Letztes Gespräch mit dem ehemaligen Präsidenten der Bundesrepublik Jugoslawien vor dessen Verhaftung – geführt im März 2001
Never give up – Niemals aufgeben

Fulvio Grimaldi im Gespräch mit Slobodan Milosevic (aus dem Italienischen von Hajo Kahlke)

http://www.nrhz.de/flyer/media/25819/anreisser(2).jpgSlobodan Milosevic (von 1989 bis 1991 Präsident der Sozialistischen Republik Serbien, von 1990 bis 1997 Präsident der Republik Serbien und von 1997 bis 2000 Präsident der Bundesrepublik Jugoslawien) wurde auf Betreiben der Kräfte, die die Bundesrepublik Jugoslawien 1999 überfallen hatten, am 5. Oktober 2000 als deren Präsident beseitigt, in der Nacht vom 31. März auf den 1. April 2001 verhaftet und am 28. Juni 2001 nach Den Haag verschleppt, wo ihm vom formal von der UN gegründeten, faktisch aber NATO-kontrollierten Tribunal der Prozess gemacht wurde und er am 11. März 2006, bevor ein "Urteil" gesprochen wurde, zu Tode kam. Er sollte für immer mundtot gemacht werden. Am 14. April 2019 starb in Sotschi seine Frau Mira Markovic. Sie wird an der Seite ihres Mannes bestattet werden. Wenige Wochen zuvor hatte anlässlich des völkerrechtswidrigen NATO-Angriffs auf die Bundesrepublik Jugoslawien vor 20 Jahren, der am 24. März 1999 begann, vom 22. bis 23. März 2019 in Belgrad eine internationale Konferenz unter dem Motto "NATO-Aggression - Niemals vergessen - 1999-2019 - Frieden und Fortschritt statt Krieg und Armut" stattgefunden. Im Rahmen dieser Konferenz trafen die Herausgeber der NRhZ den italienischen Journalisten Fulvio Grimaldi (siehe das Interview mit ihm). Er berichtete davon, dass er im März 2001, kurz vor der Verhaftung von Slobodan Milosevic, noch ein Gespräch mit ihm hatte führen können. Eine gekürzte Version ist am Tag nach der Verhaftung, am 1. April 2001, in der "Corriere della Sera" erschienen. Er hat die ungekürzte Fassung für die Veröffentlichung in der NRhZ zur Verfügung gestellt. Hajo Kahlke gebührt Dank, dass er den Artikel, in dem das Gespräch und sein Verlauf wiedergegeben sind, aus dem Italienischen ins Deutsche übertragen hat. Es folgt also der Artikel von Fulvio Grimaldi in deutscher Fassung - als Würdigung eines Politikers, der sich nicht der globalen Mafia des "westlichen" Kapitals beugen wollte und dafür teuer bezahlt hat.

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Grabstätte von Slobodan Milosevic in seinem Geburtsort Požarevac, 25.3.2019
(Fotos: arbeiterfotografie.com)

Der Termin mit Slobodan Milosevic erinnert an diejenigen, die ich wiederholt mit Yasser Arafat hatte: absolute Unsicherheit über Ort und Zeitpunkt des Treffens - bis Freitagabend 19 Uhr, als ich dabei war, nach Kragujevac aufzubrechen, um dort die Führer der linken Gewerkschaft zu interviewen, die gerade einen überraschenden, überwältigenden Sieg über die der neuen Macht nahe stehenden Gewerkschaft bei den Wahlen zur Erneuerung der Gewerkschaftsführer der Automobilfabrik Zastava erzielt hatten. Genau in diesem Moment erschien der ehemalige Außenminister und heutige Vizepräsident der Serbischen Sozialistischen Partei, Zivodin Jovanovic, dessen Verhaftung - wie jene von acht weiteren hochrangigen Parteifunktionären, die dann tatsächlich erfolgte - angekündigt worden war, dann aber dementiert wurde. Ich bin mit beträchtlichem Aufwand in den Wohnsitz des Ex-Präsidenten verbracht worden. Und auf dem Weg dorthin drückte Jovanovic die Befürchtung aus, dass all diese Verhaftungen eine heftige Kampagne gegen Milosevic sind, die von der Jugendbewegung des Premierministers Zoran Djindjic veranstaltet wird, den "Schwarzhemden", die, zusammen mit der Organisation OTPOR, welche von den USA als ihr spezielles 'Aufstand'sinstrument in Dienst genommen wurde, versuchen, ein Vakuum um Milosevic herum zu schaffen, im Hinblick auf seine bis zum 31. März (2001) anvisierte Verhaftung, die von Washington unter Androhung der Ablehnung jeglicher Finanzhilfen und der Aufrechterhaltung der Sanktionen angeordnet war. Durch das Tor der Residenz, außerhalb des Stadtzentrums von Belgrad, durchqueren wir einen großen Park, der stark beleuchtet und auch von Soldaten und Panzer-Fahrzeugen besetzt ist, was mir Posten zur Verteidigung vom Milosevic sagen, die einen möglichen Handstreich mit dem Ziel seiner Gefangennahme abwehren sollen.

