Palästina-Kongress in Berlin
durch Polizeiaufgebot abgebrochen
Berliner Polizei ließ die Teilnehmer nicht zu
Wort kommen
Jamal Igrith am 15.4.2024
Tribunal gegen Deutschland
Palästina-Kongress
verabschiedet trotz Verbots Resolution wegen deutscher »Beihilfe zum Völkermord
in Gaza«
Trotz des autoritären Umgangs mit dem Palästina-Kongress in Berlin und
letztlichen Verbots der Veranstaltung fand diese am 15.4.24 in Teilen statt.
Zuschauer konnten ein »Tribunal gegen die deutsche Beihilfe zum Völkermord in
Gaza« per Livestream verfolgen. Zwar hatte die Polizei »jede
Ersatzversammlung« verboten, eine solche liegt jedoch erst ab zwei Personen
vor, die am selben Ort ihre Meinung kundtun.
Der erste Teil des »Tribunals« widmete sich der deutschen Unterstützung für die
israelischen Verbrechen sowie der Klage Nicaraguas gegen die Bundesregierung
vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag in diesem Zusammenhang.
Auch die IGH-Entscheidung im Verfahren Südafrikas gegen Israel wegen des
Vorwurfs des Völkermords im Gazastreifen vom 26. Januar war Thema.
Im ersten Vortrag kritisierte die Rechtsanwältin
Nadija Samour, die bereits am Freitag und
Sonnabend als Rechtsbeistand der Kongressleitung in Erscheinung getreten war,
dass die in Den Haag von Deutschland zur Verteidigung vorgetragene Unterscheidung zwischen »Kriegswaffen« und »sonstigen
militärischen Gütern« in internationalen Verträgen wie dem »Vertrag über den
Waffenhandel« nicht vorgesehen sei und daher nicht trage.
Auch das ebenfalls vor dem
IGH bemühte Argument, Deutschland liefere vor allem
»Munition zu Trainingszwecken«, erklärte Samour
mit Verweis auf eine Recherche der israelischen Zeitung Haaretz
über im Gazastreifen verwendete »Trainingsmunition« als nichtig. Jetzt sei der
Zeitpunkt, den »Genozid« wahr- und ernst zu nehmen und zu beenden, bevor es zu
spät sei, so die Deutsch-Palästinenserin. Dazu sei die Bundesregierung
verpflichtet.
Auf diesen Aspekt machte auch die zweite Sprecherin, die
palästinensisch-US-amerikanische Rechtswissenschaftlerin Noura Erakat aufmerksam. Sie kontextualisierte die sogenannte Völkermordkonvention
von 1948 und betonte, dass deren Ziel nicht die »Bestrafung für einen
bereits geschehenen Genozid«, sondern die »Verhinderung von zukünftigen«
sei.
Die Argumentation,
nach der der IGH zuerst feststellen müsste, dass es sich tatsächlich um einen
Völkermord handele, bevor Maßnahmen gegen Deutschland verhängt werden könnten,
trage daher nicht.
Darüber hinaus lenke die Debatte, ob es sich im juristischen Sinne um einen
Völkermord handele, von dem israelischen Krieg gegen die Zivilbevölkerung im
Gazastreifen ab. Zentral sei statt dessen, dass die
Kriegführung angesichts von mehr als 15.000 toten Kindern »inakzeptabel« sei
und »sofort beendet werden« müsse. Erakat bezeichnete
es darüber hinaus als »rassistisch«, dass »30.000
palästinensische Opfer« den Regierungen im globalen Norden nicht genügt hätten,
um Worte der Kritik gegenüber Israel auszusprechen, sondern diese erst auf den
Tod von sieben Hilfskräften internationaler humanitärer Organisationen hin
vernehmlich protestiert hätten.
Im zweiten Teil des Tribunals berichteten zwei »Augenzeugen des Völkermords«
von ihren Erfahrungen im Gazastreifen seit dem 7. Oktober. Die
deutsch-palästinensische Medizinstudentin Jamila Hamadaqa
machte darauf aufmerksam, dass aktuell nicht der erste Krieg tobe, der gegen
die Zivilbevölkerung des Gazastreifens geführt werde.
In dem dichtbesiedelten Gebiet sind 50 Prozent der Bevölkerung minderjährig.
Während die Bomben und Raketen bereits die Erwachsenen zur Verzweiflung
trieben, sei die Situation für die Kinder im Gazastreifen »unbeschreiblich«, so
Hamadawa. Währenddessen diskutiere man in
Deutschland, »ob es sich um einen Genozid handele« und »ob die Opferzahlen
stimmen« – eine »Ablenkung und Rechtfertigung der israelischen Verbrechen«.
Der in Darmstadt aufgewachsene und inzwischen in Gaza als Kinderarzt tätige Abdallah Abdelhadi
äußerte, der 7. Oktober habe gezeigt, »wie wichtig ein freies Palästina« sei. Jeder
Akt legitimen palästinensischen Widerstands gegen die Besatzung werde
niedergeschlagen und bestraft, auch friedliche Formen des Protests.
Den Abschluss des »Tribunals« bildete die Verabschiedung einer »Resolution«, in der die Bundesrepublik
für ihre Unterstützung Israels angeklagt und ein sofortiger Waffenstillstand
verlangt wird. Zu den Forderungen zählen darüber hinaus »umfangreiche
Reparationszahlungen an das palästinensische Volk«, die »sofortige Einstellung
jeglicher militärischer, diplomatischer und wirtschaftlicher Unterstützung
Israels durch den deutschen Staat« und die Beendigung »des seit über 76 Jahren
andauernden zionistischen Siedlerkolonialismus und ethnischer ›Säuberung‹ des
gesamten besetzten Palästinas«.
Deutschland habe »aus seiner Vergangenheit nichts gelernt«, so ein Sprecher des
Kongresses bei der Vorstellung des Papiers. »Nie wieder« müsse für alle gelten.
Die Palästinenser erlitten seit Jahrzehnten einen Völkermord. In bezug auf die Auflösung des Palästina-Kongresses am Freitag
erklärte er, der Bundesregierung sei es auch mit autoritären Maßnahmen nicht
gelungen, den Protest dagegen zu verhindern.
https://odysee.com@RTDE:e/Pal%C3%A4stina-Kongress-abgebrochen-Berliner-Polizei-lie%C3%9F-die-Teilnehmer-nicht-zu-Wort-kommen