Der Mythos von der
Bedrohung der USA durch Al-Qaida
Von Knut Mellenthin
In New York wurde am
Mittwoch ein junger Mann muslimischer Herkunft festgenommen, der angeblich das
Gebäude der Federal Reserve Bank in Manhattan in die Luft sprengen wollte. 80
Meter unter der Erde lagern dort unter anderem Goldreserven der USA im Wert von
rund 21 Milliarden Dollar sowie von rund drei Dutzend anderen Staaten. Die
Anlage in New York ist eine von zwölf Filialen der US-Zentralbank.
Wie mittlerweile fast
alle »vereitelten« Anschläge dieser Größenordnung war auch der jetzt gemeldete
eine Inszenierung amerikanischer Dienststellen. Beteiligt waren daran die New
Yorker Polizei (NYPD) und die Joint Terrorism Task Force der Bundespolizei FBI.
Der von einem Undercover-Agenten des FBI und einem Informanten angeworbene
»Attentäter« war ein 21jähriger aus Bangladesch. Nach den Darstellungen der
Behörden war Quazi Mohammad Rezwanul Ahsan Nafis im Januar mit einem
Studentenvisum eingereist, um sich an der Southeast Missouri State University
für das Fach Cybersecurity zu immatrikulieren. Tatsächlich hatte er nach
Auskunft der Universitätsleitung aber nur bis Mai dort studiert. Das schien die
US-Behörden jedoch ebenso wenig zu interessieren wie die Tatsache seines Umzugs
in den New Yorker Stadtteil Queens.
Im Juli nahm die Polizei
nach eigenen Angaben durch einen Informanten Kontakt zu Nafis auf, weil er
durch wilde Mitteilungen in verschiedenen extremistischen Internetblogs
aufgefallen war. Später machte sich auch der Undercover-Agent an ihn heran,
indem er vorgab, mit Al-Qaida in direkter Verbindung zu stehen. Nafis glaubte
nun, in deren Auftrag zu handeln, und soll mehrere Vorschläge für
Anschlagsziele gemacht haben, worunter anfänglich auch die New Yorker Börse
gewesen sein soll. Die Behörden stellten dem Möchtegern-Attentäter 25 Säcke zur
Verfügung, in denen sich angeblich Sprengstoff befand – insgesamt die
stattliche Menge von fast 500 Kilogramm – sowie zusätzlich einen
funktionsunfähigen »Zünder«. Zusammen mit dem Undercover-Agenten lud Nafis die
Säcke schließlich am Mittwoch in einen ebenfalls von der Polizei gestellten
Kleinlaster, fuhr mit dem FBI-Mann zum Bankgebäude, parkte das Fahrzeug und
versuchte vergeblich, die vermeintliche Bombe mit einem präparierten Handy zu
zünden. Danach erfolgte der polizeiliche Zugriff.
Das hier praktizierte
Verfahren – im Polizeijargon der USA »sting operation« genannt – stellt nicht
etwa eine seltene Ausnahme dar, sondern ist seit dem 11. September 2001 zum
Normalfall der »Terrorismusbekämpfung« auf eigenem Boden geworden. Es hat in
den vergangenen elf Jahren in den USA nicht einen einzigen wirklich
ausgeführten Sprengstoffanschlag gegeben, der auf islamistische Motive
zurückzuführen gewesen wäre. Es ist in dieser Zeit auch kein Fall von organisiertem
Terrorismus entdeckt worden. Dennoch wollen Regierung und Behörden der USA an
ihrem Mythos festhalten. Einer der Gründe liegt auf der Hand: Allein die
Terrorismusabteilung der NYPD beschäftigt rund 1000 Männer und Frauen. Ihre
Arbeitsplätze müssen gesichert und der aufgeblähte Apparat muß mit irgendetwas
beschäftigt werden.
In den Worten des New
Yorker Polizeichefs Raymond Kelly klingt das so: »Al-Qaida-Agenten und von
ihnen Inspirierte versuchen immer wieder, die Stadt New York zum Schlachtfeld
zu machen.« Fünfzehn Anschläge habe man seit 2001 vereitelt, darunter auch
einen auf die Brooklyn Bridge. Nachdem es seit elf Jahren keinen einzigen
erfolgreichen Anschlag gegeben habe, sei es verständlich, daß die
Öffentlichkeit bequem werde. »Aber das ist ein Luxus, den sich die
Strafverfolgungsbehörden nicht leisten können.« »Diese Bedrohung wird uns noch
lange Zeit erhalten bleiben.« (CNN und Los Angeles Times am Donnerstag)
Er muß es wissen.
(Quelle: http://www.jungewelt.de/2012/10-19/027.php vom 19.10.2012 / Ausland / Seite 6 )