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Den Haag, 14.3.2006 - Mahnwache als Zeichen des Protests und der Trauer anlässlich des Todes des ehem. Präsidenten der Bundesrepublik Jugoslawien, Slobodan Milosevic - "Die Nato tötet mit Bomben - ihr Tribunal tötet durch das Verwehren medizinischer Versorgung"

An der Tür eines einstöckigen Gebäudes kommt der ehemalige jugoslawische Präsident zu mir und begrüßt mich mit herzlicher Geste. Ich werde in einen großen neoklassischen Salon geführt, mit drei hufeisenförmig angeordneten Sofas im Zentrum. Milosevic nimmt auf dem in der Mitte Platz, mit mir und Jovanovic auf den beiden Seiten. Er bittet darum, kein Aufnahmegerät zu benutzen und besteht darauf, dass es sich um ein Gespräch und kein Interview handelt. Aber er erlaubt mir, es zu veröffentlichen.

Slobodan Milosevic, 60, sieht jünger und kräftiger aus als auf den Fotos oder im Fernsehen. Es erweckt nicht den Eindruck eines besiegten und verbogenen Mannes, der vielleicht verängstigt ist. Er drückt sich mit dem gleichen spontanen und ruhigen Selbstbewusstsein aus, das ihn bei anderen Gelegenheiten geprägt hat. Offensichtlich von Optimismus bestimmt, dankt er all denen in der Welt, die Solidarität mit Jugoslawien zeigen, seine Souveränität und Integrität unterstützen und sowohl die NATO-Aggression als auch das Verlangen von Carla del Ponte und den USA verurteilen, ihn dem internationalen Tribunal in Den Haag zu übergeben, das Milosevic den "illegalen Arm der NATO" und "ein Instrument zur Aufrechterhaltung des Völkermords an Jugoslawien" nannte. In diesem Zusammenhang veranschaulicht der ehemalige Minister Jovanovic einen starken, anhaltenden Konflikt zwischen dem serbischen Ministerpräsidenten Zoran Djindjic, als Mann der deutsch-amerikanischen Dienste, und Präsident Vojislav Kostunica. Er bezieht sich auf die Führer der Streitkräfte, die anscheinend immer noch dem ehemaligen Präsidenten treu ergeben sind (welcher jedoch dabei ein militärisches Eingreifen gegen die neue Macht stets abgelehnt hätte), die Djindjic nun durch Männer seines Vertrauens ersetzt. Bei meiner ersten Frage nach der Möglichkeit der Verhaftung von Milosevic sagen sowohl Jovanovic als auch der ehemalige Präsident, dass sie auf die Antwort der Massen vertrauen. Jovanovic spricht sogar von der Möglichkeit eines Bürgerkriegs, vor allem, falls Djindjic beschließen sollte, Milosevic dem Haager Tribunal zu übergeben, einem Gericht, das sich nicht nur in den Augen der Anhänger der alten Regierung disqualifiziert hat, sondern sichtlich inakzeptabel für einen großen Teil der Bevölkerung ist, welcher sich zwar gegen den Mann stellt, der zehn Jahre lang Präsident von Serbien und Jugoslawien war, doch kritisch bleibt gegenüber den NATO-Bombardierungen und gegenüber dem, was als  Instrumentarium zur Abwälzung der Verantwortung auf die Serben gesehen wird, für all das, was die jugoslawischen Völker in Bezug auf Desintegration, Schäden und Tötungen erlitten haben - und auch als ein Instrumentarium zur Vereitelung jeglicher Ansprüche auf eine Entschädigung wegen der NATO-Bombardierung und auf eine Entgiftung und damit Rückgewinnung von Gebieten, die durch Chemikalien und Uran verseucht wurden.

Ein gewaltiges Destabilisierungsmanöver in Südosteuropa

Das von Milosevic dominierte Gespräch, das mir wenig Raum für Fragen lässt, gleitet sofort zu dem, was - da es noch keine Anzeichen für einen akuten Versuch gibt, den sozialistischen Führer gefangen zu nehmen - als das brennendste Thema erscheint: die Angriffe der "terroristischen" UCK in Mazedonien und Südserbien. "Es ist ein gewaltiges Destabilisierungsmanöver in Südosteuropa", sagt Milosevic mit Nachdruck. Die Terroristen der UCK werden von den USA in antieuropäischer und antibalkanischer Funktion mit der Fata Morgana von "Großalbanien" benutzt. In enger Zusammenarbeit mit dem türkischen Regime, einem der größten Geldgeber der Albaner, handeln alle albanischen Minderheiten in den Balkanländern unter der Führung der UCK und mit der politischen Deckung seitens Rugova: Südserbien, ganz Mazedonien und bald auch Bulgarien und Griechenland, wo starke albanische Gemeinschaften leben (800.000 in Griechenland). In Rumänien werden andererseits die ungarischen Minderheiten zur Revolte angestachelt. Das strategische Ziel besteht darin, das gesamte Gebiet gegen das europäische Interesse an der Stabilisierung in permanenten Turbulenzen zu halten, insbesondere um den in Griechenland starken und in Bulgarien und Rumänien anwachsenden Anti-NATO-Tendenzen entgegenzuwirken und ein weites Gebiet der Kontrolle der von der UCK gesteuerten Drogenkriminalität zu sichern. Der politische Ansatz zielt wieder einmal darauf ab, ethnische Unterschiede auszunutzen.

