Russlands Haltung zu Syrien

von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait am 2.10.2015



Zur ARD-Fernsehsendung "Menschen bei Maischberger" am 29.9.15: "Russisches Roulette: Ziehen wir mit Putin in den Krieg?"


 

Nicht weiter Naivität in die Außenpolitik einbringen


 

Teilnehmer einer Talkshow sorgfältig auswählen

Zu aller erst ist es wichtig, dass politische Talkshows gerade bei einem außenpolitisch wichtigen Thema ein besonnenes Niveau behalten. Sie sollten gut vorbereitet mit Anstand und gebotener Sachlichkeit ablaufen, um nicht in zügelloses Gezänk oder leeres Geschwätz abzugleiten. Das verlangt, die Teilnehmer sorgfältig auszuwählen. Der Sendung "Menschen bei Maischberger" ist dies bis auf zwei Teilnehmer gelungen. Fritz Pleitgen, Hans-Ulrich Jörges, Michael Wolffsohn und Antonia Rodas waren erste Wahl und haben das Niveau bei Maischberger gerettet und zum Sachverständnis beigetragen. Die zwei anderen leider nicht.


 

Konflikte zivilisatorisch lösen

Zu Recht reagierte der frühere WDR-Intendant Fritz Pleitgen, langjähriger ARD-Korrespondent in Moskau, in der besagten Maischberger-Sendung auf die Impertinenz eines penetranten Grünen-Moralisten, seine Äußerungen wären für einen Stammtisch angemessen. Eigentlich für einen Stammtisch von unterstem Niveau. Die Moderatorin verlor beinahe die Kontrolle vor diesem Kuriosum von Europa-Parlamentsabgeordneten, der immer wieder versuchte, Unruhe und Konfusion zu stiften genauso wie der syrische Teilnehmer von der Deutschen Welle mit seiner deplatzierten Maximal-Haltung. Bei beiden Personen fällt auf, dass sie keine Vorstellung davon haben, einen Konflikt zivilisatorisch zu lösen. Fritz Pleitgen machte zutreffend auf die internationalen Regeln, wie das Prinzip von Nicht-Einmischung und das Selbstbestimmungsrecht eines Volkes aufmerksam, Grundlagen, die in der Charta der Vereinten Nationen festgelegt sind. Aber das Völkerrecht, das internationale Gesetz ist für solche Moral-Apostel belästigend, denn sie bevorzugen zügellos, ihr Diktum anderen Völker aufzudrücken, ihre Moral geht ihnen vor Recht, wovon sie sowieso so gut wie keine Ahnung haben. Resultat: Terror, Anarchie und Chaos. Das scheint ihnen egal zu sein.


 

Mit dem amtlichen Präsidenten Syriens zu sprechen eine Selbstverständlichkeit in der Politik

Jetzt, da sich die deutsche Bundesregierung entschlossen hat, eine politische Linie durch Dialog mit der legitimen Regierung Syriens zu verfolgen zusammen mit Russland und vielen anderen Mächten in der Region, wäre es angebracht, Repräsentanten dieses vernünftigen begrüßenswerten Kurswechsels zu hören und nicht Leute, deren Auftritt sehr fragwürdig erscheint, wenn Deutschland auf der internationalen Bühne dezidiert auftritt, um die Fluchtursache am Tatort zu bekämpfen. Die meisten Flüchtlinge kommen aus Syrien. Deshalb ist es eine politische Selbstverständlichkeit, mit dem amtlichen Präsidenten Baschar Al-Assad zu sprechen. Ihn Diktator zu nennen, ist eine Zumutung des Weißen Hauses. Die Maischberger-Redaktion sollte wissen, dass Assad mit einer überwältigenden Mehrheit seiner Bevölkerung am 3. Juni 2014 wiedergewählt wurde. Die Maischberger-Redaktion sollte ebenso wissen, dass die anmaßende Erwartung, in Syrien einen Regierungswechsel mit Gewalt erzwingen zu können, krass gescheitert ist, weil sie nicht beachten will, dass die erhebliche Mehrheit der Syrer an der Seite ihres Präsidenten und ihrer Armee steht, wie alle Umfragen bestätigen, die letzte publiziert in "Washington Post" vor wenigen Wochen: 82% der syrischen Bevölkerung steht hinter der Assad-Regierung. Diese Fakten müssen Redaktionen zur Kenntnis nehmen. Sie gehören in die Öffentlichkeit. Sonst degradieren sich politische Sendungen auf das Niveau von Kriegstreibern, Querulanten und Friedensstörern, die ihre Anweisungen aus London, Paris, Washington oder Tel Aviv bekommen. Doch allein die Fakten berauben jenen Leuten alle Argumente.


 

Präsident Wladimir Putin ständig im Vordergrund des internationalen Geschehens

Umso schockierender ist es auch, dass Frau Maischberger, die Moderatorin, in die Propaganda en vogue gegen den russischen Präsident verfällt, gerade der Staatsmann, der alle UN-Friedenspläne für Syrien von Anfang an politisch unterstützt hat: Kofi Annans Plan, Lakhdar Brahimis Plan und jetzt Staffan de Misturas Plan. Alle drei UN-Sondergesandten haben auch immer die volle Unterstützung des syrischen Präsidenten genossen.


