NATO-Patriot-Raketen und NATO-Truppen zum
Schutz kolonialen Eigentums ?
Seit dem 11. September 2001
führen die USA im Verbund mit anderen NATO-Staaten an der UNO-Charta vorbei
einen von ihnen deklarierten Verteidigungskrieg gegen „Terroristen“ erst gegen
Afghanistan, dann im Nahen Osten und nunmehr in Afrika.
Es gehe beim Einsatz von
NATO-Truppen, auch jetzt in Mali, angeblich ’nicht um Wirtschaftsinteressen‘,
oder gar Einflussgebiete ehemaliger Kolonialmächte, wie z.B. Frankreichs u.a.,
sondern nur um einen Kampf gegen den Terror. Der erklärte „Krieg gegen den
Terrorismus“, die der französische
Präsident in den vergangenen Wochen ständig als Notwendigkeit beschwor, wurde
kürzlich durch Aussagen des französischen Verteidigungsministers Jean-Yves Le
Drian unwillkürlich als Lüge entlarvt.
Jean-Yves Le Drian äußerte am
24.01.2013 gegenüber dem Nachrichtenmagazin „Le Point“, Frankreich wolle
künftig die Uranminen in Arlit, Akouta und Imouraren im Norden Nigers von
französischen Elitesoldaten des „ „Commandement des ope’rations spe’ciales“
(Cos) bewachen lassen.
Man muss wissen, dass die
Uranförderung im Grenzgebiet zu Mali den wirtschaftlichen Nerv Frankreichs
berührt. Zirka ein Drittel der 58 in Frankreich befindlichen Atomkraftwerke,
die mehr als drei Viertel des Strombedarfs im Lande decken, werden mit Uran aus
Niger bestückt. Geplant ist in Zukunft sogar eine Erweiterung des Uranabbaus durch
den französischen Konzern Areva, der
Ende 2013 eine neue Mine in Imouraren in Betrieb nehmen will.
Seit im September 2010 sieben
Areva-Mitarbeiter – darunter fünf Franzosen- aus dem Sicherheitstrakt in Areva
von einem Dschihadisten-Kommando entführt und nach Mali verschleppt worden
waren ( vier davon befinden sich bis heute in der Gewalt der Al Quaida, die,
wie man weiß, Hand in Hand mit dem Westen zusammenarbeitet!), fordert der
französische Konzern Areva einen stärkeren Schutz der französischen Uranminen,
zumal seine Belegschaft in diesem Jahr auf mehr als 300 Personen anwachsen und
die derzeitige Uranproduktion dort von 3500 Tonnen um mehr als das Doppelte
gesteigert werden soll.
Der Uranbergbau stößt auf
zunehmende Kritik von Umweltgruppen, die Areva anklagen, für ihre Produktion
zwei Drittel des notwendigen Trinkwassers für die dortige Bevölkerung zu
verbrauchen.
Außerdem durchschneidet das neu
geplante Uranabbaugebiet, das nach seiner Inberiebsnahme als französisches
Sicherheitsgebiet eingestuft und damit
von außen streng abgeriegelt würde, das Jahrhunderte alte Siedlungsgebiet des
Volksstammes der Tuareg, die schon einmal im Jahre 2007 für ihre angestammten
Rechte gekämpft hatten.
Inzwischen haben sich viele
Tuareg den bewaffneten Gruppen angeschlossen, die der französische Präsident
und auch die Vertreter anderer Westmächte kurz als „islamische Terroristen“
abstempeln.
(Quelle: mic.Paris, 24.01.13
und FAZ vom 25.01.13 „Paris will Uranmunition in Niger mit Soldaten schützen“)
Allein dieses Beispiel zeigt,
dass die Wirtschaftsinteressen der
westlichen Länder mit ihren Kolonialinteressen an und in Afrika Hand in Hand gehen.
Die Errichtung von
NATO-Stützpunkten überall in den afrikanischen Ländern, wo es begehrenswerte
Rohstoffe gibt, dient der Sicherung von Maximalprofiten der entwickelten
westlichen Länder durch unmenschliche Ausbeutung der Bevölkerung des afrikanischen
Kontinents, die durch die Präsenz von NATO-Soldaten aufrecht erhalten werden
soll !!
Dass die Tuareg mit ihrem
Protest gegen die Stationierung von Soldaten aus NATO-Ländern in ihren von
ihnen bewohnten afrikanischen Ländern nicht allein sind, zeigen die andauernden
Demonstrationen der Bevölkerung in der der NATO zugehörigen Türkei. Sie
verwehrt sich dagegen, dass sich ihr Staat an NATO-„Antiterroraktionen“ in
anderen Staaten beteiligt.
So berichtet die FAZ vom 24.