Jugoslawien: ein Beispiel für friedliches Zusammenleben in Harmonie

Ich möchte meinen Gesprächspartner fragen, ob er nicht der Ansicht ist, dass die ehemalige jugoslawische Regierung auch ihren Teil der Verantwortung für diese Fragmentierung nach ethnischen, religiösen, sprachlichen und kulturellen Gesichtspunkten sowie wegen der Kontrolle der Energieträger trägt. Milosevic antwortet leidenschaftlich: "Die jugoslawische Föderation mit ihrem friedlichen Zusammenleben war ein Modell für die Europäische Union, bis die Handlungsstränge des deutschen und amerikanischen Imperialismus ins Spiel kamen - es lebten in Frieden Völker unterschiedlicher Kultur, Geschichte und Konfession. Sie lebten seit 80 Jahren in Harmonie. In Jugoslawien wurde niemand gefragt, welcher Rasse oder Nationalität er war. Der Bruch kam, als von außen Machtgruppen mit dem Versprechen großer persönlicher und elitemäßiger Privilegien angestiftet wurden. Was beispielsweise die kroatische Bevölkerung betrifft: wie hätte man sie von dem Wert einer Zersplitterung überzeugen können, wenn so viele Kroaten in Bosnien, Serbien und im Kosovo lebten? Das Gleiche galt für die Serben, denen damals die Selbstbestimmung verweigert wurde, und für die Muslime. Es lag nicht im nationalen Interesse einer dieser Gemeinschaften, Spaltung und Gegensätzlichkeit zu erreichen."

"Deutschland und die USA haben auch ein föderales System." "Ja, aber noch hat niemand versucht, auf diese Ehen seinen Finger zu legen. Das System der Vereinigten Staaten ist zudem ein veraltetes föderatives System, das bald in die Krise geraten wird, weil es nur geometrische, geografische Einteilungen und nicht die verschiedenen ethnischen, kulturellen, sprachlichen und sozialen Gemeinschaften anerkennt. In der Tat ist es ein System, das nicht auf die heiligen Forderungen der Latinos, Schwarzen, Einheimischen, Italiener und Armen reagieren kann. Dies sind aufstrebende Gemeinschaften, die anerkannt werden wollen. So sehr, dass Bush die Notwendigkeit verspürte, lateinamerikanische Einwanderer auf Spanisch anzusprechen. Es sollte ein Prinzip der Anerkennung ethnischer und sozialer Gemeinschaften geben. Es ist die Demonstration, dass jeder einen neuen Code, eine neue Formel für das Zusammenleben fordert. Jugoslawien war ein Beispiel dafür. Das erklärt auch, warum es von den heutigen Mächten als Feind angesehen wird."

Die NATO ist kein Bündnis von Gleichen, sondern eine Kriegsmaschine

In Belgrad hatte in den vergangenen Tagen am zweiten Jahrestag des Krieges eine internationale Konferenz stattgefunden, die vom Belgrad-Forum, einer Organisation der jugoslawischen Linken, einberufen wurde. Aus vielen Ländern waren Delegationen gekommen, aus den Vereinigten Staaten, Deutschland, Russland, Palästina, dem Irak, Libyen, Griechenland, Italien und anderen Ländern, um ihre Solidarität mit diesem Land zum Ausdruck zu bringen. Milosevic schien davon sehr ermutigt: "Die Italiener, die uns während der Krise besucht haben, darunter Cossutta und viele Politiker aus europäischen Ländern, haben uns deutlich gemacht, dass ihre Länder nicht unabhängig sind. Das italienische Volk wurde nicht einmal gefragt, ob es einen Krieg will. Dies wurde im Parlament informell diskutiert. Es ist ein Beweis dafür, dass die NATO kein Bündnis von Gleichen ist, sondern eine Kriegsmaschine, die hinter dem gesamten Westen steht. Die Völker werden überwältigt und helfen hilflos bei der Zerstörung von Krankenhäusern, Schulen, Zügen und Bussen voller Zivilisten in einem freundlichen und harmlosen Land."

Statt Gaskammern Verteufelung der Feinde durch die Medien

Kurz vor meiner Ankunft hatte Milosevic ein Interview mit der israelischen Zeitung Haaretz geführt. Er zitiert einige seiner Bemerkungen als Antwort auf Kostunicas Aussage, dass es Ähnlichkeiten zwischen dem Kosovo und Jerusalem gibt, die beide von Muslimen angegriffen werden: "Es ist eine irreführende und rassistische Interpretation. Die Ähnlichkeiten sind unterschiedlich, sie sind die zwischen dem Völkermord an den Serben und dem Völkermord an den Juden und jetzt dem Völkermord an den Palästinensern. Die Mittel sind anders: keine Gaskammern mehr, sondern eine Verteufelung der Feinde durch die Medien. Es geht darum, das öffentliche Bewusstsein für das Massaker an Zivilisten und das Embargo zu betäuben." In die Worte von Milosevic hat sich ein Hauch von Empörung eingefügt, und seine Gestik wird breit und schnell: "Sie haben uns die Armee absolut intakt hinterlassen, aber sie haben Zivilisten, Kinder und Infrastruktur massakriert: 88.000 Tonnen Sprengstoff und Uran auf den Köpfen der Jugoslawen. Wir sind das einzige Volk in Europa, das nach dem Zweiten Weltkrieg bombardiert wurde. Und mit einer kriminellen und völkermörderischen Waffe wie Uran. Das sind die Gemeinsamkeiten!"

