Syrien und der Westen. Russlands Politik der Unterstützung
Assads
Die syrische Kröte in German Foreign Policy 28.7.14
BERLIN/DAMASKUS/MOSKAU
(Eigener
Bericht) - Scharfe Kritik an der westlichen Syrien-Politik übt der Direktor des
katholischen Hilfswerks Caritas Libanon. Der Westen müsse endlich aufhören,
gemeinsam mit seinen mittelöstlichen Verbündeten die Aufständischen in Syrien
mit Kriegsgerät auszustatten, erklärt der libanesische Caritas-Leiter Paul
Karam. Zudem müsse er dafür sorgen, dass nicht andauernd Bürger europäischer
Staaten zu salafistischen Terrormilizen in Syrien überliefen - auf Kosten der
geplagten Zivilbevölkerung. Aufschlüsse darüber, wieso der Westen an seinen
Bemühungen festhält, Assad zu stürzen, obwohl die Forderungen immer lauter
werden, man müsse so schnell wie möglich dem Terrorregime des "Islamischen
Staats" ein Ende setzen, liefert der Außenpolitik-Experte Dmitri Trenin
vom Moskauer Carnegie Center. Trenin zufolge ist es Russland im Verlauf des
Syrien-Kriegs gelungen, dem Westen empfindliche machtpolitische Niederlagen
zuzufügen. Der Westen wiederum setze alles daran, im Syrien-Krieg auch
Russlands nahöstlichen Einfluss zu zerschlagen. In Deutschland wird dabei in
inzwischen sogar wieder die Forderung nach einer westlichen Militärintervention
in Syrien laut.
Waffen
und Terror
Scharfe
Kritik an der westlichen Syrien-Politik übt der Direktor der Caritas Libanon.
Der Priester Paul Karam fordert, sämtliche Waffenlieferungen an die
Kriegsparteien in Syrien sofort einzustellen, um das Morden zu beenden. Dabei
bezieht er sich explizit auch auf die Staaten des Westens, die gemeinsam mit
ihren mittelöstlichen Verbündeten den syrischen Aufständischen arbeitsteilig
Waffen, sonstige Ausrüstung und militärisches Training zur Verfügung stellen.
Zuletzt hat etwa US-Präsident Barack Obama Ende Juni beim Kongress in
Washington 500 Millionen US-Dollar beantragt, um Rebellenmilizen in Syrien
"zu trainieren und aufzurüsten".[1] Die Caritas Libanon, die sich
verzweifelt bemüht, die mittlerweile mehr als 1,6 Millionen Kriegsflüchtlinge
im Libanon angemessen zu unterstützen, verlangt darüber hinaus, die westlichen
Staaten müssten den Zustrom salafistischer Kämpfer vor allem aus Europa nach
Syrien stoppen. Mehrere Tausend Bürger von EU-Staaten nehmen vor allem in den
Reihen der Terrororganisation "Islamischer Staat" an Kämpfen in
Syrien und im Irak teil.[2] Dass immer mehr Europäer sich an salafistischem
Terror in Syrien beteiligten, Tod ins Land brächten und Zivilisten in die
Flucht schlügen, sei untragbar, erklärt Karam.
Die
Lehre aus dem Libyen-Krieg
Zu den
Hintergründen der westlichen Unterstützung für die Aufständischen in Syrien hat
sich unlängst der Außenpolitik-Experte Dmitri Trenin vom Moskauer Carnegie
Center geäußert. Das Zentrum ist eine Außenstelle des US-Think-Tanks Carnegie
Endowment. Trenin weist zunächst darauf hin, dass Moskau sich nach dem Beginn
der Unruhen in Syrien 2011 geweigert habe, die Bemühungen des Westens um Assads
Sturz zu unterstützen. Hintergrund seien Erfahrungen aus dem Aufstand in Libyen
gewesen: Russland habe mit seiner Enthaltung im UN-Sicherheitsrat die dortige
Militärintervention des Westens ermöglicht, dann aber konstatieren müssen, dass
dieser mit Gaddafis Sturz seine Interessen einseitig durchgesetzt, Russlands
Positionen hingegen empfindlich geschwächt habe. Moskau sei deshalb nicht
bereit gewesen, nun auch noch Assads Sturz zu ermöglichen. Hinzu kam laut
Trenin, dass Präsident Putin zu der Einschätzung gekommen sei, Assad werde sich
als stärker als die Aufständischen erweisen, während unter diesen schon bald
militante Salafisten die Oberhand gewinnen würden; letzten Endes werde man sich
also zwischen Assad und den Salafisten entscheiden müssen. "Diese Einschätzung
erwies sich als realistischer als das Kalkül von Obamas Beratern im Weißen
Haus", bilanziert Trenin.[3]
Wieder
auf Augenhöhe
Trenin
erinnert sodann daran, dass Moskau Washington im Mai 2013 angeboten habe,
