Wiederaufbau in Syrien:
Massenrückkehr von
Flüchtlingen macht politische
Entscheidungen nötig
RT Deutsch am 14.08.2017
Quelle: Reuters © Reuters
Hisbollah-Kämpfer überwachen den Abzug von Dschihadisten aus Arsal. Zuvor
wurde vereinbart, dass die Kämpfer und deren Familienangehörigen mit Bussen in
die Provinz Idlib umquartiert werden.
Die syrische Führung widmet sich stärker dem Problem des Wiederaufbaus, an
dem sich der Westen im Unterschied zu Russland, China und dem Iran bisher nicht
beteiligen will. Hinter der massenhaften Rückkehr von Flüchtlingen vermuten
westliche Medien einen finsteren Plan zum Austausch der Bevölkerung.
Auf dem Schlachtfeld macht die syrische Armee rapide
Fortschritte, vor allem im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS). Laut dem russischen Verteidigungsminister Sergei Schoigu
ist das von der Regierung kontrollierte Gebiet doppelt so groß wie noch vor
zwei Monaten. Je stärker die Dschihadisten zurückgedrängt werden, desto
bedeutender wird die Frage des Wiederaufbaus des in weiten Teilen zerstörten
Landes.
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US-Dollar
Straßen und Brücken müssen repariert, Wasser- und
Stromleitungen instandgesetzt, Pipelines für Öl und Gas wieder zum Laufen sowie
öffentliche Gebäude wie Schulen und Krankenhäuser wieder funktionstüchtig
gemacht werden.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) veranschlagt
die Kosten für den Wiederaufbau in einer Studie auf 100 bis 200 Milliarden US-Dollar und spricht in
diesem Zusammenhang von einer „monumentalen Herausforderung“. Im Vergleich zur
Vorkriegszeit habe sich das Bruttoinlandsprodukt halbiert. Laut IWF könnte es
zwei Jahrzehnte dauern, bis das Vorkriegsniveau wieder erreicht ist. Die
Weltbank geht von Wiederaufbaukosten in Höhe von 170 Milliarden
US-Dollar aus.
Verstärkt widmet sich die Führung in Damaskus nun der
Wiederherstellung der Infrastruktur. Wobei es um mehr geht, als die Dinge
lediglich wieder in den alten Zustand zu versetzen. „Wir bauen hier eine Gegend
wieder auf, die sich sehr davon unterscheiden wird, wie es hier vorher ausgesehen
hat“, sagte Dschamal Jussef. Er leitet das „Projekt 66“.
Der Name geht auf das Dekret 66 zurück, das Präsident
Bashar al-Assad im Jahr 2012 unterschrieben hat. Es soll Gegenden neu
erschließen, in denen ohne Genehmigung gebaut worden ist. Im Rahmen des
Projekts ist der Bau von modernen Hochhäusern nahe des Zentrums von Damaskus
geplant, die 65.000 Menschen Wohnraum bieten sollen.
Wie der zukünftige Stadtteil mit seinen Grünanlagen,
bestehend aus 750.000 Bäumen, Fahrradwegen und Einkaufszentren, aussehen soll,
darüber gibt bereits ein Videoclip des Projektes Aufschluss.
Bevorzugte Partner beim Wiederaufbau sind der Iran,
China und Russland. Mit dem persischen Land schloss Damaskus im Januar
verschiedene Verträge zur Kooperation in der Landwirtschaft, dem Energie-
und Telekommunikationssektor ab. So will Teheran 660 Millionen US-Dollar in das
syrische Stromnetz investieren und dieses mit den Netzen der Nachbarn Libanon
und dem Irak sowie dem Iran selbst verbinden.
Die islamische Republik hat in den vergangenen Jahren
mit Milliardenkrediten dazu beigetragen, die kriegsgeplagte und von westlichen
Sanktionen zerrüttete Wirtschaft Syriens vor dem völligen Kollaps zu bewahren. Noch
stärker engagiert sich China. Allein in einen Industriepark in Syrien, an dem
150 chinesische Firmen beteiligt werden sollen, will Peking 2 Milliarden
US-Dollar investieren.
Syrien soll in Chinas ambitioniertem Projekt einer Neuen Seidenstraße die Rolle eines zentralen
Drehkreuzes zukommen.