Eine Demokratie ist ohne die Wahrheit nicht möglich

Ich möchte Milosevic eine besorgniserregende Frage stellen: die fehlende oder schwache Solidarität, die ihm in der Welt von der Mehrheit der Linken entgegengebracht wird, auch von denen, die sagen, dass sie gegen die Hegemonie der NATO sind. Die Miene des ehemaligen Präsidenten wird bitter und er verweist auf die Medien, die bei dieser Gelegenheit auf Befehl der obersten politisch-wirtschaftlich-militärischen Macht der Vereinigten Staaten mit wenigen Ausnahmen einen fast  totalen Narkotisierungsmechanismus zur Perfektion gebracht hätten: "Ein Mechanismus auf der Grundlage von Täuschung, der somit die substanzielle Demokratie in Amerika und Europa abgeschafft hat. Anstelle der Wahrheit wurden Lügen verkauft. Es ist unglaublich: Jetzt haben sie keine Skrupel mehr, um zuzugeben, dass sie keine Spuren einer ethnischen Säuberung durch die Serben im Kosovo gefunden haben (wohingegen sie eine solche der UCK geschützt haben), dass die Fotos der angeblichen serbischen Konzentrationslager eine Fotomontage waren, dass die zweihunderttausend Vergewaltigungen nach Angaben der
UNO auf allen Seiten und während des ganzen Krieges nur 300 waren, dass keine Massengräber gefunden wurden. Was nützen demokratische Institutionen und Freiheit, wenn Du, Regierung, nichts als Lügen verbreitest? Eine Demokratie ist ohne die Wahrheit nicht möglich."

Dann lud mich Milosevic ein, den Pluralismus der in Jugoslawien existierenden Medien (und Parteien), auch während des Krieges, mit der granitartigen Homogenität der Presse im Westen zu vergleichen. "Aber Ihr habt einige der oppositionellen Medien geschlossen." An dieser Stelle tritt der Vizepräsident der Sozialistischen Partei Serbiens (SPS), Jovanovic, in das Gespräch ein: "Für eine sehr kurze Zeit, als sie in voller Aggression das Volk aufriefen, sich mit Gewalt von der Regierung zu befreien, und es wurde nachgewiesen, dass sie von der
CIA geleitet und finanziert wurden. Sie fungierten als fünfte Kolonne und initiierten eine gewaltsame Subversion. Jede Regierung würde so reagieren. Im Gegenteil, in unserem Land gab es auch im Krieg nicht einmal eine Zensur, und vier der sechs in Belgrad erscheinenden Tageszeitungen haben uns systematisch angegriffen".

Ich halte es mit der Demokratie

"Präsident. Eine Frage, die viele Ihrer Verleumder als provokant betrachten werden. Kuba mit seiner einzigen Partei leistet seit über 40 Jahren Widerstand. Gab es nicht einen Übermaß an Demokratie bei Ihnen, in Anbetracht, dass die Amerikaner die Opposition kaufen konnten?"

"Wer kann das schon sagen? Ich halte es mit der Demokratie. Wenn das keine Demokratie ist, dass es Oppositionsparteien gab und 95 Prozent der Medien in ihren Händen waren... Sie wurden nie einer Zensur unterstellt. Im Kosovo gab es 20 albanische Zeitungen, die gegen die Regierung donnerten. Sie wurden nie geschlossen. Wir hatten noch nie einen politischen Gefangenen, jetzt aber gewähren sie Terroristen, Mördern und Kindermorden Amnestie. Wird so der angegriffene Süden Serbiens verteidigt? Bei uns hatten alle Pässe, Rugova hielt Pressekonferenzen im Zentrum von Belgrad ab und griff mich bis auf den Tod an. Keine Schikanen, keiner getötet. Und doch beschuldigten sie mich des Mordes, während tatsächlich in den 12 Jahren meiner Amtszeit keiner der Widersacher getötet wurde. Stattdessen wurden meine besten Freunde getötet. Wenn sie könnten, würden sie mir auch die Verantwortung für die Ermordung von Moro oder Kennedy übertragen. Aber Lügen haben kurze Beine. Sie haben mich der Kriegsverbrechen angeklagt und am Tag zuvor lancierten sie Satellitenbilder von Massengräbern. Es gab eine 22-monatige Revolte im Kosovo, und sie fanden nur ein Massengrab, voll von Serben. Dieses Tribunal in Den Haag und seine Lügen sind nur ein Teil des Mechanismus des Genozids am serbischen Volk, maskiert von einem Spritzer Alibi-Anklagen gegen Kroaten und Muslime. Darüber hinaus war Del Ponte in der Europäischen Kommission in einen sehr ernsten Skandal verwickelt. Dann machten sie sie zu einer Staatsanwältin in Den Haag."

