Moskaus
Geniestreich
Wie John
Kerry sich selbst austrickste
von Werner Pirker am
11.9.2013
Als »Angebot, das gar keines
sein sollte«, bezeichnete Spiegel online den Vorschlag John Kerrys, auf eine
Militärintervention zu verzichten, sollte Syrien seine Chemiewaffen abliefern.
Tatsächlich wäre der US-amerikanische Außenminister nie auf die Idee gekommen,
daß Damaskus darauf eingehen könnte. Den Spiegel-Leuten dürfte es nicht anders
ergangen sein. Doch auch an dieser Stelle in der jW stand gestern zu lesen, daß
Kerry der syrischen Führung ein »unmoralisches Angebot« gemacht habe, das diese
selbstverständlich zurückweisen würde.
Die launige Bemerkung des
US-Außenministers wurde indessen von seinem russischen Amtskollegen Sergej
Lawrow umgehend aufgegriffen. Er werde der syrischen Regierung vorschlagen, ihr
Chemiewaffenarsenal internationaler Kontrolle zu unterstellen, sagte er und
siehe da – Damaskus stimmte zu. Damit ist Obama das Argument, daß Assad zu
keiner friedlichen Lösung bereit sei, aus der Hand geschlagen worden.
Die syrische Führung ist über
ihre Schmerzgrenze gegangen. Denn natürlich ist es eine
Zumutung, von Kriegsverbrechern, die Massenvernichtungswaffen jeder Art horten
und diese bei Gelegenheit immer wieder zum Einsatz bringen, zur Vernichtung seines
Chemiewaffenarsenals genötigt zu werden. Doch das zählt nicht, wenn es
darum geht, einen ausländischen Angriff abzuwenden, der auf die Auslöschung
Syriens als souveräner Staat zielt. Die syrischen Streitkräfte haben zuletzt
eindrucksvoll bewiesen, den Krieg gegen die dschihadistische Aggression auch
ohne den Einsatz von chemischen Waffen siegreich zu Ende führen zu können. Die
Rebellen waren es, die das westliche Kriegsbündnis mit einer Giftgasprovokation
zur Intervention eingeladen haben.
Es ist aber kaum anzunehmen,
daß sich die USA von außer Rand und Band geratenen Lumpen in einen Krieg
hineinziehen lassen. Das Kriegsszenario ist von Washington mit voller Absicht
herbeigeführt worden. So gesehen ist die Gefahr mit dem Eingehen Syriens auf
das Angebot, das keines sein sollte, noch lange nicht gebannt. Denn der
Verzicht auf eine ausländische Militärintervention bedeutet die sichere
Niederlage der Anti-Assad-Kräfte und damit das Scheitern der westlichen »Regime
change«-Strategie. Auf der anderen Seite bietet die Bereitschaft Syriens, sich
von seinen Chemiewaffen zu trennen, dem Westen eine Gelegenheit, aus dem
Kriegsszenario ohne allzu großen Gesichtsverlust auszusteigen. Zumal es sowohl
innerhalb der »Wertegemeinschaft« als auch in den USA selbst äußerst umstritten
ist und von den Bevölkerungen mehrheitlich abgelehnt wird.
Gelingt es tatsächlich, den
drohenden Krieg noch abzuwenden, dann war das eine Meisterleistung der
russischen Diplomatie. Ein Beispiel dafür, wie man eine hochexplosive Situation
doch noch entspannen kann. Aber das ist ja auch der Grund, warum der Westen
Rußland mit allen Mitteln wieder ins geopolitische Niemandsland abschieben
will.
Quelle: http://www.jungewelt.de/2013/09-11/057.php