Sarah Wagenknechts Rede im Bundestag am 8.9.22
Wagenknecht hält wichtige Rede: „Sie haben nicht das
Recht, Millionen Menschen ihren bescheidenen Wohlstand zu zerstören“
09. September 2022 Tobias Riegel
Sahra Wagenknecht hat sich am 8.
September 2022 im Bundestag an die Regierung gewandt: „Das größte Problem ist
Ihre grandiose Idee, einen beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten
Energielieferanten vom Zaun zu brechen.“ Die Reaktionen auf die wichtige Rede
Wagenknechts von Teilen ihrer eigenen Partei und vonseiten der
Regierungsparteien sind unterirdisch. Widersprechen muss man Wagenknecht in
einem Punkt: Die Motivation der Regierung ist vermutlich nicht „Dummheit“,
sondern deren Handeln erscheint zielgerichtet. Ein Kommentar von Tobias
Riegel.
Am Donnerstag hat die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht im Bundestag für
die Fraktion der Linkspartei im Rahmen der Haushaltsdebatte zum Thema
Wirtschaft und Energie gesprochen, wie Medien
berichten. Sie eröffnete mit der
Feststellung, dass sich in Deutschland „eine soziale und wirtschaftliche
Katastrophe“ anbahne. Millionen Menschen hätten Angst vor der Zukunft, vor
explodierenden Lebenshaltungskosten, vor „Horrorabrechnungen“ und „immer mehr
auch um ihren Arbeitsplatz“. Die hohen Energiepreise seien das „Ergebnis von Politik“.
Wagenknecht kritisierte die „Rückgratlosigkeit“ von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) gegenüber den
„Krisenprofiteuren“ und nannte die Bundesregierung „die dümmste Regierung in
Europa“.
Das größte Problem sei die
„grandiose Idee“, einen „beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen unseren
wichtigsten Energielieferanten vom Zaun zu brechen“. Wenn die Bundesrepublik
ein Industrieland bleiben wolle, brauche sie „leider auf absehbare Zeit auch
noch russische Energie“. Wagenknecht forderte ein Ende der Sanktionen und
Verhandlungen mit Russland über eine Wiederaufnahme der Gaslieferungen. Den
Krieg Russlands in der Ukraine nannte Wagenknecht ausdrücklich „ein
Verbrechen“. Ein Video des wichtigen Auftritts findet sich am Ende dieses Textes.
Deutschland im „Hungerstreik“
Wagenknecht hat in dieser Rede
zentrale Punkte thematisiert. Widersprechen muss man ihr aber bei der Aussage
von der „dümmsten Regierung“ – meiner Meinung nach erscheint das gegen die
Bürger gerichtete Handeln der Regierung zielgerichtet und ist nicht mit „Fehlern“
oder eben „Dummheit“ zu erklären.
Wichtig ist, dass Wagenknecht
nicht (wie Teile ihrer Partei) bei ungenügender Detailkritik an den „Entlastungspaketen“ stehenbleibt, sondern mit der Sanktionspolitik die
Ursache einer Krise benennt, die zu weiten Teilen durch die Regierungspolitik
selber hervorgerufen wurde. Es gibt keine „höhere Gewalt“, die ein
Fortschreiben dieser falschen Politik rechtfertigen könnte: Die Gleichung
„Gegen die Sanktionen = Gegen die Ukraine“, ist eine ideologische Phrase, die einer näheren Betrachtung nicht standhält. Die Sanktionen haben keinen direkten Einfluss auf
den Kriegsverlauf. Sie lindern nicht das schlimme Leid der ukrainischen
Zivilisten. Bisher konnten sie auch Russland nicht „ruinieren“ – langfristig
ist das nicht auszuschließen, aber wäre es denn wünschenswert?
Dagegen treffen die realen Folgen
der Sanktionen die Bürger in Deutschland hart – die antirussische
Sanktionspolitik ist damit auch ein Angriff auf die deutschen Bürger. Ein Leser
hat diese westliche „Taktik“ kürzlich mit einem Hungerstreik verglichen:
Drohung mit der Selbstbeschädigung.