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Syrien liegen
Westen will sich nicht am Wiederaufbau beteiligen
Zuvor schon hatte Damaskus seinem, neben dem Iran,
wichtigsten militärischen Verbündeten Russland beim Abschluss von Verträgen zum
Wiederaufbau Priorität eingeräumt. Der Westen und die mit ihm verbündeten Golfstaaten
wollen sich hingegen nicht am Wiederaufbau beteiligen. Zumindest nicht
innerhalb der bestehenden staatlichen Ordnung.
Stattdessen unterstützt der Westen den im Jahr 2013
eingerichteten Syria Recovery Trust Fund (SRTF), in den auch die Bundesregierung zweistellige Millionenbeträge
eingezahlt hat. Die Gelder des Fonds fließen jedoch nur in Infrastrukturprojekte
in den von den islamistischen Aufständischen beherrschten Gebieten, um diese
als alternatives Gegenmodell zur staatlichen Ordnung zu stabilisieren.
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Der SRTF sendet auch regelmäßig Hilfslieferungen in
die von Al-Kaida beherrschte Provinz Idlib. Ob dabei
tatsächlich die Not der Bevölkerung im Vordergrund steht, muss bezweifelt
werden. Denn in diesem Fall hätte die EU schon längst ihre gegen Syrien
verhängten Sanktionen zurücknehmen müssen, die nachweislich zu einem Großteil zum Leid der Bevölkerung beitragen.
Die westliche Wertegemeinschaft sieht in den
Hilfsmaßnahmen vor allem einen Einflusshebel. Was den Wiederaufbau innerhalb
der von der Regierung kontrollierten Gebiete betrifft, sollte der Westen keinen
Beitrag leisten, weil dieser nach Ansicht von Professor Steven Heydemann vom Brookings Institute
nicht als Einflusshebel genutzt werden könne. Man würde damit nur „ein
mörderisches Regime legitimieren“.
Zu Jahresbeginn hatte Russland die Weltgemeinschaft
aufgefordert, sich an den Kosten des Wiederaufbaus in Syrien zu beteiligen. Mit
dem Vorstoß stieß Moskau im Westen jedoch auf verschlossene Türen. „Die Russen
sind reingegangen, haben alles vermasselt und zerbrochen, und wollen jetzt,
dass alle dafür zahlen“, zitierte die Financial Times einen namentlich nicht genannten
EU-Diplomaten.
Die Aussage stellt die Verhältnisse auf den Kopf: Als
Russland im September 2015 erstmals auf Wunsch der syrischen Regierung direkt
militärisch in den Konflikt eingriff, waren der IS und andere Dschihadisten auf
dem Vormarsch und bis vor die Tore von Damaskus vorgedrungen. Der Staat stand
vor dem völligen Kollaps, was die Flüchtlingskrise noch einmal deutlich
verschärft hätte. Wie sehr sich die Verhältnisse dank des russischen Eingreifens
verändert haben, zeigen aktuelle Zahlen der UN-Organisation für Migration.
Massenrückkehr von Flüchtlingen wird als
Bevölkerungsaustausch diffamiert
In diesem Jahr sind bisher 600.000 syrische
Flüchtlinge wieder an ihre Wohnorte zurückgekehrt. Dank russischer Vermittlung
konnten über 2.000 Waffenstillstandsabkommen auf lokaler Ebene abgeschlossen
werden.
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lokale Feuerpausen
Allein nach Ost-Aleppo, das bis Dezember letzten
Jahres in den Händen von Islamisten lag, konnten nach UN-Angaben schon mehr als
200.000 Menschen zurückkehren. Weil diese positive Entwicklung maßgeblich
Russland zuzuschreiben ist, wird sie vom Medien-Mainstream bestenfalls
ignoriert. Und wenn nicht, wird sie als Ausdruck ethnischer beziehungsweise
konfessioneller Vertreibungen dargestellt.
So berichtet die Deutsche Presse-Agentur - Zeitungen
wie das Handelsblatt haben es übernommen - am Montag über Abu Adel, der in Ost-Aleppo kürzlich
einen Kiosk eröffnet hat. Er wohnte ursprünglich im Umland der Großstadt,
musste dann aber vor dem IS fliehen. Nun hat er mit seiner Familie eine Wohnung
in Aleppos Altstadt „besetzt, die er verlassen vorgefunden hatte“.
