Bemühungen für einen
Wiederaufbau des Landes zu behindern. Die »Milizen«, die einen solchen Handel
abschließen würden, seien nicht mehr als »billige Marionetten in den Händen der
US-Besatzung«. Eines Tages würden sie feststellen, dass die »brutale
amerikanische Besatzung notgedrungen verschwinden wird«. Die letzten Jahre
hätten gezeigt, dass die Syrer »zum Wohl der Einheit des Landes und seiner
Bevölkerung« zusammenhielten und die Ressourcen schützten und bewahrten.
Das
Nachrichtenportal Al-Monitor hatte am 30. Juli 2020 als erstes über die
Vereinbarung zwischen den SDK und Delta Crescent Energy
LLC berichtet. Die Meldung basierte auf »Quellen mit direkter Kenntnis der
Vereinbarung«. Die Ölfelder in dem Gebiet, das von den SDK mit US-Unterstützung
kontrolliert werde, sollten »entwickelt und modernisiert werden«, so Al-Monitor.
Das Weiße Haus habe die Vereinbarung »angeregt«, und die SDK-Vertreterin in
Washington, Sinam Mohamad, habe es bestätigt.
Für die USA
sei der Nordosten Syriens das »wirtschaftliche Machtzentrum« des Landes, wie
die politische Analystin Dana Stroul vom Washington
Institute for Near East Policy auf einer Konferenz über Syrien im November 2019
ausführte. »Ein Drittel des syrischen Territoriums« gehöre quasi schon den USA
und werde von ihren Streitkräften und deren lokalen Partnern, den SDK,
kontrolliert. Für das US-Militär sei das keine große Belastung, man habe »nur
etwa 1.000 Soldaten dort«, sagte Stroul. Die SDK stellten
Zehntausende Kämpfer, Kurden und Araber.
Die USA
betrachteten den Nordosten Syriens – sie sprechen von der Ost-Euphrat-Provinz –
als ihre Einflusszone. Die Besatzung solle Druck auf Damaskus, das verbündete
Russland und vor allem den Iran ausüben. Dazu gehörten laut Stroul
auch die umfassenden Sanktionen, die von den Partnern der EU unterstützt
würden. Als weiteres wichtiges Druckmittel nannte Stroul
die Dominanz der USA in den großen internationalen Finanzinstitutionen. Im
Nordosten Syriens werde man Wiederaufbau- und Stabilisierungshilfe leisten.
»Der Rest von Syrien liegt in Trümmern«, so Stroul
bei dem Seminar im November 2019. Solange das »Assad-Regime sein Verhalten
nicht ändert, sollten wir verhindern, dass Wiederaufbauhilfe und technische Hilfe
nach Syrien gelangen«.
Im Oktober
2019 hatte US-Präsident Donald Trump bei einer Veranstaltung vor Polizeichefs
in Chicago zur US-Präsenz in Syrien erklärt: »Wir behalten das Öl (…), das sind
45 Millionen US-Dollar im Monat (…). Wir haben das Öl gesichert.« Die
US-Truppen würden gegen jeden einen »Höllenkampf« ausfechten, der versuche, an
das syrische Öl heranzukommen. »Vielleicht sollten wir auch etwas für uns
selber nehmen«, so Trump. »Vielleicht sollten wir einen Deal mit Exxon Mobil
oder einer anderen unserer großartigen Firmen abschließen. Dass die dorthin
gehen und es vernünftig machen.«
Nun soll
offenbar der Konzern Delta Crescent Energy LCC es
»vernünftig machen«. Das allerdings widerspricht nicht nur dem Völkerrecht,
sondern auch dem US-Recht. Wenn US-Truppen oder US-Firmen ohne die Zustimmung
der Regierung in Damaskus anfangen sollten, im Nordosten Syriens nach Öl zu
bohren und es zu verkaufen, gelten sie juristisch als Plünderer. Nationale
Ressourcen unterliegen immer der Kontrolle, dem Schutz und der Nutzung durch
die jeweilige Regierung eines Landes. Plünderung ist völkerrechtlich nach der
Vierten Genfer Konvention ausdrücklich verboten, auch die USA haben diesen
Vertrag 1955 unterzeichnet. Sollten US-Soldaten oder Firmen eine der Genfer Konventionen
verletzen, gilt das seit 1996 in den USA als Kriegsverbrechen.
