NORDKOREA MACHT'S RICHTIG
                                             von Sebastian Bahlo*
                                              13. Februar 2013

Haben Sie schon gehört? Das bitterarme, abgeschottete und stalinistisch
regierte Nordkorea hat  zum wiederholten Mal  die Weltgemeinschaft
provoziert.

Erst im Dezember 2012 hatte die Koreanische Demokratische Volksrepublik
(KDVR) erfolgreich einen Wettersatelliten in die Erdumlaufbahn gebracht.
Diese bei so viel Abschottung um so erstaunlichere  technologische
Höchstleistung, die einen Meilenstein für das Landwirtschaftsmanagement des
verarmten Landes bedeutet, war selbstverständlich nur durch Verwendung
einer Weltraumrakete möglich. Dies rief die als Weltgemeinschaft
firmierende Clique räuberischer Schurkenstaaten unter Führung der USA auf
den Plan, die sich sogleich auf den Gipfel der Hysterie und der Heuchelei
emporschwang und den  angeblich illegalenTest einer
Langstreckenrakete durch Nordkorea brandmarkte und vom UNO-Sicherheitsrat
als Verstoß gegen dessen frühere Resolutionen verurteilen sowie mit
verschärften Sanktionen bestrafen ließ.

Nachdem die KDVR am 12. Februar zum dritten Mal einen erfolgreichen
Atombombentest durchgeführt hat, wird von derselben Clique abermals von
einer ungeheuerlichen, extremen Provokation und einem Verstoß gegen
UNO-Sicherheitsratsresolutionen gesprochen.

Gegen westliche Bedrohung des Weltfriedens: Nationale Selbstverteidigung

Der Fall ist beispielhaft dafür, wie das Kartell aus imperialistischen
Politikern und monopolisierter Meinungsindustrie, welche die Behauptungen
der ersten als reine Wahrheit verkündet, die Realität geradezu vollständig
auf den Kopf stellt.

Freilich haben wir uns schon daran gewöhnt, daß ausgerechnet das einzige
Land, das jemals Atombomben eingesetzt und, mehr noch, mit deren Einsatz
gegen die Bewohner friedlicher Städte sogar ein Kriegsverbrechen von
historischem Ausmaß begangen hat, sich wie selbstverständlich anmaßt,
darüber zu wachen, daß andere Länder nicht in den Besitz dieser Technologie
gelangen und sie unter anderem durch Androhung von Sanktionen daran zu
hindern versucht. Es sollte uns als ein Stück aus dem Tollhaus erscheinen,
daß ausgerechnet jenes Land, welches über das größte und vielfältigste
Arsenal hochmoderner Vernichtungstechnik verfügt und damit bereits ganze
Völker dezimiert hat, hysterisch loskeift, wenn es ein nicht verbündetes
Land der Aneignung von Massenvernichtungswaffen verdächtigt.

Von den USA und ihren Verbündeten geht die größte Bedrohung des Weltfriedens
aus. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges haben die Bewohner sämtlicher
Erdteile diese Wahrheit am eigenen Leib zu spüren bekommen. Keinem Land
wurde seither zugestanden, sich friedlich, ohne äußere Einmischung, sei es
in Form militärischer Intervention oder wirtschaftlicher Blockade, auf einem
selbstgewählten Weg zu entwickeln, sofern die ökonomischen und
geopolitischen Interessen der Imperialisten davon berührt werden. Ein Land,
das seine Souveränität, seinen eigenen Entwicklungsweg gegenüber den
Imperialisten behaupten will, muß ihnen militärisch gewachsen sein. Die
Souveränität eines Landes, das keine militärische Potenz hat, ist auf Sand
gebaut und von der Gnade seiner Feinde abhängig und mit ihr sein ganzes
Schicksal. Diese einfache und rationale Einsicht ist der Ausgangspunkt der
nordkoreanischen Songun-(Militär-zuerst)-Politik. Konsequent und
rational ist ebenfalls die Strategie der KDVR, sich von den letzten
Sanktionen des UNO-Sicherheitsrats nicht einschüchtern zu lassen, sondern
den Imperialisten demonstrativ einen weiteren Stachel ins Fleisch zu jagen.

