Russland : Energievertrag mit der palästinensischen Autonomiebehörde

und mit dem Iran

von F. William Engdahl 27.01.2014 unter: Nahost-Energie-Geopolitik wird gerade SEHR interessant

Dass Russen durchweg passionierte Schachspieler sind, definitiv weit mehr als die meisten Amerikaner und wahrscheinlich auch mehr als die meisten Europäer, ist bekannt. Präsident Wladimir Putin spricht oft genug über seine Liebe zum Schach. Entweder er selbst oder jemand in seiner Umgebung oder beide zusammen haben offenbar Israel und Washington in ein neues geopolitisches dreidimensionales Schachspiel verwickelt, und das in einem Moment, wo seine beiden Schachgegner – Benjamin Netanjahu und Barack Obama – Probleme haben, die Figuren schon auf einem zweidimensionalen Schachbrett zu bewegen. Der jüngste Zug beinhaltet einen russischen Energievertrag mit der Palästinensischen Autonomiebehörde und mit dem Iran.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat gerade eine viertägige Gesprächsrunde mit Präsident Wladimir Putin in Moskau beendet. Zu den Themen gehörte der Abschluss einer russischen Investition und Beteiligung in Höhe von einer Milliarde Dollar an der Entwicklung eines Erdgasfeldes vor der Küste des Gazastreifens. Die Vereinbarung zwischen Abbas und Putin

erfolgt nicht einmal einen Monat nachdem das russische StaatsunternehmenSojusNefteGas einen Exklusivvertrag über Exploration, Entwicklung und Förderung unterzeichnete,der Russland die Rechte über 2200 Quadratkilometer syrischer Gewässer einräumt.

Damit hat Moskau erstmals im boomenden Levantinischen Becken Fuß gefasst. Wie der geologische Dienst der USA 2010 berichtete, enthält das Becken, das sich über Syrien, Libanon, Israel, Zypern und den Gazastreifen erstreckt, mindestens 123 Billionen Kubikfuß förderbares Erdgas und 1,7 Milliarden Barrel Erdöl.

Das Energiedreieck Russland-Syrien-Palästina würde die gesamte Kalkulation in der gewaltigen Energie-Bonanza im östlichen Mittelmeerraum verändern. Diese neue Bonanza begann, als israelische Energiekonzerne in einem Joint Venture mit Noble Energy aus Houston, Texas, 2010vor der Küste Israels das riesige Erdgasfeld Leviathan entdeckten. Im März 2011 – wenige Tage bevor der von Saudi-Arabien und Katar finanzierte Terror in Syrien losbrach – hatte Syriens Präsident Baschar al-Assad mit dem Iran und dem Irak eine historische Vereinbarung über den Bau einer Erdgaspipeline unterzeichnet.

Über die Pipeline sollte Erdgas vom riesigen iranischen Pars-Feld am Persischen Golf durch Syrien entweder in den Libanon oder nach Syrien transportiert und von dort auf den wachsenden Erdgasmarkt in der EU verschickt werden. Katar sitzt auf dem anderen Ende des Pars-Feldes und will offenbar die syrisch-iranische Erdgas-Konkurrenz dadurch ausschalten, dass al-Qaida und andere Söldner finanziert werden, die die Ordnung in Syrien zerstören. Die Moslembruderschaft genießt einen

 Besonderen Status unter dem Schutz von Katar.

Iran-Syrien-Russland-Palästina

Putins überraschende Vereinbarung mit Abbas über die Entwicklung der palästinensischen Offshore-Erdgasvorkommen und die Vereinbarung mit Syrien sind offenkundig Teil einer weit umfangreicheren geopolitischen Energie-Strategie. Als die amerikanisch-iranischen Gespräche über das Atomprogramm Fortschritte machten und die Aufhebung der US- und EU-Wirtschaftssanktionen ins Spiel gebracht wurde, kündigte Putin – überraschend und irritierend für Präsident und Regierung in Washington – an, Russland werde in einem Tauschgeschäft 500 000 Barrel iranischen Erdöls täglich kaufen, als Gegenleistung für bestimmte russische Waren.

Wenn dieser Vertrag unter Dach und Fach gebracht wird, würden die iranischen Erdölexporte dadurch um 50 Prozent gesteigert, der Wirtschaft würden Schätzungen zufolge monatlich 1,5 Milliarden Dollar zufließen. Seit Verhängung der US-Sanktionen gegen den Iran im Juli 2012 sind die Erdölexporte auf die Hälfte gesunkendem Iran entgehen bis zu fünf Milliarden Dollar an monatlichen Einnahmen.

Das Tauschgeschäft zwischen Putin und dem Iran hat Washington überrascht. Es würde die Sanktionsstrategie, die die Republikaner im US-Kongress verschärfen und nicht etwa beenden wollen, durchkreuzen. Was sich da herausbildet, ist eine informelle russisch-syrisch-iranische Achse wirtschaftlicher Kooperation, die Russland erstmals seit dem Ende des Kalten Krieges vor 23 Jahren einen Hebel im Nahen und Mittleren Osten verschaffen würde. Diese Aussicht ist für Washington alles andere als erwünscht. Die Frage ist, was es tun kann, um sie jetzt zu stoppen – in einem Moment, wo die Beziehungen zwischen Washington und Tel Aviv an der Grenze der Belastbarkeit stehen und die USA versuchen, sich so schnell sie können aus dem Nahen Osten zurückzuziehen.

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