Russischer Sondergesandter: Syrien bleibt Priorität der russischen Außenpolitik
Die Beilegung des Konflikts in Syrien hat für Russland trotz
des Krieges in der Ukraine weiterhin hohe Priorität. Dies betonte der russische
Sondergesandte des Präsidenten für Syrien, Alexander Lawrentjew.
Der Politiker äußerte sich ausführlich zur Lage in dem Land.
Zu Beginn der internationalen Gespräche zu Syrien im Astana-Format hat der
russische Sondergesandte des Präsidenten für Syrien, Alexander Lawrentjew, Stellung zu den Problemen in der Region
genommen. Lawrentjew betonte, dass sich Russlands Militäreinsatz
in der Ukraine nicht auf die Aufmerksamkeit für die Lage in Syrien ausgewirkt
habe. Wörtlich hieß es: "Einige europäische Länder wollen, dass sich
die Situation in Syrien nach ihren eigenen Vorstellungen entwickelt. Ich möchte
daher sagen, dass der Syrienkonflikt und seine Beilegung weiterhin eine
Priorität der russischen Außenpolitik sind."
Dem Sondergesandten zufolge werde Russland das syrische Volk weiterhin bei der
Stabilisierung der Lage und beim Wiederaufbau der zerstörten Wirtschaft unterstützen.
Lawrentjew äußerte sich auch zu einer möglichen neuen
Militäroperation der Türkei in Nordsyrien.
Russland halte dies für einen unklugen Schritt, der die Spannungen in der
Republik erhöhen werde. Russland werde seine türkischen Gesprächspartner in
Nur-Sultan auffordern, von diesem Schritt abzusehen und die Bedenken im Rahmen
eines Dialogs beider Seiten auszuräumen.
Bezüglich des bestehenden Mechanismus der grenzüberschreitenden Hilfe für
Syrien erklärte der Sondergesandte, dass es an der Zeit sei, dieses Verfahren
zu beenden. Bislang habe der Westen keine Schritte in Richtung einer Lockerung
der Sanktionen unternommen, so Lawrentjew. Weiter
hieß es: "Dieser Mechanismus wurde als vorübergehende Maßnahme
geschaffen, und es ist wahrscheinlich an der Zeit, dass die gesamte von der
internationalen Gemeinschaft geleistete Hilfe legal über Syrien, über Damaskus,
läuft. Das ist die derzeitige Position Russlands."
Laut Lawrentjew seien die Verpflichtungen für einen
Wiederaufbau seitens des Westens nicht eingehalten worden. Unter diesen
Umständen werde Russland die Einstellung des grenzüberschreitenden Mechanismus
in Betracht ziehen: "Vielleicht werden wir auch über die Entwicklung
neuer Mechanismen für eine akzeptable Unterstützung und den Wiederaufbau der syrischen
Wirtschaft durch die internationale Gemeinschaft nachdenken."
Wiederum setzen die USA unter dem Vorwand, die Terrororganisation Islamischer
Staat zu bekämpfen, ihre "plündernden Aktivitäten" im Nordosten
Syriens fort, so Lawrentjew. Daher solle die Frage
der illegalen Präsenz der USA im Nordosten erörtert werden: "In
Wirklichkeit sind die US-Einheiten vor Ort hauptsächlich damit beschäftigt, die
Ölfelder zu schützen und dadurch faktisch das syrische Nationalvermögen zu
plündern."
Lawrentjew unterstrich, dass dies die syrische
Bevölkerung daran hindere, ein menschenwürdiges Leben zu führen: "Dennoch
muss auch dem barbarischen Raubbau, von dem Damaskus natürlich keine Dividende
erhält und keine menschenwürdige Versorgung seiner syrischen Bürger gewährleisten
kann, ein Riegel vorgeschoben werden."