 

Die Fixierung auf die USA verblendet die professionelle Sicht der Maischberger-Redaktion. Der Kalte Krieg ist vorbei und den USA zu folgen, hat heute keinen Sinn. Die US-Außenpolitik zeigt sich als vollkommen verfehlt. Als Weltführer sind die USA gescheitert. Die Welt braucht einen solchen wahnsinnigen Anführer nicht. Dagegen ist der russische Präsident Wladimir Putin ein hoch pragmatischer Außenpolitiker, der seit seinem ersten Amtsantritt ständig im Vordergrund des internationalen Geschehens steht. Deshalb ist es auch fehl am Platz, von einer "Rückkehr" Russlands in die internationale Arena zu sprechen. Russland war schon immer auf der internationalen Bühne präsent und vertritt ständig eine Außenpolitik gemäß des Völkerrechts. Der Versuch, das Land und seinen Präsidenten zu isolieren, ist auch vollständig gescheitert. Die erste Initiative Kofi Annans mit der einstimmigen Unterzeichnung aller Mitglieder des UN-Sicherheitsrates bei der Genfer Friedenskonferenz zu Syrien am 30.4.2012 war ein Erfolg der russischen Diplomatie.


 

Politische Diskussion muss auf Sachverständnis beruhen

Eine auf Personen orientierte politische Diskussion führt allerdings zu nichts. Eine politische Diskussion muss auf Sachverständnis beruhen. Sonst verliert sie den Inhalt. Daher die Unsicherheit in deutschen Redaktionen und bei bestimmten Politiker, die nicht wissen, wie es weiter gehen soll. Warum weigern sie sich festzustellen, dass Washington seit 2012 alle Friedensversuche blockiert hat, weil es für Syrien auf einen Regime-Wechsel beharrt? Mit welchem Recht? Verleumdung, Diffamierung darf keineswegs die politische Auseinandersetzung ersetzen. Wieso fördert Washington nicht ein Regime-Wechsel in Saudi Arabien? Die Monarchie der Saudis ist eine der rückständigsten Formen des Islams, die jeden Ansatz politischer Opposition erstickt. Aber das ist für Washington in Ordnung. Nicht aber die Regierung Assad, die eine innersyrische- Opposition zulässt und respektiert, nicht aber die gewalttätige, die von ausländischen Machthabern dirigiert ist. Bewaffnete Rebellen gehören nicht zum politischen Prozess. Mit Leuten, die nur die Sprache der Waffen verstehen und sich dem Dialog versperren, sind keine politische Gespräche zu führen. Es sind Straftäter. Trotzdem hat der syrische Präsident 2013 eine generelle Amnestie für diejenigen Rebellen angeboten, die die Waffen ablegen.


 

Titel der Maischberger Talkshow total daneben: Keine russischen Bodentruppen und keine Bundeswehr nach Syrien geplant

Die Titel-Frage der Sendung "Ziehen wir mit Putin in den Krieg?" ist total daneben und außer Kontext. Erstens hat der Präsident Russlands keine Bodentruppen nach Syrien gesendet und zweitens wird die Bundeswehr nicht in Syrien einmarschieren. Das ist offizieller Stand der deutschen Außenpolitik! Die syrische Armee kämpft dort gegen den IS und andere Banden und bewaffnete Rebellen und Russland unrerstützt sie mit russischen Militärgerät und Einsätzen von Kampfflugzeugen, damit sie erfolgreich die Terroristen, auch die sogenannten "gemäßigten" Rebellen eliminiert. Mörder sind überall Mörder. Wo und wie sind gemäßigte Mörder zu erkennen? Die sogenannten gemäßigte Rebellen sind eine Konstruktion der USA, um den Frieden in Syrien durch solche bewaffneten aktiven Elemente zu torpedieren. Es wäre ratsam, die USA stellten ihre Luftangriffe in Syrien ein, die ohne offizielle Erlaubnis der amtlichen syrischen Regierung erfolgen, um sich nicht den Kontra-Attacken der syrischen Verteidigung mit russischer Hilfe zu exponieren.


 

Sachlichkeit und Wahrhaftigkeit sollte auch in Sendungen wie Talk-Shows "Menschen bei Maischberger" herrschen. Sonst diskreditieren solche Sendungen weiter alle Politik und fördern die allgemeine Politikverdrossenheit und um sich greifende Wut gegen deren Führungsfiguren und denen der Medien - Stichwort "Lügenpresse". Die Auswahl der Teilnehmer ist entscheidend. Wolfgang Gehrcke, Sevim Dagdelem und Sahra Wagenkenecht als Teilnehmer wären ein großer Gewinn für eine politische Aufklärung des Konflikts in Syrien. In der Partei DIE LINKE sind viel kompetentere und seriösere Leute zu finden als bei den entgleisten verworrenen Grünen.


