Rohingya-Konflikt in Myanmars Provinz Rakhine
Freiheitskämpfer oder Terroristen?
von Rainer Rupp
Des einen Freiheitskämpfer sind des anderen Terroristen. Dieser Grundsatz
zeigt sich auch im Rohingya-Konflikt. Die bewaffneten Gruppen der muslimischen
Minderheit in Myanmar erhalten Geld, Ausbildung und Waffen für ihre Kämpfer.
Aber ist ihr Ziel tatsächlich ein islamischer Staat? Wer sind die muslimischen,
bewaffneten Gruppen, die mit Überfällen auf Polizeistationen und Brandschatzung
von buddhistischen Dörfern seit Oktober Myanmars Krisenprovinz Rakhine unsicher
machen. Sind es idealistische Freiheitskämpfer, die für die angeblich
entrechtete, muslimische Minderheit der Rohingya dort einen Kleinkrieg führen?
Diese Darstellung findet man überwiegend in westlichen Medien, die in mitleidheischenden
Artikeln über die Lage der muslimischen Minderheit der Rohingya den Rebellen
ehrliche Motive zubilligt.
Oder handelt es sich bei den angeblichen „Freiheitskämpfern“ um fanatisierte
lokale Islamisten, die von ausländischen Dschihadisten ausgebildet und
angeführt werden. Ihre Gegner behaupten, sie kämpften ohne Rücksicht auf die
Zivilbevölkerung, egal ob es sich um Frauen und Kinder aus der buddhistischen
Mehrheit oder muslimische Minderheit handelt, obwohl sie Letztere vorgeben zu
schützen. Ihr Ziel sei, in der Provinz Unsicherheit zu schaffen und sie für die
Zentralregierung unregierbar zu machen, um langfristigen Rakhine von Myanmar
abzuspalten. Das ist zum Beispiel die Sicht der Friedensnobelpreisträgerin und
de-Facto Staatspräsidentin Myanmars, Aung San Suu Kyi, auf die Lage in Rakhine.
Ihre Einschätzung wird auch in Peking und Moskau geteilt.
Von interessierten Kreisen im Ausland gesteuert
Laut dieser Lesart handelt es sich in Rakhine um islamistische Terroristen, die
von interessierten Kreisen im Ausland gesteuert und dazu missbraucht werden,
eine engere wirtschaftliche, politische und militärische Zusammenarbeit
zwischen China und Myanmar zu torpedieren oder gar ganz zu verhindern. Denn
Rakhine ist aus geologischen Gründen die Schlüsselprovinz für die
Verwirklichung des Baus der Öl- und Gaspipelines vom Golf von Bengalen in den
Westen Chinas, womit Peking zur Verbesserung seiner Energiesicherheit den
maritimen Engpass der Straße von Malakka umgehen will.
Ursprünglich hatten sich die Rohingya-Kämpfer den arabischen Namen “Harakah
al-Yaqin” gegeben, was so viel wie "Bewegung des Glaubens“ heißt. Diese
Bewegung war 2012 nach größeren Gewaltausbrüchen zwischen muslimischen und
buddhistischen Bevölkerungsgruppen in Rakhine gegründet worden. Sie blieb
weitgehend unbekannt bis sie im Oktober 2016 von sich reden machte, nachdem
ihre Kämpfer einige Polizei- und Grenzposten angegriffenen und dabei 9
Polizisten getötet hatten. Dennoch hat die Bewegung inzwischen ihren Namen
geändert, um die Nähe zum arabischen Islamismus zu kaschieren.
Aktuell firmieren die in Rakhine operierenden Kämpfer unter dem patriotischen
Namen „Arakan Rohingya Salvation Army“ (ARSA). Arakan ist ein alter Name für
die Provinz Rakhine. Auf Deutsch übersetzt heißt die umbenannte Gruppe jetzt
also: „Rettungsarmee der Rohingya in Rakhine“.