Atombewaffnung nicht grundsätzlich verboten - Weltraumnutzung grundsätzlich
erlaubt

Dem gemeinen Recht der Völkerrechtsordnung ist keine Verbotsnorm zu
entnehmen, die einem Staat untersagt, Atomwaffen zu bauen und zu testen oder
Weltraumraketen zu nutzen. Der Vertrag über die Nichtverbreitung von
Kernwaffen aus dem Jahre 1968 kann ein solches allgemeines Verbot nicht
begründen. Der Vertrag hat nicht verhindert, dass die unterzeichnenden
Atommächte ständig ihre Arsenale modernisieren und neue Waffen und
Trägersysteme entwickeln und in Dienst stellen. Die Atomwaffenstaaten
Indien, Pakistan und Israel, sind dem Vertrag nicht beigetreten und können
für ihre Weigerung mit Verständnis und Hilfe seitens der atomaren Supermacht
USA und ihrer Verbündeten rechnen, solange sie sich deren geostrategischen
Interessen ein- und unterordnen. Der Iran, der ausdrücklich auf Atomwaffen
verzichtet, soll von den USA und ihren Verbündeten durch Verhängung von
Sanktionen und unter Androhung von Militärgewalt gezwungen werden, auf die
friedliche Nutzung der Atomenergie zu verzichten, die im
Nichtverbreitungsvertrag nicht nur erlaubt ist sondern auch von der
technischen Unterstützung der Atommächte profitieren können soll. Aus dieser
höchst ambivalenten Vereinbarung ist die KDVR 2003 gemäß Artikel X des
Vertrages wieder ausgetreten.

Der internationale Vertrag über die friedliche Nutzung des Weltraums, dem
die KDVR beigetreten ist, betont ausdrücklich das uneingeschränkte Recht
jedes Mitgliedslandes, den Weltraum für friedliche Zwecke zu nutzen und
verlangt lediglich die rechtzeitige Information der UNO und der
Weltöffentlichkeit über geplante Weltraumoperationen sowie das Zulassen von
Beobachtern. Diese Bedingungen wurden von der KDVR bisher bei allen
Raketenstarts erfüllt.

Sicherheitsrat kann Ausübung elementarer Staatenrechte nicht verbieten.

Die Resolutionen des UNO-Sicherheitsrats, die der KDVR Atomtests und den
Start von Langstreckenraketen verbieten wollen, enthalten im Wesentlichen
einen massiven Angriff auf das Recht jeden Landes, seine Souveränität und
nationale Selbstbestimmung gegen fremde Übergriffe zu verteidigen. Sie
stehen in einer langen Reihe von Resolutionen, in denen der Sicherheitsrat
seine Kompetenzen überschritten hat und sich als imperialistisches Werkzeug
zur Entrechtung und Entwaffnung unbequemer Staaten mißbrauchen ließ. Solche
Resolutionen werden stets damit begründet, daß der Sicherheitsrat angesichts
einer Bedrohung des internationalen Friedens und der internationalen
Sicherheit zu außerordentlichen Maßnahmen legitimiert sei. Aber
offensichtlich kann die Ausübung eines elementaren völkerrechtlichen Rechts
keine solche Bedrohung konstituieren. Daher bezeichnet die KDVR die
Resolution 2087 (2013) des Sicherheitsrats, die als Reaktion auf den
Raketenstart im Dezember die Sanktionen gegen die KDVR ausweitet, mit Recht
als Kriegserklärung.

Russland und China: Gefährliches Taktieren?

Die KDVR hat die Vetomächte Rußland und, vor allem, ihren Verbündeten China,
die der von den USA und Südkorea vorbereiteten Resolution zugestimmt haben,
nicht namentlich kritisiert. Allerdings kritisierte die offizielle
Nachrichtenagentur dieses Verhalten kürzlich mithilfe eines kraftvollen
historischen Vergleichs, indem sie die Einschätzung des nordkoreanischen
Soziologen Kim Ha Il veröffentlichte, der die Resolution 2087 ausgerechnet
mit dem Münchener Abkommen von 1938 verglich. Damals hatten bekanntlich die
Großmächte England und Frankreich die Souveränität der mit ihnen verbündeten
Tschechoslowakei an den deutschen Aggressor preisgegeben und Hitler die
Annexion ihrer deutschen Siedlungsgebiete gestattet, was ihm als
Vorbereitung zur vollständigen Zerschlagung der Rest-Tschechei diente, die
auf keinen Beistand ihrer ehemaligen Schutzmächte mehr zählen konnte. Die
KDVR, so Kim, habe die Lektion aus diesem historischen Ereignis gelernt und
werde nicht die geringste Einschränkung ihrer Souveränität zulassen, denn:
Es ist klar wie der helle Mittag, daß die USA, wenn ihnen erlaubt wird, die
Souveränität der KDVR auf willkürliche und selbstherrliche Weise zu
verletzen, bald eine noch schändlichere Demütigung über die KDVR verhängen
und von den betroffenen Parteien noch weiterreichende Zugeständnisse
verlangen werden. Und: Die Parteien, die sich bei der Fabrizierung der
Resolution auf die Seite der USA gestellt haben, sollten darüber nachdenken,
welche Konsequenzen dies nach sich zieht.