Niemals war ich ein Mann der Amerikaner - mit ihrer Besessenheit von Herrschaft und Profit

Ich unterbreite Milosevic die Beobachtung vieler, wonach er irgendwann "der Mann der Amerikaner" war. Der ehemalige Präsident weist die Definition vehement zurück: "Niemals. Wenn überhaupt, habe ich mit den Amerikanern verhandelt, solange es schien, dass sie die Einheit Jugoslawiens wahren wollten, oder zumindest von dem, was nach den Abspaltungen von Kroatien und Bosnien übrig blieb. Schließlich erzählen die ständigen Erpressungen und Strangulierungen durch den IWF, denen wir uns wegen der schrecklichen Bedingungen, in die die Sezessionen und Sanktionen unser Land gestürzt hatten, bis zu einem gewissen Punkt beugen mussten, dann eine andere Geschichte. Die USA müssen erkennen, dass es nicht möglich ist, Demokratie im eigenen Land zu haben und andere Völker zu unterwerfen. Es ist ein Widerspruch in sich. Ich kann verstehen, dass die Vereinigten Staaten, das heute mächtigste und reichste Land, das Bestreben haben, die Führung des Teams zu übernehmen. Aber vor zwei Jahren sagte ich zu Holbrooke (dem Beauftragten von Clinton), als er uns bedrohte: Ihr irrt Euch im Jahrtausend, nicht im Jahrhundert. Ihr hättet die Mannschaftsführer sein können, die einen großen Fortschritt für das Wohlergehen, die Verbreitung von Technologien, Gerechtigkeit und Demokratie einleiteten. Eure Besessenheit von Herrschaft und Profit führt Euch stattdessen dazu, Menschen und kleine Nationen zu töten, wie Julius Cäsar vor 2000 Jahren. Euer Verhalten ist ein Cäsarenwahn: komisch, wenn es nicht tragisch wäre. Für Euch gibt es nur Eure Marktwirtschaft, die neben außerordentlichen Gewinnen für einige wenige auch Ungleichheiten und Ausbeutung hervorbringt. Euer oberstes Gesetz bei der Eroberung der Welt ist es, die Arbeitskosten zu senken. Ihr seid die Träger einer neuen Form der Sklaverei."

Ich frage Milosevic, ob er nicht in den Monaten nach der Niederlage und der ethnischen Säuberung der UCK gegen Minderheiten im Kosovo, die von der ganzen Welt als solche erkannt, wenn auch nicht verurteilt wurde, einen Wandel in der nationalen und internationalen öffentlichen Meinung festgestellt hat. "Glücklicherweise", antwortet Milosevic, während Kaffee, Tee und andere Getränke, die von einem Parteihelfer gebracht werden, sich auf dem Tisch häufen, "sind wir nicht in Uganda, sondern in Europa, wo sie trotz des Panzermarsches der Presse ihre Augen einen spaltweit für das Bewusstsein öffnen. Ich stelle dies vor allem bei den Albanern fest, die in großer Zahl aus dem Kosovo nach Serbien geflohen sind. Holbrooke sagte mir klar und deutlich: 'Die Albaner sind uns egal'. Nun, als Serben liegen uns die Albaner am Herzen, sie sind unsere Bürger. Ich habe ihm auch eine Frage gestellt, die er nicht beantwortet hat: Welche Interessen können Sie, die USA, an einem Bündnis mit Terroristen und Waffen-, Drogen- und Organhändlern haben, die Sie irgendwann nicht mehr kontrollieren können?"

Gleichheit und Respekt unter allen Völkern der Föderation

Ich konfrontiere Milosevic mit dem Einwand, der im Westen so oft erhoben wurde: die Abschaffung der Autonomie des Kosovo. Die Antwort ist technisch. Eine solche Abschaffung hätte es nie gegeben. 1989, nach zahlreichen antiserbischen Pogromen, wäre dem Kosovo allerdings das Recht genommen worden, die jugoslawische Föderation mit einem Vetorecht zu lähmen, welches bis dahin eine wohlgemerkt Provinz den anderen autonomen Provinzen, den Republiken und sogar der gesamten Föderation habe auferlegen können. In Milosevics in Kosovo Polje gehaltener Rede hätte er, der als damaliger Präsident eines scharfen Nationalismus beschuldigt wurde, dagegen Gleichheit und Respekt unter allen Völkern der Föderation gefordert. Und er zitiert mir die Worte der Rede.

Der Haupthintergrund des Krieges kann sich dem Gespräch nicht entziehen: Rambouillet und ein Abkommen, das, wie Außenminister Dini später selbst zugab, die Besetzung ganz Jugoslawiens durch NATO-Streitkräfte und deren Herausnahme aus jeglicher Zuständigkeit der jugoslawischen Justiz vorsah. Milosevic erzählt uns: "Während der Verhandlungen in Rambouillet ging General Wesley Clark wiederholt mit Hashim Thaci, dem Führer der UCK, in Pariser Restaurants. Auch wenn jeder wusste, dass Thaci als offene Geldgeber die albanischen Drogenhändler hatte. Was hätte da für das amerikanische Volk positiv sein können? Aus Vereinbarungen mit der Mafia kann nur ein skrupelloser wirtschaftlicher Gewinn erzielt werden. Aber diese Übereinkunft funktioniert weiterhin und führt zu Katastrophen auf dem Balkan."