Die Einwohner Ost-Aleppos als Besatzer? Diesen
Eindruck versucht die dpa jedenfalls zu erwecken, indem sie Abu Adel
beispielhaft anführt für die neuen Bewohner, die nicht „vorher dort gewohnt“
hätten. Sein Schicksal deute auf die „gezielten Gesellschaftsveränderungen“
hin, die Damaskus betreibe.
Die Agentur verweist in diesem Zusammenhang auf einen Bericht der niederländischen
Organisation Pax und des US-amerikanischen Syria Institute (TSI). Darin wird
der syrischen Regierung und deren Verbündeten, Russland und dem Iran,
vorgeworfen, hunderttausende Zivilisten aus Damaskus, Aleppo und Homs aus ihren
Häusern vertrieben zu haben. Die dpa schreibt:
Mit den militärischen Erfolgen im Rücken begann Assad
auch damit, die Bevölkerung ganzer belagerter Ortschaften auszutauschen. Nach
einem Abkommen zwischen Regierung und Rebellen durften Anhänger Assads unter
anderem die von Rebellen belagerten Städte Fua und Kafraja im Nordwesten
Syriens verlassen.
Im Gegenzug siedelten überwiegend sunnitische
Oppositionelle aus zwei Ortschaften nahe Damaskus in Richtung der Provinz Idlib
um. Seit 2014 vereinbaren die syrische Führung oder ihre Verbündeten immer mehr
wieder solche Pläne zum Bevölkerungstausch.
Zehntausende Menschen wurden so umgesiedelt.
Mittlerweile befindet sich ein Großteil der Rebellen in Idlib - während die
großen Städte Aleppo, Homs und Damaskus wieder fast vollständig unter Kontrolle
der syrischen Regierung stehen."
Was hier als ein einer sektiererischen Politik
geschuldetem Bevölkerungsaustausch dargestellt wird, waren tatsächlich lokale
Vereinbarungen mit Aufständischen, die angesichts der Umzingelung durch die
Armee einem Abzug – oftmals mitsamt ihrer Familien – in die Provinz Idlib
zustimmten. Zwar stimmt es, dass es sich dabei fast ausschließlich um Sunniten
handelt.
Das liegt aber nicht an einer sektiererischen Haltung
der Regierung. Es sind die Aufständischen, die seit Anbeginn des Krieges eine
sektiererische Politik verfolgen, bei der sie nicht-sunnitische Muslime – Alawiten
und Schiiten – neben Juden und Christen zu Ungläubigen erklären. Daher
schließen sich ihnen auch keine Nicht-Sunniten an.
Umgekehrt ist das nicht der Fall. In der syrischen
Armee kämpfen vornehmlich Sunniten. Ein hochrangiger Kommandeur der Nationalen
Verteidigungskräfte (NDF), eine regierungstreue Miliz, bringt es auf den Punkt:
Die behaupten immer, die syrische Regierung sei
sektiererisch. Wie kann das sein? Ja, der Präsident ist ein Alawit. Seine
Ehefrau ist eine Sunnitin aus Homs. Der Verteidigungsminister ist ein
sunnitischer Beduine. Der Innenminister ist ein Sunnit. Der Außenminister ist
ein Sunnit. Der Chef der Geheimdienste ist ein Sunnit aus Damaskus."
Die Zusammensetzung seiner Miliz – er spricht von den Golan-Brigaden - spiegele die syrische Gesellschaft wieder.
Bei uns kann man Sunniten finden, Alawiten, Drusen und
Christen. Ein Bataillon wird von einem Sunniten geführt, ein anderes von einem
Alawiten, wieder ein anderes von einem Christen. Aus diesem Grund sind wir so
stark. Geht zur anderen Seite. Kann man da einen Alawiten oder Christen
finden?"
Und was Ost-Aleppo betrifft, da ist der vermeintliche
Besatzer Abu Adel die große Ausnahme. Denn nach Angaben der UN sind 97 Prozent der gegenwärtig dort lebenden
Menschen in ihre alte Wohnung zurückgekehrt.
Quelle: https://de.rt.com/16xw
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