Zur Sprache kamen auch die israelischen Angriffe auf syrisches Gebiet, die als
inakzeptabel bezeichnet wurden. Alexander Lawrentjew
erinnerte an den jüngsten Angriff auf den internationalen Flughafen in Syrien,
bei dem die Start- und Landebahn beschädigt wurde, sodass keine internationalen
Flüge mehr abgewickelt werden können. Der Sondergesandte versicherte, die
Schäden würden im Laufe der Zeit repariert. Darüber hinaus werde bei den
Gesprächen auch die Frage der syrischen Flüchtlinge zur Sprache kommen: "Dies
ist eine sehr wichtige Frage angesichts der Absicht der Türkei, die Bedingungen
für die Ansiedlung der mehr als 1,5 Millionen syrischen Flüchtlinge auf dem von
der Türkei kontrollierten Territorium zu schaffen, die sich derzeit auf dem
Gebiet der Türkei befinden."
In diesem Zusammenhang wies Alexander Lawrentjew
darauf hin, dass sich die Einstellung gegenüber Flüchtlingen in einigen Ländern
ändert: "Insbesondere der Libanon spricht sich dagegen aus, Gelder für
die Unterbringung syrischer Flüchtlinge in den Aufnahmeländern bereitzustellen;
vielmehr sollen direkt in deren Heimatland menschenwürdige Bedingungen
geschaffen werden."
Im Hinblick auf die nächste Sitzung des syrischen Verfassungsausschusses erklärte
Lawrentjew, dass Russland die Wahl eines neuen
Tagungsortes für notwendig halte, da Genf seinen neutralen Status verloren
habe. Dem Sondergesandten des russischen Präsidenten für Syrien zufolge müsse
die Wahl des neuen Veranstaltungsortes sorgfältig geprüft werden.
Die Verhandlungen in Astana (seit März 2019 Nur-Sultan; das Format der
Gespräche behält seine ursprüngliche Bezeichnung) über die Beilegung des
Konflikts in Syrien wurden vom russischen Präsidenten Wladimir Putin initiiert.
Am 14. Dezember 2016 vereinbarten die beiden Staatschefs Russlands und der
Türkei, Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdoğan, in einem Telefongespräch, einen Dialog
zwischen den Konfliktparteien herzustellen und den Prozess der
Friedensgespräche nicht nur in Genf zu führen. Nur-Sultan, die Hauptstadt
Kasachstans, wurde daraufhin als Ort für das neue Format gewählt. Der Vorschlag
Wladimir Putins, eine zusätzliche Plattform für den syrischen Friedensprozess
zu schaffen, wurde auch vom kasachischen Präsidenten, Nursultan Nasarbajew
(Amtszeit von 1990 bis 2019), unterstützt.
https://pressefreiheit.rtde.tech/der-nahe-osten/141085-nach-israelischem-angriff-auf-flughafen-damaskus/
15.6.2022
Israelischer
Angriff auf Flughafen von Damaskus schürt neue Spannungen in Nahost
von Seyed Alireza Mousavi
Falls Russland sich aus Syrien zurückzieht, wird eine direkte Konfrontation
zwischen Iran und Israel zu befürchten sein, da Moskau bislang die Rolle einer
Ordnungsmacht in Syrien gespielt hat. Die Anzeichen mehren sich derzeit, dass
der Nahe Osten sich in einer Übergangsphase zum Aufbau einer neuen Ordnung
befindet, denn die alten Mechanismen zur Eindämmung der Konflikte in der Region
haben seit dem Ukraine-Krieg ausgedient.
Israel drehte letzte Woche wieder an der Eskalationsschraube seiner
jahrelangen Aggressionen gegen die syrische Souveränität, indem
es einen Raketenangriff auf den wichtigsten zivilen Flughafen des
Landes in Damaskus verübte. Kommerzielle Flüge von und
nach Syrien sind nach den Luftangriffen am Freitag für fünf Tage
komplett ausgesetzt. Neben den Start- und Landebahnen trafen die Angriffe
auch Flughafengebäude und einen Radarturm.
Der Angriff auf den Flughafen von Damaskus hat die Spannungen
zwischen Israel auf der einen Seite und Iran und seinem libanesischen
Verbündeten Hisbollah auf der anderen Seite in der Region weiter verschärft.
Dazu kommen noch die jüngsten Mordaktionen des israelischen Geheimdienstes
gegen iranische Bürger: Iran hat in letzter Zeit Israel beschuldigt, mehrere hochrangige Mitglieder der Iranischen
Revolutionsgarde ermordet zu haben.
