Russland Syrien
Lawrow im Interview zu Syrien
und Rolle der USA im Konflikt:
"Ich
traue ihnen nicht"
Der Außenminister der Russischen
Föderation, Sergej Lawrow, hat dem Fernsehsender NTW ein ausführliches
Interview gegeben und dabei einige jüngst kolportierte westliche Darstellungen
zum Syrienkonflikt geradegerückt.
Russlands Außenminister
Sergej Lawrow hat dem russischen Fernsehsender NTW ein ausführliches Interview
gegeben, in dem er sich zur erneuten Eskalation im Syrien-Konflikt, den
jüngsten Sitzungen des UN-Sicherheitsrats, über widersprüchliches Verhalten und
Aussagen der USA sowie über Medienmanipulationen äußert. Wir fassen die
wichtigsten Aussagen Lawrows im Wortlaut für unsere Leser zusammen.
Frage: In einer außerordentlichen Sitzung des UN-Sicherheitsrats, die auf
Initiative der USA und mehrerer europäischer Länder einberufen wurde, warf die
US-Botschafterin in der
Uns wurde zwar nicht
buchstäblich "Barbarentum" vorgeworfen, wie dies Samantha Power
gemacht hatte und wie es vom britischen Botschafter in der
Deswegen kann man nur
ahnen, weshalb sie es für notwendig hielten, am Sonntag eine außerordentliche
Sitzung einzuberufen. Es ist allerdings nicht schwer, dies zu verstehen. Der
Westen mit den USA an der Spitze, die jene Koalition leiten, die in Syrien
gegen den IS und, wie sie sagen, auch gegen die al-Nusra Front vorgeht, erfüllt
seine Verpflichtungen nicht. Das ist offensichtlich. Sie versuchen jetzt einfach, die Aufmerksamkeit davon abzulenken, was
am 17. September in Deir ez-Zor geschah, als US-Kampfflugzeuge die Stellungen
der syrischen Armee bombardierten und zugleich erklärten, dass dies ein Fehler
war.
Zu US-Luftangriffen auf Syrische Armee in Deir ez-Zor:
Erstens gab es eine
Stunde lang Bombenangriffe und zweitens sagte der Sprecher des United States
Central Command, John Thomas, vor wenigen Tagen, dass sie es auf diese Stellung
seit zwei Tagen abgezielt hatten. In Deir ez-Zor sieht die Situation so aus,
dass die Frontlinie dort vor etwa zwei Jahren entstand und sich seitdem nicht
bewegt hat [also der westlichen Koalition bekannt war]. Wir und die
Frage :Gibt es Fakten, die den US-Vorwurf erhärten, dass Russland in
Syrien angeblich "barbarisch" vorgehe?
Sie erklären, dass
friedliche Einwohner ums Leben kommen. Sie zeigen Videoaufnahmen von zerstörten
Häusern, fliehenden Zivilisten, berufen sich darauf, dass es Videoaufnahmen von
Augenzeugen sind. Die zweite Quelle, die bei ihnen als tadellose Quelle
gilt, ist eine Ein-Zimmer-Wohnung in London, in der ein Staatsbürger
Großbritanniens syrischer Herkunft wohnt und als Einzelperson die
"Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte" leitet. Ich
wiederhole, er befindet sich in London, wird aber am öftesten zitiert. Es ist
fast lustig, zu hören, wie diese Personen von Barbarei und Kriegsverbrechen
sprechen.
Frage: Gibt es da nicht
Parallelen zum NATO-Krieg gegen den Irak und Libyen und Afghanistan ?
Unsere britischen
Kollegen hatten eine Kommission gebildet, die die Ereignisse im Irak im Jahr
2003 aufarbeiten sollte. Diese Kommission stellte fest, dass dieser Krieg
nichts als eine Farce gewesen ist und dass es keinen legalen Grund für eine
bewaffnete Invasion im Irak und für die Bombenangriffe gegeben hatte. Es sind
13 Jahre vergangen, und nun denken sie wohl, dass sie endlich ehrlich nach der
Wahrheit suchen können.
Die Ereignisse in Libyen
wurden vorerst nicht ermittelt, aber irgendwann kommt es meines Erachtens auch
noch dazu – in jenen Ländern, die am Ursprung dieser Angelegenheit standen. Und
das waren vor allem die Briten, Franzosen und einige Länder aus der Region.