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Hintergrund: EU-Außenpolitik
»Wir haben gelogen, betrogen und gestohlen«, erzählte US-Außenminister
Michael Pompeo im April 2019 über seine Arbeit als
Chef der Central Intelligence Agency (CIA). »Wir
hatten komplette Ausbildungskurse«, fuhr Pompeo unter
dem Beifall des Publikums fort. »Das erinnert an die Herrlichkeit des
amerikanischen Experiments.«
Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges hat die CIA die Entwicklungen im
Mittleren Osten gestört, Umstürze eingeschlossen. Damals war der Gegner die
Sowjetunion, heute geht es um Ressourcen, Transportwege und Kontrolle gegenüber
Russland und China. Seit dem Anschluss der DDR drängen die USA auch die
Bundesrepublik, »mehr Verantwortung« zu übernehmen. Doch Berlin verweist auf
die EU. Das European Council on Foreign Relations
(ECFR), eine Denkfabrik mit dem Ziel einer einheitlichen europäischen
Außenpolitik, stellte im Mai 2019 eine Analyse der »Neuen Frontlinien im
Mittleren Osten« vor, die eine Ahnung dessen vermittelt, wohin die Reise gehen
soll.
Als zentraler Konflikt wird im Mittleren Osten jener zwischen dem Iran und
Saudi-Arabien beschrieben, wobei das saudische Königreich und Israel als
Verbündete der EU gelten. Diese solle Unentschlossene, sogenannte Joker oder
Wildcards, auf ihre Seite bringen oder zumindest ihren Einfluss vertiefen.
Genannt werden auch der Nordosten Syriens und der Nordirak.
Umfangreiche Hilfe und wirtschaftliche Unterstützung für kurdische und
»multiethnische« Organisationen in diesen Gebieten sind ebenso Teil der
EU-Strategie wie Sanktionen und Verbote gegen die syrische Regierung oder die
libanesische Hisbollah. Die US-Regierung ist Vorbild, Ausbildungskurse in den
Zielgebieten inbegriffen. (kl)
Streit um Ressourcen
Syrien fehlen die Rohstoffe aus dem US-besetzten Nordosten des Landes.
Völkerrechtswidrige Sanktionen erschweren die Lage
von Karin Leukefeld
In Syrien
ist Erntezeit, auch in diesem Jahr. Allerdings liegen weite Flächen des Landes
brach, sind durch den Krieg verwüstet oder – wie in Teilen von Idlib, Aleppo und dem Nordosten – von der Türkei und den
US-Truppen besetzt. Beide Staaten unterstützen mit ihren Armeen Kräfte, die in
den vergangenen Kriegsjahren dank der ausländischen Unterstützung zu Macht,
Geld und Einfluss gekommen sind. Um ihre Macht zu festigen, beharren sie auf
den Ressourcen, die einst alle in Syrien lebenden Menschen ernährten.
Wichtige
Abnehmer der Nahrungsmittel waren der Irak, Jordanien und der Libanon. Über den
Hafen von Beirut wurden Schafe für das Opferfest bis an den Golf verschifft.
Syrien hat immer gegeben, heißt es in der Region. Jordanien und der Libanon –
die selber nicht über genügend landwirtschaftliche Fläche und Wasserressourcen
verfügen – wurden mit Wasser und Strom, mit Obst und Gemüse versorgt.Der Krieg um Syrien und die von den USA und
der EU einseitig und völkerrechtswidrig verhängten Wirtschaftssanktionen
bedeuten für die ganze Region Hunger, Armut und Krieg. Der Libanon, der sich
mit dem Ausbau seiner Häfen in Beirut und Tripoli auf den Wiederaufbau im
kriegszerstörten Syrien vorbereitete, wurde von den USA und der EU zunehmend
unter Druck gesetzt, die wirtschaftlichen Beziehungen mit Damaskus zu beenden.
