Nato als länder- und
geldgierige Maschine: US-Austritt möglich, falls …
von Walerija Filippowa,
25.01.2019
Allein die Idee eines US-Austritts aus der Nato hat
dem amerikanischen Establishment einen panischen Schrecken eingejagt. Ob Trump
den Rückzug aus der Allianz wirklich erwägt oder nicht, die Antwort blieb nicht
aus: Der Kongress versucht jetzt, einen möglichen Nato-Ausstieg gesetzlich zu
verhindern. All das ist aber einfach „viel Lärm um nichts“.
357 gegen 22: Das Ergebnis der Abstimmung im
US-Repräsentantenhaus spricht für sich selbst. Sowohl Demokraten als auch
Republikaner zeigten sich im Ernst beunruhigt über die jüngste Diskussion um
einen möglichen US-Ausstieg aus der Nato. Noch in der vorherigen Woche machten Vertreter des amerikanischen
Establishments klar, dass sie bereit sind, entsprechend zu reagieren, falls
sich der Präsident für diesen Schritt entscheiden sollte. So erklärte die
demokratische Abgeordnete Jackie Speier:
„Ich denke, dieser Schritt wäre für unser Land
zerstörerisch. Er wäre die Grundlage für ernsthafte Handlungen unsererseits,
sei es ein Amtsenthebungsverfahren oder die Anwendung des 25. Zusatzartikels.“
Der 25. Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung
erlaubt es dem Kabinett und dem Vizepräsidenten, den Präsidenten des Amtes zu
entheben, falls er „unfähig ist, die Befugnisse und Obliegenheiten seines Amtes
wahrzunehmen“. Obwohl die Kriterien für diese „Unfähigkeit“ nicht definiert
sind, versteht man darunter physische oder mentale Beeinträchtigungen. Mit
anderen Worten setzt die politische Elite in den USA einen Nato-Austritt
mit Geistesverwirrung gleich.
Die Abstimmung im Repräsentantenhaus über einen Gesetzentwurf, der dem Präsidenten verbietet, Budgetmittel für
den Austritt aus der Nato zu nutzen, war nur der erste Schlag. Dieser
Gesetzentwurf muss noch im Senat gebilligt und dann von Trump unterzeichnet
werden, der übrigens sein Veto dagegen einlegen kann. Aber das Wichtigste ist,
dass der Kongress deutliche Signale sendet: Die Nato ist ein sehr sensibles
Thema, und der Ausstieg könnte den Präsidenten die politische Karriere kosten.
Hörigkeit Europas und großer Nato-Appetit
Was Trump über die Nato auch geredet und wie er sie
auch kritisiert hätte, später versicherten entweder der US-Vizepräsident oder
der amerikanische Verteidigungsminister den europäischen Verbündeten
in Brüssel, dass die Vereinigten Staaten der Nato treu bleiben. Die Stärke
der Allianz stützt sich allerdings nicht auf das Engagement der US-Politiker,
sondern auf die Hörigkeit Europas.
Es ist nicht immer nachzuvollziehen, warum europäische
Länder so stark an der Nato festhalten. Sie sind bereit, auf eigenen Territorien
ausländische Militärstützpunkte zu bauen und Waffen zu stationieren. Sie geben
für die Rüstungsausgaben immer mehr Geld aus: Allein in Deutschland stieg
der Verteidigungsetat auf mehr als 43 Milliarden Euro. Und das sind noch nicht
die zwei Prozent des BIP, die die USA von allen Verbündeten fordern.
Um der Nato und der EU beizutreten, ändert Mazedonien
seinen Namen, was den alten Streit mit Griechenland noch mehr anheizt (die
letzten griechischen Proteste zeugen davon). Wie man das Land auch nennen mag,
niemand wird Mazedonien mit offenen Armen zeitnah in die EU aufnehmen (es
ist übrigens schon seit 2005 EU-Beitrittskandidat, die Sache kommt aber nicht
vom Fleck). Die Nato wird hingegen mit großem Appetit das 30. Land schlucken.
Destruktive Rolle der Nato in Europa
Gibt es eine wahre Bedrohung für die Nato-Staaten?
Gegen wen rüsten sie auf? In diesem Jahr übersteigt der amerikanische Wehretat
den russischen um mehr als das Fünfzehnfache, geschweige denn der Wehretat
aller Nato-Mitglieder. Die Amerikaner selbst scheinen den Sinn des Bündnisses
nicht zu erkennen. Ein Moderator des Senders Fox News wendet sich an seine
Fernsehzuschauer: „Der Nato-Austritt im Jahr 1983 wäre ein echtes Aufsehen
gewesen, als die Sowjetunion noch existierte und der Sinn der Nato noch klar
war.“
Mindestens in Europa spielt die Allianz
heutzutage eher eine destruktive als positive Rolle, weil sie die europäische
Sicherheitsstruktur durch die ständige Erweiterung zerstört. Laut dem
russischen Außenminister Sergej Lawrow versucht die Nato, den Kontinent
weiterhin zweigeteilt zu lassen und die Trennlinien weiter nach Osten zu
verschieben. Lawrow sieht darin eine große Gefahr für Stabilität und Sicherheit
in Europa:
„Nichts von dem, was die Nato derzeit tut, erhöht die
Sicherheit von irgendjemandem. (…) Ich sehe nicht, dass die drei
Erweiterungsrunden die Nato in irgendeiner Weise stärker im Kampf gegen
terroristische Gefahren oder im Kampf gegen den Drogenhandel gemacht haben.
Darüber hinaus sind auf dem Balkan neue Gefahren entstanden. Mit der
einseitigen Unabhängigkeitserklärung des Kosovo ist ein Gebiet entstanden, das
für Korruption steht und das wir als,schwarzes Loch‘ bezeichnen.“
Zu spät für die Unabhängigkeit
Wer zahlt, bestimmt die Musik. In Europa beginnt man
das zu verstehen. Der französische Staatschef Emmanuel Macron hält die USA zwar
für „einen historischen Verbündeten“ seines Landes, aber merkt gleichzeitig an,
dass Europa sich auf keinen Fall zum Vasallen der Amerikaner machen lassen
dürfe. Deutschlands Außenminister Heiko Maas kündigt Widerstand gegen die
Stationierung von neuen atomaren US-Mittelstreckenraketen an: „Europa darf auf
gar keinen Fall zum Schauplatz einer Aufrüstungsdebatte werden.“
Die beiden haben sich mit ihren Aussagen aber
verspätet. Auf dem europäischen Territorium befinden sich derzeit 34
Kommandostäbe der Nato und der USA, 57 Luftwaffenstützpunkte, 19 Militärbasen
und Gelände, 14 Militärdepots, vier Objekte der Raketenabwehr und der
Flugabwehr. Sieht das nicht wie Aufrüstung aus?
Bald steigen die Amerikaner aus dem
Wegen diesem Verhalten mutet die jüngste Diskussion
über einen Austritt der USA aus der Nato eher wie „viel Lärm um nichts“ an. Die
Nato ist eine große länder- und geldgierige Maschine, und eine Stimme – möge
das auch die Stimme eines Präsidenten sein – spielt hier eine geringe Rolle.
Ein Ende der Nato oder zumindest eine neue Definierung der Zielsetzung wäre
also nur dann möglich, falls die Allianz kein Wunschziel für andere Länder
wäre. Aber heute betrachten wir eine ganz andere Tendenz.
Quelle. https://de.sputniknews.com/kommentare/20190125323711716-usa-nato-ausstieg-kommentar/