Nord Stream 2: Russland hintertreibt Merkel-Plan
Matthias Brüggmann am 27.02.2019
Russland rückt immer mehr von Putins Zusage ab, auch nach Inbetriebnahme
von Nord Stream 2 weiter den Ukraine-Transit nutzen zu wollen.
Für die Ukraine ist das Weiterleiten von russischem Gas ein einträgliches Geschäft.
BerlinDeutsche Politiker sind empört über Russlands Versuch, die Ukraine als Transitland für russische Erdgaslieferungen nach Europa zu umgehen. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel zugesagt, auch nach Inbetriebnahme der neuen Ostseepipeline Nord Stream 2 Gas durch die Ukraine zu leiten. Russische Regierungsvertreter wie Energieminister Alexander Nowak stellen dies immer mehr infrage.
Entscheidend sei für Deutschland die Zusage von Präsident Putin an die Bundeskanzlerin,
unterstrich CDU/
Energieminister Nowak hatte in der russischen Onlinezeitung Gazeta.ru einen weiteren Gas-Transit durch die Ukraine mit dem Verweis auf die zu hohen Gebühren dort angezweifelt.
Merkel indes hatte den Bau von Nord Stream 2 stets mit dem Argument verteidigt, dass die Ukraine auch weiter Transitland für russisches Gas bleiben werde. Das Pipelineprojekt Nord Stream 2 soll Anfang 2020 fertig sein.
„Wenn wir über die bestehenden Strecken sprechen, die derzeit für den Transit von russischem Gas verwendet werden, ist die ukrainische Richtung die teuerste“, sagte Nowak. In der Ukraine sei „der höchste Tarif festgesetzt – er ist doppelt bis zweieinhalb mal höher als andere Strecken“.
Mit den „anderen Strecken“ sind die bestehende Ostseeleitung Nord Stream 1 und die durch Polen und Weißrussland laufende Jamal-Europa-Röhre gemeint. Als Grund nannte Nowak, dass das ukrainische Transitsystem veraltet sei und so zu hohen Gasverlusten beim Transport führe.
Nowak räumte allerdings ein, dass Moskau mit der Pipeline Nord Stream 2 nicht allein den Transit über die Ukraine ergänzen will. Vielmehr entstehe gemeinsam mit der über die Türkei nach Zentraleuropa führenden Turkish Stream eine Alternative zum Weg durch die Ukraine.
Zudem basierten die neuen Röhren im Gegensatz zum veralteten ukrainischen System „auf den neuesten Technologien“, so der russische Minister. Es handele sich um „Rohre mit großem Durchmesser, hohem Druck, hoher Gasübertragungsrate und geringen Verlusten.
Die Europaabgeordnete der Grünen, Rebecca Harms, sagte dem Handelsblatt zu Nowaks Äußerungen: „Ich hoffe, dass nun allen die russische Position klar ist und dass das deutsch-russische Pipelineprojekt sowie Europas Interessen in der Energiepolitik noch mal diskutiert werden.“
Nord Stream 2 entspreche nicht europäischen Interessen, und Nowaks Haltung, die Ukraine als Transitland auszuschalten, sei „nicht unerwartet, sondern nur schneller als von manchen erwartet“ gekommen. Europas Energiepolitik dürfe weder von Washington noch allein aus Berlin gemacht werden, sagte Harms.
Unter Vermittlung Brüssels verhandeln Russland
und die Ukraine gerade über eine Verlängerung des ukrainischen Transitabkommens
für russisches Erdgas, das ohne Verlängerung zum Jahresbeginn 2020 auslaufen
würde. Putin hatte Merkel zugesagt, dass Gazprom
die bisherige Ukraine-Leitung weiter nutzen werde – allerdings nur, wenn sie
„den wirtschaftlichen Erwägungen entspreche“.
Laut Nowak ist das nicht der Fall. Auch Russlands Vizeaußenminister Alexander Pankin hatte betont, Russland sei „nur zu unseren Bedingungen“ bereit, weiter Gas durch die Ukraine nach Europa zu pumpen.
Die Ukraine warnt vor einem Stopp des Gastransits durch das eigene Land. Wenn die russischen Transitgebühren wegfielen, heißt es in den Dokumenten, könne das bisherige Transitnetz nicht aufrechterhalten werden.
Reparaturkosten von jährlich 100 bis 300 Millionen US-Dollar seien zum
Unterhalt nötig, und entsprechend hoch müsse Gazproms Transitmenge sein,
heißt es in Kiew. Ohne das ukrainische
Netz sei Europas Versorgungssicherheit im Falle harter Winter oder technischer
Probleme bei den Ostseeröhren nicht mehr gewährleistet.
„Wenn es keinen Mindesttransit durch die Ukraine und entsprechende Einnahmen gibt, werden wir das Transitnetz abschalten müssen“, sagte Naftogaz-Sprecherin Aljona Osmolowska dem Handelsblatt.
Das ukrainische Transitsystem ist Osmolowska zufolge im Gegensatz zu den russischen Behauptungen gut in Schuss: „Wir bekommen von Gazprom immer nur 24 Stunden im Voraus die Mengen gemeldet, die wir durchleiten sollen. Das schaffen wir, weil unser System ausreichend flexibel und in gutem Zustand ist.“