Die gegenwärtigen imperialistischen Handlungen gegenüber der KDVR mit den
deutschen Handlungen gegenüber der Tschechoslowakei vor 1939 zu vergleichen
und die Appeasement -Politik Chamberlains und Daladiers gegenüber Hitler --
unausgesprochen und doch offenbar -- mit der Politik Rußland und Chinas
gegenüber den USA zu vergleichen und sie vor den Konsequenzen zu warnen, --
gemeint ist der Dritte Weltkrieg, den die Imperialisten ultimativ gegen
Rußland und China führen werden, -- soviel Klarheit war selten.

Solidarität bedeutet Verteidigung der souveränen Gleichheit der Staaten

Man mag die Beweggründe Rußlands und Chinas, derjenigen Großmächte, die ein
ernsthaftes Interesse an der Erhaltung des Völkerrechts und der
internationalen Sicherheit haben, verstehen, die große Konfrontation so
lange wie möglich aufzuhalten. Daß sie sich zu diesem Zweck zu
Kollaborateuren bei der Aushebelung völkerrechtlicher Prinzipien machen,
bringt die fortschrittlichen Kräfte auf der ganzen Welt in eine komplizierte
Situation. Umso größere Anerkennung verdient die Regierung der KDVR dafür,
daß sie mit aller Entschiedenheit den Mißbrauch des UNO-Sicherheitsrats
zurückweist und durch konkrete Maßnahmen ihre Unbeugsamkeit demonstriert.

Bekunden wir daher unsere Solidarität mit dem entschiedenen Eintreten der
KDVR für die Verteidigung des Prinzips der souveränen Gleichheit aller
Staaten, auf dem die ganze Völkerrechtsordnung beruht. Wünschen wir ihrer
Gesellschaft Erfolg in der ökonomischen und kulturellen Entwicklung und beim
weiteren Ausbau ihres militärischen Abschreckungspotentials!

*Sebastian Bahlo ist Referent für internationale Solidarität des Vorstands
des Deutschen Freidenker-Verbands

Quelle: Internetseite der Kampagne Deutschlands NATO Mitgliedschaft
beenden!
http://www.neinzurnato.de/?p=391



                                 KRISE ALS DAUERBRENNER
   USA und China vereinbaren im UN-Sicherheitsrat neue Sanktionen gegen
      Nordkorea. Pjöngjang kündigt Waffenstillstandsabkommen von 1953

                                 von Knut Mellenthin am 9.3.2013

Der UN-Sicherheitsrat hat am Donnerstag einstimmig seine vierte
Sanktionsresolution gegen Nordkorea verabschiedet. Der Text war in
mehrwöchigen Verhandlungen zwischen den USA und China ausgehandelt worden.
Praktisch bringt Resolution 2094 nichts wesentlich Neues. Ihre Bedeutung
besteht aus Sicht der USA hauptsächlich in der Demonstration, »daß die
internationale Gemeinschaft vereint ist in ihrer Verurteilung des
nordkoreanischen Atom- und Raketenprogramms«. Vor allem die Tatsache, daß
die Entschließung gemeinsam mit China formuliert wurde, das immer noch als
Schutzmacht und wirtschaftliches Rückgrat der Demokratischen Volksrepublik
Korea gilt, ist für die US-amerikanische Propaganda wertvoll und wird
entsprechend groß herausgestellt.
Anlaß der Resolution 2094 ist die dritte nukleare Versuchsexplosion der
DVRK, die am 12. Februar durchgeführt wurde. Diese wiederum war nach
nordkoreanischer Darstellung eine Antwort auf die Resolution 2087, mit der
der Sicherheitsrat am 22. Januar den Start eines Weltraumsatelliten am 12.
Dezember verurteilt hatte. Auch nach der Entschließung vom Donnerstag hat
die DVRK sofort Gegenmaßnahmen angekündigt. Allgemein gerechnet wird mit
Raketentests, da die Regierung in Pjöngjang die Einrichtung einer Sperrzone
für Schiffe und Flugzeuge vor der West- und Ostküste bekanntgegeben hat.