Im Nahen Osten sind rhebliche geopolitische Verschiebungen zu beobachten. Jordaniens
König Abdullah II warnte kürzlich davor, dass die neuen
Kräfteverschiebungen in Syrien zu Spannungen entlang der Grenze zu Jordanien
führen könnten. Der Angriff am Freitag war die umfangreichste Aggression
Israels gegen ein ziviles Ziel in Syrien, die faktisch den
internationalen Flughafen von Damaskus lahmgelegt hat. Der Flughafen
war bislang auch in den schlimmsten Tagen des bereits elf Jahre andauernden
Konflikts in Syrien in Betrieb geblieben. Israel habe – nach eigenen Angaben –
in letzter Zeit Waffenlager der Milizen in Syrien ins Visier genommen, um
mutmaßliche Waffenlieferungen über Syrien an die Hisbollah zu unterbinden.
Im Gegensatz zur israelischen Darstellung der Lage erklärte vor Kurzem der
syrische Präsident Baschar al-Assad in einem
Interview mit RT, dass die Aggression Israels gegen Syrien erst dann
eingeleitet worden wäre, als die Terroristen in Syrien in vergangenen
Jahren immer mehr Boden verloren hätten: "Die Israelische Armee ist für
uns genauso ein Terrorist wie jeder anderer Terrorist – ob syrisch oder aus dem
Ausland", sagte Assad weiter.
Die jüngste Eskalationen erfolgen nur wenige Wochen
nach dem laut Berichten begonnenen Abzug einiger Truppen Russlands aus
Syrien, um die russischen Streitkräfte in der Ukraine zu stärken. Syrien
will sich nun stärker auf die Partnerschaft mit Iran stützen. Mit dem
jüngsten Angriff wolle Israel die Botschaft senden, dass es nicht zulassen
werde, dass Iran das von Russland in Syrien hinterlassene Machtvakuum füllen
könne. Falls Russland sich aus Syrien zurückzieht, wird eine direkte
Konfrontation zwischen Iran und Israel auf syrischem Boden zu erwarten sein, da
Russland bislang die Rolle einer Ordnungsmacht in Syrien gespielt hat.
Israel praktizierte laut eigener Darstellung bislang mit Moskau einen
Mechanismus, wonach Russland nicht auf israelische Luftangriffe
gegen iranische Ziele in Syrien reagiert habe. Die Lage hat sich aber nun
komplett verändert. Israels Beziehungen zu Russland haben sich durch den
Ukraine-Konflikt sehr verschlechtert, auch weil die Regierung in Tel Aviv die
Ukraine zunehmend unterstützt und gleichzeitig versucht, Israels
"Bewegungsfreiheit" in Syrien aufrechtzuerhalten. Trotz der
Verschlechterung der Beziehungen zu Moskau setzt Israel seine Operationen im
syrischen Luftraum, der überwiegend von Russland kontrolliert wird, weiter
fort. Das russische Außenministerium verurteilte am Freitagabend die
"bösartige Aktion" Israels aufs Schärfste und bezeichnete die
israelische Aggression gegen Syrien als "Provokation", die gegen
"die grundlegenden Normen des Völkerrechts" verstoße.
Der Angriff von Freitag könnte unter anderem ein erster Schritt in
Richtung eines möglichen neuen Krieges zwischen Israel und der Hisbollah
sein. Der libanesischer Journalist Sateh
Noureddine glaubt, dass Israels Schritt, den Flughafen von Damaskus
lahmzulegen, darauf abziele, "eine vollständige Luftblockade gegen Iran zu
verhängen" und damit die entscheidende Luftverbindung der Hisbollah
zu ihrem einzigen "militärischen Versorgungszentrum" zu unterbrechen.
Die Hisbollah befindet sich derzeit auch in einem Kampfmodus.
Die Widerstandsbewegung drohte kürzlich Israel mit Krieg, sollte das Land
an der Ausbeutung des vom Libanon beanspruchten Karisch-Gasfeldes
im Mittelmeer festhalten.
Die Anzeichen mehren sich, dass sich der Nahe Osten in einer
Übergangsphase zur Aufbau der neuen Ordnung befindet, da die alten
Mechanismen zur Eindämmung der Konflikte in der Region seit Beginn der
Militäroperation Russlands in der Ukraine ausgedient haben.