Krankheiten durch chemische und radioaktive Kontamination

Milosevic, auf den sich die endgültige Abrechnung bald niederschlagen wird, vermittelt nicht den Eindruck eines gejagten Mannes, der nach irgendeinem einem Ausweg für sich und seine Familie sucht. Im Gegenteil, er spricht nie von seinem persönlichen Schicksal. Er glaubt an die Möglichkeit eines Widerstandes, der sich entwickeln wird und der von den immer katastrophaleren Lebensbedingungen der Bevölkerung Impulse erhält. Tatsächlich erscheint das heutige Belgrad, das mit Ausnahme von Öl noch unter Embargo steht, stumpfer, dunkler und trostloser als das der Kriegs- und Nachkriegszeit. Die Inflation steigt auf 100 Prozent. Nach Angaben von wissenschaftlichen Forschern, von den Behörden totgeschwiegen oder herunter gespielt, verbreiten sich Krankheiten durch chemische und radioaktive Kontamination. In Pancevo berichtet das Institut für Arbeitshygiene von gut 80 Prozent der erwachsenen Bevölkerung, die an Krebs, Lymphomen und umweltbedingten Krankheiten leidet.

Die antijugoslawische Verschwörung wird sichtbar

Zu einer möglichen kämpferischen Antwort an die Sieger bei den letztjährigen Präsidentschaftswahlen sagt Milosevic: "Was im Leben der Nationen zählt, ist zu widerstehen. Die antijugoslawische Verschwörung wird sichtbar. Schauen Sie sich die einfachen Fakten der Geschichte an. Im Oktober 1997 fand auf Kreta der südeuropäische Gipfel statt. Wir waren alle da, und es wurde eine sehr gute Einigung zwischen uns allen erzielt. Ich habe auch eine südeuropäische Freihandelszone ohne Zoll vorgeschlagen. In einer Marktwirtschaft, auch mit unseren unveräußerlichen Schutzvorkehrungen für die Arbeitnehmer (das Gesetz, das den Arbeitnehmern in privatisierten Industrien 60 Prozent der Quoten garantiert), hätte jedes Land mehr Handlungsspielraum und größere Märkte gehabt. Eine ausgezeichnete Lösung schon vor dem Beitritt zur EU. Für die Amerikaner war es eine Bedrohung. Fatos Nano, der albanische Premierminister, war damit einverstanden, die Grenzen für Menschen und Waren zu öffnen. Er sagte mir: Der Kosovo ist ein internes Problem Jugoslawiens, das nicht verhandelbar ist. Im Südosten hätten die Dinge in Frieden und Zusammenarbeit gelöst werden können. Es war ein starkes Alarmsignal für die Destabilisatoren, und einen Monat später äußerte sich der französische Außenminister Hubert Vedrine ernsthaft besorgt über das Schicksal des Kosovo. Warum, wenn nicht einmal Fatos Nano besorgt war? Und unmittelbar danach beginnt Deutschland, kriminelle Gruppen zu organisieren und zu bewaffnen. 1998 begannen diese, Polizisten, Förster, Richter, Postboten zu erschießen, Bomben in Cafés und auf Märkten. Wir haben so reagiert, wie es jeder getan hätte. Ende 1998 war die UCK fertig. Im Fernsehen konnte man sehen, wie Lastwagen mit UCK-Waffen an die Polizei übergeben wurden. Aber Holbrooke kommt und besteht darauf, bewaffnetes Personal zu schicken. Ich habe klar abgelehnt, und wir haben uns auf die Mission von OSZE-Beobachtern geeinigt, nur von Zivilisten. Kaum hatte Holbrooke zugegeben, dass das Problem gelöst war, brachte er es am nächsten Tag wieder auf den Tisch: Neue Anweisungen waren aus Washington eingetroffen. Aber im Kosovo blieb alles ruhig, in Anwesenheit von 2000 OSZE-Beobachtern, Hunderten von Mitgliedern des Roten Kreuzes, Journalisten und Diplomaten. Dann erfand der Verbrecher William Walker (Leiter der OSZE) das Massaker von Racak. Das war der Vorwand für Rambouillet und den Angriff. Als unser Rechtsexperte Ratko Markovic das Diktat "Müll" nannte, sagte James O'Brian, Assistent von Albright: 'Wie können Sie uns das sagen? Ist Ihnen nicht klar, dass der Text von demjenigen verfasst wurde, der den Text für die tibetische Unabhängigkeit verfasst hat?' Ich habe alles gesagt."

Es gibt keine Globalisierung, sondern nur einen neuen Kolonialismus

Ich frage Milosevic, ob die Zerstörung Jugoslawiens auch Teil des Globalisierungsprozesses ist. "Die Zerstörung meines Landes ist ein Beweis dafür, dass es keine Globalisierung gibt, sondern nur einen neuen Kolonialismus. Wäre es eine echte Globalisierung, würde sie die gleichberechtigte Integration von Völkern, Kulturen und Religionen anstreben. Jugoslawien, das die beste Formel eingeführt hatte, wäre erhalten geblieben. Wenn die Nationen, Staaten, Völker als gleichberechtigte Subjekte behandelt würden, nicht erobert, vergewaltigt würden, wenn die Welt nicht einer reichen Minderheit gehören würde, die unbedingt reicher werden muss, während die Armen ärmer werden, hätten wir die richtige Globalisierung. Niemals hat man eine Kolonie sich entwickeln und ihr Glück erlangen sehen. Wenn Unabhängigkeit und Freiheit verloren gehen, sind alle anderen Schlachten verloren. Sklaven blühen nicht auf."