Auch die Amerikaner machen immer noch kaum Fortschritte bei der Ermittlung
ihrer ständigen Fehler.
Ich habe bereits den
Fehler in Deir ez-Zor erwähnt, und gestern machten sie wieder einen Fehler in
Afghanistan, wo sie statt der Taliban-Kämpfer ihre Verbündeten zerbombten – die
afghanische Armee.
Aber man versucht, so
etwas geheim zu halten. Besonders laut werden Vorwürfe gegen uns zufällig immer
dann, wenn jemand irgendwo in Afghanistan oder im Jemen wieder eine Hochzeit
oder eine Schule oder ein Krankenhaus beschossen hat. Da muss dann sofort
irgendein Zwischenfall her, den man Russland in die Schuhe schieben kann. Ich
denke nicht, dass unsere westlichen Partner so primitiv sind, aber wenn es
brennt, wenn sie keine Argumente in Bezug auf die derzeit wichtigste Frage in
Syrien haben – nämlich die Terroristen von den Oppositionellen zu trennen und
gnadenlos gegen sie zu kämpfen –, dann tun sie so etwas.
Zum Angriff auf UN-Hilfskonvoi in Aleppo und zu damit zusammenhängenden
Medienmanipulationen:
Unsere erste Reaktion
war es, eine unverzügliche Untersuchung dieser Tragödie zu fordern. Die
Amerikaner sagten aber, dass sie bereits alles wissen und es keiner
Untersuchung bedarf. Sie zeigen die zerstörten LKW und behaupten, dass
russische beziehungsweise syrische Kampfjets den Konvoi beschossen hätten.
Allerdings fliegt die syrische Luftwaffe nicht in der
Dunkelheit und es war zum Angriffszeitpunkt dunkel. Doch wenn tatsächlich
Flugzeuge den Angriff starteten, wo sind dann die Einschlagstellen? Die bekannte Webseite "Bellingcat"
veröffentlichte Informationen darüber, dass dort angeblich die Spuren einer
Flugzeugbombe russischer Produktion entdeckt wurden.
Doch eine halbe Stunde
zuvor erschienen auf einer anderen Webseite, nämlich auf der des
US-amerikanischen politologischen "Struktur Conflicts Forum",
gänzlich andere Informationen. Bereits in den ersten Sekunden der
Videoaufnahmen des TV-Senders "ABC" waren Spuren jenes Aluminium-Staubs zu sehen, die für Geschosse typisch sind,
mit denen Predator-Drohnen der US-Luftwaffe ausgerüstet werden.
Die Amerikaner dementierten auch
Informationen nicht, wonach sich eine solche Drohne zu diesem Zeitpunkt über
jenem Gebiet in Aleppo befunden hätte, in dem der Konvoi angegriffen wurde.
Danach wurde dieser - einige Sekunden
dauernde - Abschnitt, in dem der Aluminium-Staub zu sehen war, weggeschnitten.
Die Aufnahmen, die die TV-Sender später zeigten, darunter
Doch ich will niemandem
etwas vorwerfen. Wir haben es nur mehrfach erlebt, wie führende westliche
TV-Sender, wie CNN und
"Oppositionskämpfer" drohten mit Beschuss von UN-Hilfskonvoi:
Es gibt so viele Dinge,
die geklärt werden müssen. Als dieser Konvoi anfänglich aus der Türkei nach
Aleppo geschickt wurde, wurde er aus irgendwelchen Gründen nicht von
UN-Mitarbeitern begleitet, obwohl das standardmäßig vorgesehen ist. Zudem gab
es Warnungen seitens der "Oppositionskämpfer" aus dem östlichen
Aleppo, sie hätten Angst, dass die syrische Armee diesen Konvoi zerbomben würde.
Dieselben Oppositionskämpfer, die vor einem Monat, am
26. August, zum ersten Mal versucht hatten, einen humanitären Konvoi nach
Aleppo zu schicken, und jetzt ihre Befürchtungen zum Ausdruck brachten, der
Konvoi könnte zerbombt werden, hatten selbst gedroht, ihn zu bombardieren, denn
sie wollten, dass er über eine andere Route kommt. Damals zeigten die UN-Vertreter sich kleinmütig und
versuchten, sie zu überzeugen, aber vergebens.