Wer solche „Parteifreunde“ hat,
braucht keine Feinde mehr
Die wütenden Reaktionen von
Teilen der Linkspartei auf die Rede ihrer bekanntesten Vertreterin waren zu
erwarten, das macht sie aber nicht besser. So haben
sich laut Medien mehrere Linken-Politiker von Wagenknecht distanziert:
Der ehemalige Linken-Bundestagsabgeordnete Niema Movassat forderte den Ausschluss Wagenknechts aus der
Fraktion. Wagenknecht „spricht nicht für die Linke”, schrieb der
stellvertretende Parteivorsitzende Lorenz Gösta Beutin auf Twitter. Die
Bundestagsabgeordnete Caren Lay twitterte, die Abschaffung sämtlicher
Sanktionen zu fordern, sei nicht Position der Linken.
Kathrin Vogler twitterte: „Es gibt keinen ‚Wirtschaftskrieg gegen Russland‘,
sondern einen realen Angriffskrieg gegen die Ukraine, in dem Energie zur Waffe
geworden ist. Putin hat ein Gasembargo gegen Deutschland verhängt, nicht
umgekehrt.“ Martina Renner twitterte ein Foto, auf dem eine mit der Aufschrift
»Fuck Putin« besprühte Hauswand zu sehen ist, und schrieb dazu: „Weil einige
offenbar vergessen, wer der Aggressor ist.“
Wer solche „Parteifreunde“ hat,
braucht keine Feinde mehr.
Auch der frühere Parteichef Bernd
Riexinger, der gemeinsam mit Katja Kipping die Partei an den Rand der politischen
Bedeutungslosigkeit geführt hat, schrieb: „Es gibt keinen ‘Wirtschaftskrieg
gegen Russland’. Russland führt Krieg gegen die Ukraine.” Als würden sich diese
beiden Aussagen ausschließen: Die Frage ist doch, warum Deutschland plötzlich
in radikaler Weise (und im Gegensatz zu früheren außenpolitischen Praktiken)
mit einem selbstzerstörerischen Wirtschaftskrieg auf einen Krieg reagiert – und
das, obwohl das Kriegsgeschehen davon nicht entscheidend beeinflusst wird. Riexinger könnte außerdem erklären, wie man eine aggressive
westliche Sanktionspolitik denn anders als „Wirtschaftskrieg“ nennen soll, die
unter Annalena Baerbocks Schlachtruf „Das wird
Russland ruinieren“ die eigenen Bürger
als Geiseln für ein moralisch-ideologisches Konstrukt nimmt.
Der SPD-Abgeordnete Frank Junge
warf Wagenknecht vor, Argumente der AfD zu nutzen: „Das ist unisono genau das
Gleiche, was die AfD hier auch verlauten lässt.“ Der Grünen-Abgeordnete Felix Banaszak nannte Wagenknecht „die oberste Kreml-Lobbyistin“.
Und die „taz“ findet
die Rede „verstörend“ und betont wie viele
andere Kommentatoren, dass die AfD bei der Rede applaudierte, als würde dieser
Beifall den Inhalt der Rede schwächen. Es gibt noch zahlreiche weitere
Wortmeldungen in dieser Richtung aus dem regierungstreuen Lager.
Deutsche Wirtschaft: Bald nur
noch eine Erinnerung an die guten, alten Zeiten?
Weiter sagte Wagenknecht laut Medien in der Rede: Wenn Deutschland ein Industrieland
bleiben wolle, brauche es die russischen Rohstoffe und auf absehbare Zeit auch
noch russische Energie. Darüber müsse man mit Russland verhandeln. Wenn man die
Energiepreise nicht stoppe, werde „die deutsche Wirtschaft bald nur noch eine
Erinnerung an die guten, alten Zeiten sein“, betonte sie. Und weiter:
„Die Vorstellung, dass wir Putin
dadurch bestrafen, dass wir Millionen Familien in Deutschland in die Armut
stürzen und dass wir unsere Industrie zerstören, während Gazprom
Rekordgewinne macht – wie bescheuert ist das denn?“
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