Das Land sollte mit seinem natürlichen Handelspartner keine Geschäfte mehr
machen, wenn es nicht selber von Washington und Brüssel sanktioniert,
politisch, finanziell und ökonomisch unter Druck gesetzt werden wolle. Wegen
der US-Finanzsanktionen gegen Syrien und gegen die libanesische Hisbollah
konnten Syrer und Libanesen vom eigenen Konto nur noch eine begrenzte Menge an
US-Dollar abheben, dann gar nicht mehr.
Nun ist der
Libanon mit den verheerenden Explosionen im Hafen von Beirut und der Zerstörung
von weiten Teilen der Hauptstadt selbst ein Katastrophengebiet geworden. Die
Weizenvorräte des Landes, die im Hafen lagerten, sind verbrannt, und noch immer
dürfen keine Produkte aus Syrien die Grenze passieren. Selbst Stromlieferungen
sollen nach dem Willen der USA unterbleiben. Die Not der Menschen im Mittleren
Osten macht die Region zu einem El Dorado für
internationale Hilfsorganisationen.
Auch wenn
die Versorgungslage in Syrien auf niedrigem Niveau gesichert ist, fehlen dem
Land die Ressourcen in den US-besetzten Gebieten im Nordosten. Im Euphrattal wird Baumwolle angebaut, die Provinz Hasaka verfügt über weite Weizenanbaugebiete. Das Wasser
des Euphrat – reguliert durch Stauseen und Dämme – dient der Bewässerung und
der Stromerzeugung von Deir Al-Sor
über Rakka bis Aleppo. Der 80 Kilometer lange und
etwa acht Kilometer breite Assad-Stausee, der durch den Tabka-Staudamm
entstanden ist, ist reich an Fischbeständen. Entlang des Sees gibt es
fruchtbaren Boden für Weizen-, Kartoffel-, Obst- und Gemüseanbau. Doch nicht
nur der Tabka-Staudamm, auch der Zugang zum See, zu
Feldern und Gärten oder der Nutzung der Brücken wird von den Syrischen
Demokratischen Kräften (SDK) kontrolliert. Bei Al-Tabka
werden die SDK-Einheiten von US-Truppen unterstützt, die sich auf einer
nahegelegenen Militärbasis der syrischen Armee einquartiert haben.In Hasaka, der
Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, verweigerten SDK-Anhänger den
Mitarbeitern der Elektrizitätsbehörde laut der syrischen Nachrichtenagentur SANA
einen Monat lang den Zugang zu ihren Büros. Seit Mittwoch halten bewaffnete
SDK-Einheiten in dem Ort Teile der Behörde besetzt, die für die Weizensilos
verantwortlich ist. 120 Arbeiter seien von ihren Arbeitsplätzen vertrieben
worden, berichteten Betroffene gegenüber SANA.
Die staatlichen
Einrichtungen hatten während des Krieges ihre Arbeit nicht eingestellt. Die
Mitarbeiter, staatliche Angestellte, erhalten monatlich von der Regierung in
Damaskus ihr Gehalt. Möglicherweise wollen die SDK nun nicht nur das Öl,
sondern auch die staatlichen Einrichtungen für die Strom- und Weizenversorgung
im Nordosten Syriens selbst kontrollieren. Als syrische Regierungsvertreter bei
den letzten Verhandlungen mit den SDK die Übergabe der Kontrolle von Rakka und Deir Al-Sor forderten, lehnten ihre Unterhändler ab. Die
mehrheitlich arabische Stammesbevölkerung hat sich nun gegen die SDK erhoben.
Quellen:
https://www.jungewelt.de/artikel/383744.syrien-eine-frage-des-rechts.html,
7.8.20
https://www.jungewelt.de/artikel/383745.syrien-streit-um-ressourcen.html,
7.8.20