Die Vertreterin der USA bei den Vereinten Nationen, Susan Rice, erklärte zu
den neuen Sanktionen, diese würden »Nordkoreas Fähigkeit, seine illegalen
Atom- und Raketenprogramme weiterzuentwickeln, wesentlich behindern«. Das
ist, was die wirtschaftliche Seite angeht, mit Sicherheit unwahr. In
politischer Hinsicht stellt das Vorgehen Washingtons für die DVRK eine
verstärkte Motivation dar, ihr militärisches Abschreckungspotential zügig
auszubauen.

Materiell ändert sich durch die neuen Strafmaßnahmen kaum etwas. Der
Sanktionsliste wurden einige Firmen, Personen und Güter hinzugefügt. Unter
diesen sticht das Verbot, Luxusartikel wie Jachten, Rennwagen und Juwelen
nach Nordkorea zu liefern, durch besondere Absurdität und Nutzlosigkeit in
bezug auf das angebliche Ziel hervor. Die meisten neu hinzugefügten
Bestimmungen sind entweder nicht eindeutig definiert, also unterschiedlich
auslegbar, oder nicht verbindlich. Die USA und ihre Verbündeten können damit
zwar ihre einseitigen Maßnahmen legitimieren, aber für China oder auch
Rußland ergeben sich kaum zusätzliche Verpflichtungen.
Die DVRK hat in den vergangenen Tagen einige politische Schritte
bekanntgegeben. Darunter hat vor allem die Aufkündigung des
Waffenstillstandsabkommens vom 27. Juli 1953 ein starkes internationales
Medienecho ausgelöst. Schon aus der zeitlichen Abfolge der Ereignisse ergibt
sich, daß die nordkoreanischen Maßnahmen keine direkte Reaktion auf die
Verabschiedung der Sicherheitsresolution darstellen, sondern dieser
vorausgingen. Die Stellungnahme des Oberkommandos der nordkoreanischen
Streitkräfte, mit der dieses den Ausstieg der DVRK aus dem
Waffenstillstandsabkommen zum 11. März bekanntgab, wurde schon am Dienstag
veröffentlicht. Begründet wurde dieser Schritt mit der Kette von gemeinsamen
Militärübungen der USA und Südkoreas, die unter dem Namen Foal Eagle am 1.
März begannen und bis zum 30. April dauern sollen.
Foal Eagle findet alljährlich in dieser Form statt und zählt zu den größten
Militärmanövern der Welt. Ob die Übungen in diesem Jahr eine besonders
aggressive Qualität haben, wie die DVRK unterstellt, ist nicht ohne weiteres
nachzuvollziehen. Eindeutig recht hat die nordkoreanische Führung aber mit
ihrer gut dokumentierten Feststellung, daß sich die USA und ihre
südkoreanischen Juniorpartner auf der Halbinsel fast pausenlos im
Manöverzustand befinden und praktisch jederzeit zum »Ernstfall« übergehen
könnten. Aus Sicht der DVRK ist die Kündigung des Waffenstillstands vor
allem ein politischer Hebel, um auf den Abschluß eines Friedensvertrags zu
drängen. Das Waffenstillstandsabkommen wurde 1953 mit der Maßgabe
geschlossen, daß innerhalb von drei Monaten eine internationale
Friedenskonferenz folgen sollte, die den Abzug aller ausländischen Truppen
vereinbaren sollte. Die USA ließen diese Konferenz im Juni 1954 scheitern
und sind immer noch mit mehr als 28000 Soldaten in Südkorea präsent.


Quelle: junge Welt v. 9. März 2013
http://www.jungewelt.de/2013/03-09/028.php