Januar auf der Grundlage von Berichten aus Kahramanmaras, dass nach dem
21.01.13, als die ersten deutschen Patriot-Einheiten in der Türkei anlangten,
Bundeswehrsoldaten bei ihrem Ausgang am folgenden Tag von ca. 40 türkischen
Zivilisten bedroht worden sind.
Dabei war einem Soldaten ein
Sack über den Kopf gezogen worden.
Jeder Bewohner der Türkei
versteht diese Anspielung, die sich auf einen Vorfall aus dem Jahre 2003
bezieht, als amerikanische Soldaten in der von mehrheitlich Kurden besiedelten
Stadt Suleimanija im Nordirak 11 Soldaten einer türkischen Sondereinheit
überwältigten und ihnen Säcke über den Kopf stülpten.
Der türkische Generalstab
sprach damals von einer tiefen Verletzung des türkischen Nationalstolzes und
der Ehre der türkischen Streitkräfte. Daraufhin versperrte die Türkei für 3
Tage ihre Grenzen für amerikanische Nachschubverbände. Erst, nachdem der
türkische Ministerpräsident Erdogan bei dem damaligen amerikanischen
Vizepräsidenten Cheney interveniert hatte, wurden die gefangen genommenen
türkischen Soldaten frei gelassen.
Dieser Vorfall hatte damals
einem türkischen Regisseur als Vorlage für seinen Amerika und Israel kritischen
Film „Tal der Wölfe“, der auch die Szene des Überfalls auf türkische Soldaten
zeigte, gedient.
In Erinnerung an diese Schmach,
die amerikanische Soldaten türkischen Soldaten im Jahre 2003 angetan hatten,
erklärte einer der Sprecher der türkischen Arbeiterpartei am 23.01. 13 auf
einer ANTI-NATO-Demonstration laut türkischen Medienberichten :
„Wir werden es nicht zulassen,
dass die Türkei das Zentrum von Angriffen auf den Nahen Osten wird. Wir werden
es Soldaten Amerikas und der NATO nicht gestatten, sich frei in diesem Land zu
bewegen. Ob es deutsche oder amerikanische Soldaten waren, denen wir Säcke
überstülpten, ist egal. Sie sind alle NATO-Soldaten.“
Ein Bundeswehrsoldat erklärte,
dass auf einem Flugblatt, das auf einer Demonstration in Iskenderun verteilt
wurde, sinngemäß stand:“ Wir treffen uns, bringt euere Säcke mit!“
Schlussfolgernd dazu schätzt
der FAZ Journalist Michael Martens ein, „das die größte Bedrohung für die in
der Türkei eingesetzten deutschen, niederländischen und vor allem
amerikanischen Patriot-Einheiten womöglich nicht syrische Raketen, sondern
türkische Chauvinisten sind“.
Ein „Angriff des syrischen
Regimes auf das NATO-Mitglied Türkei ist zumindest derzeit äußerst
unwahrscheinlich. Läßt sich das auch für Angriffe radikaler türkischer
Nationalisten sagen ?“
Die wahrscheinlich für den
Zwischenfall in Iskenderun Verantwortlichen sei zwar nur eine kleine
Splittergruppe in der Türkei, aber mit außerordentlicher Breitenwirkung.
So würden in der türkischen
Bevölkerung folgende Ansichten über den Zweck der ausländischen Militärpräsenz
in der Türkei kursieren :
1.
die NATO wolle Israel
dabei helfen, den Iran zu bombardieren;
2.
die Amerikaner würden eine
Invasion auf Syrien vorbereiten;
3.
der Einsatz der NATO in
der Türkei sei Teil eines Planes “den Nahen Osten in einem See aus Blut zu
verwandeln“.
Aus diesem Grunde plane die
Bundeswehr über eine Art „Tag der offenen Tür“ und Vorträgen der türkischen Bevölkerung
die Angst vor der Stationierung der Patriot- Kontingente zu nehmen und auch die
deutschen Soldaten besser auf ihren Einsatz im Ausland vorzubereiten. Was immer
das auch heißen mag.
Klüger wäre es wohl, nicht nur
die deutschen Soldaten vor ihrem Einsatz, sondern schon die Schüler und
Gymnasiasten mit dem Grundgesetz -unserer Verfassung- vertraut zu machen, deren
Artikel 87 a den Einsatz der Bundeswehr im Ausland verbietet.
Allen anderen NATO-Soldaten
aber sei ein Blick in den NATO – Vertrag vom 4.April 1949, mit Vorwort und Artikel
1 empfohlen, die ebenfalls aussagen, dass nur die Verteidigung der Grenzen der
NATO-Mitgliedsländer im Falle eines Angriffes von außen statthaft ist.
Brigitte Queck,
Diplomstaatswissenschaftlerin Außenpolitik, 27. Januar 2013