Zwar behaupten die ARSA-Aktivisten und ihre ausländischen Unterstützer stets,
dass die Rohingya-Kämpfer keine Terroristen sind, weil sie nur
Sicherheitskräfte der Regierung angriffen. Allerdings scheint das Gegenteil der
Fall. So berichtete etwa die britische
Auch laut einer Analyse der in Brüssel ansässigen „International Crisis Group“
(ICG) haben die ARSA-Kämpfer immer wieder ganz normale Bewohner buddhistischer
Dörfer überfallen und massakriert und ihre Siedlungen niedergebrannt. Im
Gegenzug haben Militär und Polizei – wie üblich in solchen Konflikten –
Rohingya-Siedlungen niedergebrannt, die im Verdacht standen, ARSA-Mitglieder zu
verstecken. Als Fazit können wir hier also festhalten, dass ARSA-Kämpfer, die
unschuldige Menschen, Frauen und Kinder zur Zielscheibe nehmen, zu Recht als
Terroristen bezeichnet werden, egal wie nobel ihre angeblichen Motive im Westen
dargestellt werden. Aber sind sie auch islamistische Terroristen, wie die
Regierung Myanmars behauptet?
Die angeblich guten Verbindungen von ARSA zu verschiedenen islamistischen
Terrorgruppen im Mittleren Osten sind zwar nicht dokumentarisch belegt, aber
dennoch gibt es dafür gute Indizien. So nehmen z.B. internationale
Dschihadisten-Gruppen wie die Taliban, der so genannte "islamische
Staat" (IS) und al-Qaida lebhaften Anteil an der Lage der ARSA. Diese
Terrororganisationen verurteilen z.B. mit großer Heftigkeit die angeblich gegen
die Rohingya begangenen Gräueltaten und fordern auf ihren Webseiten „Rache an
Myanmar und seinen Buddhisten“. Laut einer Analyse der in Brüssel beheimateten
„International Crisis Group“ (ICG) deute das darauf hin, dass die ARSA mit den
anderen internationalen Dschihadisten Gruppen vernetzt ist.
ARSA-Terrorgruppe in Saudi-Arabien gegründet?
Unter Bezugnahme auf dieselbe ICG-Analyse berichtete die britische
Nachrichtenagentur Reuters im Dezember 2016, dass die ARSA-Terrorgruppe in
Saudi-Arabien gegründet wurde und die dschihadistische Kampfausbildung von
Saudi Arabien und Pakistan geleitet und finanziert worden sei. Laut
Mitarbeitern der ICG wurden die aus Rohingya-Islamisten bestehende
ARSA-Einheiten, die – wie bereits oben berichtet - im Oktober 2016 drei
Grenzposten in Myanmar überfallen und 9 Soldaten getötet hatten, von Leuten
angeführt, die nachweislich Verbindungen zu Saudi Arabien und Pakistan haben.
Demnach war der Anführer der Gruppe ein gewisser Ata Ullah. Laut ICG ist er im
pakistanischen Karachi als Sohn eines Rohingya Migranten-Vaters geboren. Schon
als Kind kam er mit seinem Vater nach Mekka in Saudi-Arabien, wo er aufwuchs
und islamistisch radikalisiert wurde. Dort bekam er dann als junger Mann,
zusammen mit 20 weiteren Rohingya, eine Ausbildung in Guerilla-Kriegsführung.
Daraus ist dann anscheinend der harte Kern der islamistischen Terroristen
entstanden, die nun die Provinz Rakhine unsicher machen. Unabhängig davon gebe
es einen in Mekka residierenden „Ältestenrat“ aus Rohingya Emigranten, der die
militärischen Operationen der ARSA-Terroristen in Myanmar politisch überwacht.
In einem Video, das auf der ARSA-Webseite ins Netz gestellt wurde, prahlt
Anführer Ullah, dass die ARSA inzwischen Zulauf von Hunderten von jungen
Rohingya-Männern bekommt, die alle mit Hass auf die Buddhisten erfüllt seien.
Rohingya-Islamisten, die bereits in anderen internationalen Konflikten
Kampferfahrung gesammelt haben, sowie kampferprobte Pakistanis und Afghanen,
hätten die Ausbildung der Rekruten übernommen. Diese beinhaltete Waffenkunde,
Guerilla-Taktik, wobei besonderer Wert auf die Herstellung von selbst
hergestellten Sprengstoffen und improvisierten Sprengfallen gelegt werde.
Der Zulauf zur ARSA scheint nicht übertrieben, denn nur so erklärt sich, dass am
25. August dieses Jahres die ARSA 30 Polizei- und Militärposten überfallen und
dabei 12 Polizisten ermorden konnte. Mit diesen Operationen hätte die ARSA ihre
„Legitimität und Fähigkeit zur Durchführung von Angriffen etabliert“, weshalb
jetzt unwahrscheinlich sei, dass sich die Terroristen in Zukunft Sorgen um ihre
weitere finanzielle Unterstützung machen müssten, lautet der zynische Kommentar
der International Crisis Group zu diesen mörderischen Überfällen.