gemeinsam zu einer politischen Lösung in Syrien zu gelangen; der Westen habe
die Offerte allerdings ausgeschlagen. Im Sommer 2013 sei es Moskau dann
gelungen, die Vernichtung der syrischen Chemiewaffen zu vermitteln; dabei sei
es "wohl zu den ersten Diskussionen auf Augenhöhe zwischen Vertretern der
USA und Russlands seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion" gekommen. Mit
den Friedensverhandlungen in Genf habe Russland dann "den diplomatischen
Gleichstand mit den Vereinigten Staaten" zurückgewonnen, den es zu Beginn
der 1990er Jahre verloren habe. Präsident Putin habe all dies erreicht, obwohl
"Russlands Ressourcen nur ein Bruchteil derjenigen Amerikas" und
"sein Einfluss in Syrien - ganz zu schweigen vom sonstigen Mittleren Osten
- kaum dominant" seien. Washington freilich habe den Einflussgewinn des
russischen Rivalen mit großem Unwillen beobachtet. Der "Ärger" über
Putin und Russland sei "in politischen Kreisen der USA gestiegen",
resümiert Trenin.[4]
Von
Damaskus nach Kiew
Trenin
weist schließlich darauf hin, dass sich zum russischen Machtgewinn im Syrien-Krieg
bald noch der Skandal um Edward Snowden addierte, der ebenfalls Washington
schwächte und Moskau stärkte. Der kurz darauf eskalierende Konflikt um die
Ukraine sei also "kein isolierter Knatsch und kein tragisches
Missverständnis", sondern lediglich eine weitere Etappe im Machtkampf
zwischen Washington und Moskau.[5] Darauf haben auch US-Experten bereits vor
Monaten hingewiesen (german-foreign-policy.com berichtete [6]). Der Machtkampf dort wird
mittlerweile mit fast allen Mitteln geführt.[7]
"Die
beste Option"
Nicht
nur, aber auch Teil des Machtkampfs gegen Russland ist zudem die fortgesetzte
Weigerung des Westens, den Kampf gegen Assad einzustellen - trotz des
ungebrochenen Vormarschs der Terrororganisation "Islamischer Staat".
Forderungen, in der Syrien-Politik den Kurs zu wechseln und gemeinsam mit Assad
gegen den "Islamischen Staat" vorzugehen, gibt es seit geraumer Zeit.
Bereits im Dezember 2013 hatte der ehemalige
Flugverbotszone
oder Luftabwehrraketen
Sogar die Forderung, der Westen selbst solle
militärisch in Syrien gegen Assad intervenieren, wird in der deutschen
Hauptstadt inzwischen wieder vorgebracht. Man müsse in Syrien "eine
Flugverbotszone" errichten und die Aufständischen systematisch aufrüsten,
verlangte Petra Becker, eine Syrien-Expertin der Stiftung Wissenschaft und
Politik (SWP), im Juni in der grün-alternativen taz. "An einem
militärischen Engagement" komme man "nicht mehr vorbei".[9]
Anfang Juli äußerte Becker in der liberalen Süddeutschen Zeitung, man müsse
"entweder eine Flugverbotszone" durchsetzen oder den Aufständischen
"tragbare Luftabwehrraketen" liefern. Notwendig sei zudem ein "militärisches
Engagement von Seiten der USA und anderer".[10] Ob sie damit auch einen
Einsatz der Bundeswehr meint, ließ Becker im Unklaren. Syrien gehört zu der
Großregion Nordafrika/Nah- und Mittelost, die Strategen in Berlin und
Washington wegen des Schwenks der USA hin zum Pazifik einer stärkeren
deutsch-europäischen Kontrolle unterwerfen wollen - auch mit militärischen
Mitteln (german-foreign-policy.com berichtete [11]).
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58922
Die syrische Kröte
Weitere Informationen und Hintergründe zur
deutschen Politik im Syrien-Krieg finden Sie hier: Schmuggelkontrolleure, The Day After, The Day After (II), Verdeckte Kriegspartei, The Day After (III), The Day After (IV), Im Rebellengebiet, Die Islamisierung der Rebellion, Im Rebellengebiet (II), Im Rebellengebiet (III), Das Ende künstlicher Grenzen, Im Rebellengebiet (IV), Deutsche Kriegsbeihilfe, Religion und Interesse, Demokratischer Interventionismus, Kriegsrat in Nahost, Wie im Irak, Die militärische Lage, Die Allianzen der Rivalen, Die Macht des Stärkeren, Spionage mit Kriegsfolgen, Deutschlands Giftgas-Expertise, Kämpfende Mächte, Syriens westliche Freunde, Das Wirken der Geostrategen, Geschäftsgeheimnisse und Vormarsch auf Bagdad.