 

Naive Einteilung in Gut und Böse politisch verfehlt - meint auch Papst Franziskus

Es ist an der Zeit, nicht weiter die Naivität in die Außenpolitik einzubringen, die Welt in Gut und Böse einzuteilen. Diese simple Teilung der Welt war Folge der moralischen Maxime von Ronald Reagan und des polnischen Papstes. Papst Franziskus hat aber diese politische Verfehlung gerade in seiner historischen Rede vor dem US-Kongress grundsätzlich korrigiert (24.9.2015).


 

Wem nutzt ein geschwächtes Europa?

Der Syrien-Konflikt hat das Potenzial, auch Europa politisch stark zu schwächen, zu destabilisieren. Wem nutzt das? Ist deutschen Redaktionen nicht aufgefallen, dass die USA längst einen perfiden Destabilisierungsplan für Europa verfolgen? Der Krieg in der Ukraine machte den Anfang. Alles begann mit einem Putsch, der aus Washington manövriert wurde und Faschisten dort im Februar 2013 an die Macht verhalf. Ist den Redaktionen nicht aufgefallen, das aus den USA kein Hilfs-Angebot an Deutschland wahrzunehmen ist, gerade als Deutschland die größten Welle von Flüchtlinge erhält? Ist dem Präsidenten Obama als sogenannter "Partner" zu trauen? Ist er als "Freund" anzusehen?


 

Kubas Präsident zu internationalen Beziehungen mit wichtigen Fakten vor UN-Vollversammlung

Aus der Rede des Präsidenten Kubas, Raúl Castro, vor der UN-Vollversammlung (28.9.) sind hinsichtlich der internationalen Beziehungen einige wichtige Fakten zu entnehmen: Die vor 70 Jahren unterzeichnete Charta der Vereinten Nationen <verpflichtete uns dazu, die künftigen Generationen vor der Geisel des Krieges zu bewahren und einen neuen Rahmen für unsere Beziehungen zu schaffen. Dieser sollte durch eine Reihe von Vorhaben und Prinzipien geprägt werden, um eine Epoche des Friedens, der Gerechtigkeit und der Entwicklung für die gesamte Menschheit einzuleiten.

Aber seither gab es ständig Aggressionskriege, die Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Staaten, den gewaltsamen Sturz souveräner Regierungen ... und die Rekolonialisierung von Gebieten ... Konflikte, die zuerst durch den Kolonialismus und die Vertreibung der autochthonen Bevölkerung und später durch den Imperialismus und die Aufteilung der Einflusssphären geschaffen wurden. ...

Die 1945 eingegangene Verpflichtung, "den sozialen Fortschritt und einen besseren Lebensstandard" der Völker ... zu fördern, bleibt eine Illusion, solange 795 Millionen Menschen Hunger leiden, 781 Millionen Erwachsene Analphabeten sind und jeden Tag 17.000 Kinder an heilbaren Krankheiten sterben, während die jährlichen Rüstungsausgaben weltweit auf mehr als 1,7 Billionen Dollar gestiegen sind. Schon mit einem Bruchteil dieser Summe könnten die drängendsten Probleme gelöst werden, unter denen die Menschheit leidet. ... Wir bekräftigen unsere Ablehnung der Absicht, die Präsenz der NATO bis an die Grenze Russlands auszudehnen sowie des Einsatzes ungerechter einseitiger Sanktionen gegen diese Nation. ... Wir erneuern unser Vertrauen darauf, dass das syrische Volk in der Lage sein wird, selbst seine Differenzen beizulegen und fordern eine Beendigung der ausländischen Einmischung.

Für eine gerechte und dauerhafte Lösung des Konflikts im Mittleren Osten ist es unumgänglich, das unveräußerliche Recht des palästinensischen Volkes wirklich umzusetzen, seinen eigenen Staat in den vor 1967 geltenden Grenzen und mit Ostjerusalem als seiner Hauptstadt aufzubauen. ...

Migrationswellen nach Europa sind eine direkte Konsequenz der Destabilisierung, die die NATO in den Ländern des Mittleren Ostens und Nordafrikas gefördert und betrieben hat. ... Die Europäische Union muss sofort und umfassend ihre Verantwortung für die humanitäre Krise wahrnehmen, zu deren Entstehung sie beigetragen hat. ...

Nun beginnt ein langer und komplizierter Prozess zur Normalisierung der Beziehungen (mit den USA), die erreicht werden kann, wenn die Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade gegen Kuba beendet wird, sowie die Subversions- und Destabilisierungsprogramme gegen Kuba eingestellt werden sowie unser Volk für die Schäden an Menschen und Wirtschaft entschädigt wird, unter denen es noch heute leidet...> Wie dpa notierte, erhielt Castro den längsten Applaus aller Redner am ersten Tag der UN-Generaldebatte (New York, 28.9.2015).

 

Herausforderung an alle deutschen Redaktionen

Alle diese wichtigen Punkte für die internationalen Beziehungen sollten in der Öffentlichkeit kühl und sachlich diskutiert werden. Eine Herausforderung für die Menschen in der Maischberger-Redaktion und in allen anderen Redaktionen.