Zu der Kooperation zwischen Russland und den USA in Syrien:
US-Außenminister John Kerry hat mir jedes Mal
zugesichert, dass die al-Nusra Front eine ebenso große Terrorgefahr wie der IS
sei, doch sie wird nicht angetastet. Die US-Antiterrorkoalition greift ausschließlich den IS an, die
al-Nusra-Front nicht. Das ist ein ewiger Kreis. Ich vertraue ihnen nicht zu 100 Prozent. Jedes Mal, wenn wir und die
syrische Luftwaffe die Stellungen der al-Nusra-Front angreifen, die übrigens
die wichtigste Stadt im syrischen Drama, Aleppo, kontrolliert, erklären sie
wieder und wieder, dass wir die gemäßigte Opposition angreifen und diese
damit in die Arme der al-Nusra-Front treiben würden. Dabei hat US-Außenminister
John Kerry, wie ich es schon mehrfach erwähnt habe, öffentlich erklärt, dass
die USA die führende Rolle übernehmen würden, um die gemäßigte Opposition von
den Terroristen, darunter auch die al-Nusra-Front, zu trennen.
Ich erinnere mich daran,
wie er öffentlich bei den Sitzungen der Internationalen Gruppe zur
Unterstützung Syriens und des UN-Sicherheitsrats Ende des vergangenen Jahres und
zu Beginn dieses Jahres sagte, dass
jene, die keine Terroristen sind und ein Teil des politischen Prozesses in
Syrien sein wollen, die Gebiete, die die al-Nusra-Front kontrolliert, verlassen
sollen. Doch seitdem ist nichts geschehen. Interessant ist, dass sie nun
die Vorbedingung einer landesweiten Waffenruhe stellen, bevor der politische
Prozess begonnen hat. Wir hatten solche Waffenruhen bereits, die aber sofort
ausgenutzt wurden, um die al-Nusra-Front aus dem Ausland mit Kämpfern, Geld und
Waffen zu verstärken.
USA halten sich nicht an gemeinsame Abmachung:
Alle wissen, dass die wichtigste Vereinbarung zwischen
Russland und den USA die Bildung eines gemeinsamen Exekutivzentrums ist, in dem
beide Seiten nicht nur Informationen zwecks Vermeidung gefährlicher
Zwischenfälle in der Luft austauschen, sondern auch die Handlungen der Militärs
zwecks Bekämpfung der Terroristen koordinieren würden. Das wurde vereinbart, wie auch, dass dieses Zentrum
[ab dem 12. September] eingerichtet werden sollte. Im Laufe von sieben Tagen,
in denen die Waffenruhe sich etablieren würde, sollte der Informationsaustausch
beginnen, damit der Kampf gegen die Terroristen in Übereinstimmung mit einem
koordinierten Fahrplan fortgeführt werden kann. [Journalist: Eine Woche ist
schon vorbei.] Schon mehr als eine Woche. Zunächst sagten unsere Partner, die
Waffenruhe würde ständig verletzt. Und dann
erklärte der Vorsitzende der Joint Chiefs of Staff, Joseph Dunford, im
US-Kongress, der Informationsaustausch mit den Russen sei "keine gute Idee".
Das konnte nur bedeuten,
dass man mit uns keine Informationen austauschen wird. Und das alles nach den
Vereinbarungen, die auf Initiative der Präsidenten Wladimir Putin und Barack
Obama getroffen worden waren und in denen verankert ist, dass die Amerikaner
mit uns Aufklärungsinformationen austauschen würden. Diese Vereinbarungen werden
wirklich stark ausgebremst. Ich denke,
man sucht einfach nach Vorwänden, um mit uns nicht zusammenarbeiten zu müssen
und sich darauf berufen zu können, dass die humanitäre Situation dies unmöglich
mache. Aber warum spannt sich denn die humanitäre Situation an?
"Russland ist schuld, und etwas ermitteln, das will man nicht." Es
ist schwer, mit solchen Partnern zusammenzuarbeiten, aber andere Partner haben
wir in Syrien nicht. Und ich werde immer wieder aufs Neue davon überzeugt, dass
wir uns nur auf unsere Streitkräfte verlassen können.
Quelle: https://deutsch.rt.com/international/41333-lawrow-im-interview-zu-syrien vom 30.9.2016
Zusammenstellung
und der Erlaubnis zur Veröffentlichung von B.Queck