Religionskrieg
gegen Teheran
Irak: Konflikte
zwischen Schiiten und Sunniten werden von außen geschürt
Von Karin Leukefeld
Neun
Jahre nach der Besetzung Bagdads durch die USA und ihre Verbündeten und im
Schatten des Konflikts in Syrien spitzt sich die innenpolitische Lage im Irak
wieder zu. Am 8. April, dem Vorabend des Jahrestages des Sturzes der Statue von
Saddam Hussein auf dem Ferdos-Platz vor dem Hotel Palestine in Bagdad durch
US-Soldaten, hatte sich ein Mann zu Wort gemeldet, den viele für tot hielten.
Izzet Ibrahim Al-Duri, ehemaliger Stellvertreter von Saddam Hussein und nach
2003 Anführer des irakischen Widerstandes, richtete sich per Videobotschaft an
das Volk. Sollte das Band authentisch sein, ist der mittlerweile 70jährige
heute Generalsekretär der Baath-Partei und Oberster Kommandeur des Dschihad und
Befreiungskrieges im Irak. Er rief alle »progressiven und national-islamischen
Widerstandskräfte« auf, Irak zu befreien und warnte davor, daß »die Perser
beabsichtigen, den Irak zu übernehmen und dann zu zerstören«.
Wenige Tage später meldeten sich weitere sunnitisch-muslimische Milizen zu
Wort, die ebenfalls zum Kampf gegen den »schiitischen Iran« aufriefen. Man
werde die Nachbarn genauso bekämpfen, »wie ihre Brüder, die Amerikaner«, hieß
es in einer Erklärung der Islamischen Gruppe, einer Koalition von 17 Milizen,
die 2010 entstanden sein soll. Auf Webseiten aus diesem Spektrum war zu lesen,
man habe die USA gezwungen, den Irak zu verlassen, habe nun jedoch einen »noch
schlimmeren Besatzer« vorgefunden, »den gierigen persischen Feigling«. Heute
halte der Iran den Irak »durch seine verräterischen Agenten« besetzt. Der
»Islamische Staat im Irak«, eine Gruppe, die von Geheimdiensten als
Frontorganisation der Al-Qaida eingeschätzt wird, behauptet, zwischen dem 28.
Dezember und 24. Februar 195 Anschläge auf »die Armee der Safawiden und die
Polizei« verübt zu haben. Unter den Fürsten der Safawiden (1501–1722) wurde der
schiitische Islam in Persien als Staatsreligion etabliert.
Dem irakischen Ministerpräsidenten Nuri Al-Maliki wird von dieser Seite
vorgeworfen, ein schiitisches Regime im Land zu etablieren. Nach seiner
Machtübernahme 2010 ist der Regierungschef heute Verteidigungsminister,
Innenminister, Chef des Geheimdienstes und der Armee. Seit Maliki unmittelbar
nach Abzug der US-Truppen aus dem Irak versucht hat, Tarek Al-Haschemi, der
Vizepräsident und ein prominenter Politiker der Liste Al-Irakia ist,
festzunehmen, weil dieser eine Todesschwadron gegen die Regierung befehligt
haben soll, nimmt der politische Konflikt im Irak deutlich konfessionelle Züge
an. Haschemi warf im Gegenzug Al-Maliki vor, die irakischen Sunniten zu
unterdrücken. Demonstrativ wurde der Vizepräsident daraufhin in Katar und
Saudi-Arabien empfangen.
Der Präsident der autonomen Kurdenregion im Norden, der Sunnit Masud Barsani,
sagte der arabischen Tageszeitung Al-Hayat, Maliki führe mit seiner
Machtkonzentration den Irak in eine neue »Diktatur« und in eine »Katastrophe«.
Kurz nach seiner Rückkehr aus Washington, wo er zu politischen Gesprächen im
Weißen Haus empfangen worden war, kündigte Barsani an, er werde eine Konferenz
irakischer Führer einberufen, um das Land »zu retten«.
Die Invasion 2003 im Irak hatte zwar den Sunniten Saddam Hussein entmachtet,
gleichzeitig aber den Einfluß des Iran unter den unterprivilegierten
schiitischen Massen begünstigt. US-Analysten warnten deshalb ab 2006 plötzlich
vor einem »schiitischen Machtbogen vom Mittelmeer bis Indien«. Auch die mit dem
Westen verbündeten sunnitischen Wahabiten und Salafisten aus Katar und
Saudi-Arabien wollen den Einfluß des Iran zurückdrängen. Beide führen seit
Monaten einen politischen, finanziellen, medialen und militärischen Kampf gegen
Syrien. Sie werfen Damaskus vor, sich mit dem Iran gegen die
arabisch-sunnitischen Interessen verbündet zu haben. Die Assad-Familie, die in
Syrien seit mehr als 40 Jahren an der Macht ist, gehört zur konfessionellen
Minderheit der Alawiten, die als Schiiten gelten.
http://www.jungewelt.de/2012/04-18/034.php
vom 18.4.12