Um der Gewalteskalation von beiden Seiten zu entgehen, fliehen viele Rohingya
über die Grenze nach Bangladesch. Dort erwartet vor allem die jungen Männer
eine von Saudi Arabien finanzierte Infrastruktur, mit deren Hilfe sie von der
radikal islamistischen Wahhabi Propaganda infizieren werden sollen, mit dem
Ziel, sie zu willigen Mordwerkzeugen zu machen. Denn langfristig soll aus der
Myanmar-Provinz Rakhine ein „unabhängiger Islamischer Staat“ werden, zumindest
wenn es nach den Video-Verlautbarungen des militärischen Anführers der ARSA Ata
Ullah und seiner Gruppe geht.
Das aber ist noch ein langer Weg und bedarf vieler, dschihadistischer
Fußsoldaten. Dafür hat Saudi Arabien laut der kritischen US-amerikanische
Webseite „MofA“ am 26. April dieses Jahres bereits die Fundamente gelegt, und
zwar mit der Unterschrift unter das eine Milliarde Dollar teure Mamut Projekt,
das den Bau von 560 Moscheen samt dazugehöriger Islamschulen in Bangladesch
vorsieht.
Insgesamt habe die saudische Golf-Diktatur im Mantel einer islamistischen
Monarchie seit 1979 rund um die Welt die Summe von 70 Milliarden Dollars für
solche Moscheen und religiöse Schulen ausgegeben. Dort wird ausschließlich der
gewalttätige, saudische Wahhabismus gelehrt, eine islamistische Lehrmeinung,
die keine andere neben sich duldet.
Derweil geht der Konflikt vor Ort weiter. Laut jüngsten Angaben der Regierung
von Myanmar sind 45 Dörfer und Siedlungen in Rakhine (mit muslimischen oder
buddhistischen Einwohnern) bisher abgebrannt worden. Laut einem Sprecher mit
Namen Zaw Htay seien im Norden von Rakhine von insgesamt 471 Dörfern 176
vollkommen verlassen worden und aus 34 weiteren seien mindestens einige Leute
geflohen. Weiter betonte der Sprecher jedoch, dass bei weitem nicht aus allen
muslimischen Ortschaften die Bewohner über die Grenze nach Bangladesch geflohen
seien.
Diejenigen jedoch, die sich nach Bangladesch abgesetzt hätten, seien entweder
mit den Aufständischen verbunden, oder es handele sich um Frauen und Kinder,
die vor den Konflikten fliehen. Laut offiziellen Zahlen sind in Rakhine seit
dem 25. August 432 Menschen getötet worden. Die meisten seien Aufständische
gewesen.
Chinesischen Einfluss in Myanmar zurückdrängen
China, das enge Beziehungen zur Regierung von Myanmar pflegt, begrüßte
ausdrücklich die anti-Terror-Operation gegen die ARSA in Rakhine und bezeichnet
sie als “interne Angelegenheit” eines souveränen Staates. Die USA und ihre
Verbündeten, die den chinesischen Einfluss in Myanmar zurückdrängen wollen,
möchten den Konflikt mit humanitären Appellen mit Hilfe der Vereinten Nationen internationalisieren.
Dabei leisten westliche Medien mit entsprechender Gräuelpropaganda Washington
Schützenhilfe. Schon hat die US-Regierung zum „Schutz der Zivilbevölkerung“ in
Rakhine aufgerufen. Das ist ein ominöser erster Schritt, der in der Vergangenheit
schon öfters zur Vorbereitung bewaffneter Intervention genutzt wurde, die mit
der berüchtigten angeblichen „Schutzverantwortung“ (R2P) rechtfertigt wurden,
mit der das Angriffskriegsverbot der
Mit Dank übernommen von RT Deutsch – Erstveröffentlichung am 30.09.2017 als dritter Teil
einer Folge von Artikeln (Teil 1: Die Scheinheiligkeit westlicher Empörungsdramaturgie, Teil 2: US-Blockadeinstrument gegen Chinas Einfluss in Myanmar)
Nachdruck in Neuer Rheinischer Zeitung vom 09. Oktober 2017