Heute haben wir in Europa nur noch falsche Linke

"Doch es waren die linken, sozialdemokratischen, europäischen Regierungen, die den Krieg führten." "Fehlinformationen und Manipulationen haben leider auch die Linke durchdrungen, denn heute haben wir in Europa nur noch falsche Linke. Sind Blair, Schröder, Jospin, D'Alema vielleicht links? Warum wurde Kohl mit dem üblichen System der Skandalisierung abserviert? Weil er sich weigerte, Deutschland vollständig der Kontrolle der USA zu unterwerfen. Letztere hingegen sind bereit, als Hülle zu fungieren. Die USA sind in ihre politischen und damit medialen Strukturen eingedrungen. Paradoxerweise waren es die Linken, die uns bombardiert haben. Mit den Griechen zum Beispiel gab es unter Mitsotakis ein respektvolleres Verständnis als mit dem amerikanischen Papandreu. Was die Italiener betrifft, so habe ich wenig zu sagen. Sie haben nicht viel getan, um einen Dialog mit uns zu führen. Sie sind im Schatten geblieben."

Russland wurde von dem Amerikaner Gorbatschow zerstört – Es muss die vom Westen genährte Mafia loswerden

Ich bitte Milosevic um eine Einschätzung zu Ländern und Persönlichkeiten, die gewissermaßen am Horizont der jugoslawischen Krise stehen. "China? Es unterstützt uns diskret und indirekt, aber es kümmert sich um seine eigenen Angelegenheiten. Die Chinesen sind ruhig und geduldig. Sie sagen, sie brauchen hundert Jahre, um mit den imperialen Mächten zu konkurrieren. Russland wurde von dem Amerikaner Gorbatschow zerstört. Die Russen waren naiv, als sie dachten, dass die Verwüstung an ihren Grenzen Halt machen würde. Nun, vielleicht gibt es einige Anzeichen einer Erholung. Ramsey Clark, der ehemalige US-Justizminister und Führer der Bürgerrechte, ist ein großer Kämpfer für den Frieden. Als der Irak-Iran-Krieg, die Geiselkrise, begann, fragte Clark Kissinger, was er von diesem Krieg erwartete. Die Antwort war 'dass sie sich gegenseitig umbringen'. Die Geschichte wiederholt sich: Krieg zwischen Slawen untereinander und zwischen Slawen und Muslimen, damit sie sich schwächen, töten und das Feld räumen. Es genügt, sich den Kosovo, Tschetschenien, Dagestan, Mazedonien anzusehen. Jetzt fühlen sich die USA bedroht von Putin (beim Namen des russischen Präsidenten zieht Milosevic zweifelnd die Augenbrauen hoch), von Moldawien, von Weißrussland, von der Ukraine. Sie betrachten sie alle nur deshalb als Bedrohung für den Westen, weil diese Länder begonnen haben, sich nach links zu bewegen und mehr Verantwortung für ihre eigenen Interessen zu übernehmen. Viele Dinge ändern sich. Die Menschen wachen aus der Hypnose auf, die sie glauben ließ, dass ihre Zukunft vom IWF und der Weltbank abhängig sei. Sie haben Hunderte von Milliarden aus Russland gestohlen und möchten dann über Kredite zu Kredithaie-Zinsen verhandeln. Dieses Russland hat ein enormes Potenzial. Es muss die vom Westen genährte Mafia loswerden, die seine Wirtschaft regiert. Putin erkennt dies, und das erklärt alle seine jüngsten internationalen Initiativen. Russland muss den Währungsfonds, dessen Pläne nur der Zerstörung dieses Landes dienen, zur Hölle schicken."

Wir haben die vollständige Privatisierung abgelehnt, um die öffentliche Kontrolle zu erhalten

"Gewisse europäische Linke haben Sie der Privatisierung beschuldigt." "In unserer Verfassung sind alle Eigentumsformen garantiert: staatlich, sozial, kooperativ, privat. Der Grad der Privatisierung hängt von der Entwicklung der Wirtschaft, von den Bedingungen der internationalen Institutionen (die wir letztendlich abgelehnt haben), von der Verschuldung und vom Sozialschutz ab. Wir haben unter den gegebenen Umständen ein optimales Gleichgewicht angestrebt. Wir haben die vollständige Privatisierung, insbesondere von strategischen Sektoren, abgelehnt, um die öffentliche Kontrolle zu erhalten. Wir haben 60 Prozent der privatisierten Unternehmen für unsere Beschäftigten gesichert und das in- und ausländische Kapital auf 40 Prozent begrenzt. Niemand in Europa hat das getan. Wir haben den Landwirten viel Land gegeben. Die 10 Hektar Höchstgrenze des bisherigen Gesetzes waren für eine Familie in der modernen Wirtschaft zu wenig. Jetzt sind es 160 Hektar, die man besitzen darf. Das ist gewiss kein Großgrundbesitz. Was die Telekom betrifft, so ist die Vermittlung eines für uns günstigen, für die Italiener teuren Preises von anderthalb Milliarden zur Hälfte an tschechische Vermittler gegangen. Wir haben keinen Dinar davon in Form von irgendwelchen herübergereichten Geldbündeln gesehen. Diese Summe brauchten wir, um eine Wirtschaft wieder aufzubauen, die durch die Sanktionen zerstört wurde, die 1993 zu einer Inflation von 350.000 Prozent führten. Bis 1994 war es uns gelungen, die Inflation auf Null zu senken. Der Dinar blieb stabil, die Inflation bis 1999 unter Kontrolle. Wir waren im Elend, aber gesund, und zwischen 1994 und 1998 stieg unser BIP um 4 bis 8 Prozent, mehr als in allen Nachbarländern, so sehr diese auch alimentiert wurden. Hier ist eine weitere jugoslawische Bedrohung: Es gibt keinen Serben, der in den umliegenden Ländern arbeitet, während Tausende von Rumänen und Bulgaren hierher kommen, um zu arbeiten. Darauf bin ich stolz. Ich bin so stolz auf den Wiederaufbau, den dieses Land in etwas mehr als einem Jahr vollbracht hat. Damals gab es nicht einen Stromausfall, heute gibt es ständig welche."

"Präsident, Ihnen wird oft vorgeworfen, Schätze in ausländischen Banken angesammelt zu haben, auch wenn einige vermuten, dass es sich um Konten handelte, die zur Umgehung des Embargos und zur Ernährung der Bevölkerung verwendet wurden." "Vor zwei Jahren verkündete Holbrooke mir: 'Die Schweiz hat Ihre Konten gesperrt'. Ich sagte ihm, dass ich sofort unterschreiben würde, alle meine Schweizer Gelder zu spenden. Übrigens hat die oberste Schweizer Finanzbehörde erklärt, dass sie keine Spur von meinem Vermögen in diesem Land gefunden hat. Das einzige Konto, das ich habe, ist hier bei einer Bank und dient dazu, mein Gehalt zu erhalten. Jetzt sprechen wir über Zypern, aber selbst dort haben sie nichts gefunden und die Zyprioten sehr wütend gemacht."

Ich glaube, ich kann Vertrauen haben

"Präsident, haben Sie Vertrauen in die Zukunft? Die Umstände scheinen Ihnen sehr ungünstig zu sein. Es wird von einer drohenden Verhaftung gesprochen. Die Vereinigten Staaten haben diese verlangt." "Ich glaube, ich kann Vertrauen haben. Es hängt alles von der Politik der neuen Regierung ab, wer sich dort durchsetzen wird, und wie die Menschen reagieren werden, wenn sie erkennen, dass sie getäuscht und verarmt wurden. Die Führung ist sehr gespalten. Kostunica ist besser als die anderen, es scheint, dass er nationale Interessen verteidigen will, aber er ist schwach und hat keine Mehrheit in der Koalition. Wir werden sehen, was dabei herauskommt. In der Zwischenzeit arbeiten wir daran, die Partei, unsere einzige Verteidigung, zu stärken und das Bewusstsein der Bevölkerung zu schärfen. Wir sind der Meinung, dass sich unser Standpunkt unter den Arbeitnehmern, Landwirten und Klerikern ausbreitet. Wir werden aber durch den fast völligen Nichtzugang zu Informationsmedien behindert. Es gibt im Grunde nur eine Tageszeitung. Alle Medien werden von der DOS kontrolliert. Demokratie ist anders. Einmal begann ein Journalist im Fernsehen, diese Panzerung von Information zu kritisieren. Sie hörten sofort auf zu senden. So etwas war bei uns nie passiert".

Never give up – Niemals aufgeben

Milosevic verabschiedet mich herzlich. "Danke für die korrekte Information." Und er fügt eindringlich auf Englisch hinzu: "Never give up" – Niemals aufgeben. Dann ruft er mich zurück, um mir einen Ausspruch von Madeleine Albright, Clintons Außenministerin, mitzuteilen, der ihm vom Journalisten der New York Times, Steve Erlander, berichtet wurde. Albright rief aus: "Aber wie, hat Milosevic das Ergebnis der Wahlen akzeptiert? Da hört doch alles auf, das ist nicht möglich! Wir hatten ihn absichtlich wegen all dieser Delikte angeklagt, für zehnmal lebenslänglich, damit er die Macht um keinen Preis friedlich aufgeben würde. Und jetzt passiert das.... Das ist kein Sieg."

Es ist nicht wahr, dass wir von der Bombardierung unseres Fernsehens gewusst hätten

Dann murmelt er mit einem bitteren Lächeln einen weiteren Hinweis: "Es ist nicht wahr, dass wir von der Bombardierung unseres Fernsehens vorher gewusst hätten. Mit dieser Unterstellung haben sie Dragoljub Milanovic, den ehemaligen Direktor, inhaftiert. Aber gerade er war bis ein paar Minuten vor den Bomben noch im Gebäude gewesen. Als ob man denn die genaue Minute und Sekunde des Knalls exakt vorher wissen könnte. Das ist eine der vielen Niederträchtigkeiten von Carla del Ponte, auf diese Weise das Verbrechen der gezielten Bombardierung von Journalisten zu verdecken. Sollten die nicht dort sein? Und hätte sie im Krieg nicht auch über die direktesten Kommunikationsmittel verfügen wollen, um die Menschen zu warnen, um Hilfsaufrufe zu verbreiten und das Notfallkommunikationssystem während des Krieges am Laufen zu halten? Diese Jungs waren alle Freiwillige. Die NATO hat sie getötet. Wie sie alle meine liebsten und wertvollsten Mitarbeiter umbringen ließ, um diese Morde dann als Mafiakriege hinzustellen."

Und hier senkt Slobodan Milosevic die Augen. Jetzt wirkt er etwas gebeugt.



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Protestmahnwache am 10. Todestag von Slobodan Miloševic,
Den Haag, 11.3.2016